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Schäuble-Memoiren: Wollte Stoiber Merkel als Kanzlerin stürzen?

Schäuble-Memoiren

Wollte Stoiber Merkel als Kanzlerin stürzen?

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    Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) im Jahr 2012. Stoiber soll Schäuble zum Sturz von Merkel gedrängt haben.
    Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) im Jahr 2012. Stoiber soll Schäuble zum Sturz von Merkel gedrängt haben. Foto: Soeren Stache, dpa

    Der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber soll während des großen Flüchtlingszustroms im Jahr 2015 auf einen Sturz der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel hingearbeitet haben. Das schreibt der Ende 2023 im Alter von 81 Jahren gestorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble in seinen Memoiren. Stoiber habe ihn demnach im Herbst des Krisenjahres dazu gedrängt, selbst Regierungschef zu werden, um eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik zu vollziehen. 

    In den fraglichen Tagen war es nach Merkels Entscheidung, die Grenzen für die über die Balkanroute und Ungarn in großer Zahl nach Deutschland strömenden Flüchtlinge offen zu halten, zu heftigsten Spannungen zwischen Merkels CDU und der vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer geführten Schwesterpartei CSU gekommen. Seehofer habe Merkel auf dem CSU-Parteitag "wie einem Schulmädchen die Leviten" gelesen. Wie sich Schäuble, damals Bundesfinanzminister und mächtiger Strippenzieher der Union, weiter erinnert, ging der Widerstand aus Bayern aber über scharfe Worte weit hinaus: „Inzwischen wurde auch Edmund Stoiber aktiv und feuerte Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an. Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden.“ 

    Wolfgang Schäuble (CDU), ehemaliger Bundestagspräsident, starb im Dezember 2023.
    Wolfgang Schäuble (CDU), ehemaliger Bundestagspräsident, starb im Dezember 2023. Foto: Marijan Murat, dpa

    Doch das sei für ihn keine Option gewesen, so Schäuble. „Ich lehnte das entschieden ab. Wie Jahrzehnte zuvor bei Kohl blieb ich bei meiner Überzeugung, dass der Sturz der eigenen Kanzlerin unserer Partei langfristig nur schaden könnte, ohne das Problem wirklich zu lösen.“ Schäuble hatte Kanzler Helmut Kohl unter anderem als Kanzleramtschef und Innenminister gedient, war danach lange Unionsfraktionschef und zeitweise CDU-Vorsitzender. Sein Buch „Erinnerungen. Mein Leben in der Politik“, Klett-Cotta, 38 Euro), erscheint kommende Woche, Auszüge veröffentlicht das Magazin Stern vorab. 

    Rätsel seit 2022 offen: Schäuble berichtete von Überlegungen, Merkel zu stürzen

    Schon im Jahr 2022 hatte Schäuble von Überlegungen berichtet, Merkel zu stürzen, dabei aber keine Namen genannt. Auch Gerüchte, nach denen die CDU-Legende seine beeindruckende Polit-Karriere mit der Kanzlerschaft habe krönen wollen, waren immer wieder durch das politische Berlin gewabert. In seinen Memoiren schreibt Schäuble dazu: „Die ganze Debatte amüsierte mich fast ein wenig, weil ich ja mein Alter kannte, seit mehr als einem Vierteljahrhundert querschnittsgelähmt war und insgesamt eine angeschlagene Gesundheit hatte.“ Nach einem Attentat auf ihn im Jahr 1990 war er auf einen Rollstuhl angewiesen. 

    Der damals neue CDU-Vorsitzende Schäuble gratuliert 1998 in Bonn der soeben zur CDU-Generalsekretärin gewählten Angela Merkel.
    Der damals neue CDU-Vorsitzende Schäuble gratuliert 1998 in Bonn der soeben zur CDU-Generalsekretärin gewählten Angela Merkel. Foto: Michael Jung, dpa

    In der Flüchtlingskrise war Schäuble deutlich auf Distanz zu seiner Parteifreundin Merkel gegangen. "Lawinen kann man auslösen, wenn irgendein etwas unvorsichtiger Skifahrer an den Hang geht und ein bisschen Schnee bewegt", sagte er damals. Für den Vergleich von notleidenden Menschen mit einer Naturkatastrophe wurde er viel gescholten. Doch dass mit dem unvorsichtigen Skifahrer keine andere als seine Parteifreundin Angela Merkel gemeint war, daran bestanden seinerzeit im Regierungsviertel von Berlin keinerlei Zweifel. Ein hochrangiger Unionspolitiker, der sich namentlich nicht äußern will, erinnert sich aber daran, dass die Anti-Merkel-Stimmen sich damals auf die dezidiert konservativen Kreise von CDU und CSU beschränkt hätten, während der größere Teil dem flüchtlingsfreundlichen Kurs der Kanzlerin zugestimmt habe. Ein Umsturzversuch hätte mithin kaum Aussicht auf Erfolg gehabt. 

    Was Stoiber und Seehofer sagen

    Politiker, die Auskunft über die damaligen Vorgänge geben könnten, halten sich bedeckt. Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber, der sich zum fraglichen Zeitpunkt längst aus der aktiven Politik verabschiedet hatte, wollte zu den Schäuble-Memoiren am Mittwoch nichts sagen. Er habe, so Stoiber auf Anfrage unserer Redaktion, mit wenigen Kollegen über Jahrzehnte hinweg so viele persönliche und vertrauliche Gespräche geführt wie mit Schäuble. „Berichte darüber habe ich niemals kommentiert und das gilt für mich natürlich auch heute nach seinem Tod weiter“, erklärte Stoiber. 

    Sollte es den Vorstoß Stoibers bei Schäuble tatsächlich gegeben haben, dann geschah dies jedenfalls ohne Wissen des damals amtierenden CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Dass Stoiber ein massiver Kritiker des Kurses von Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingsfrage war, sei allgemein bekannt gewesen, sagt Seehofer im Gespräch mit unserer Redaktion, betont aber zugleich: „Edmund Stoiber hat mit mir nie über eine Ablösung von Angela Merkel gesprochen – auch weil völlig klar war, dass er mich für so einen Weg nie hätte gewinnen können.“ 

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