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Hintergrund: Verliert Friedrich Merz im Kampf um den CDU-Vorsitz an Boden?

Hintergrund

Verliert Friedrich Merz im Kampf um den CDU-Vorsitz an Boden?

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    Des einen Leid, könnte des anderen Freud sein: Der Rückhalt für Friedrich Merz bröckelt selbst in konservativen Kreisen, seine Chancen schwinden.
    Des einen Leid, könnte des anderen Freud sein: Der Rückhalt für Friedrich Merz bröckelt selbst in konservativen Kreisen, seine Chancen schwinden. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    In Karlsruhe ist die konservative Welt noch in Ordnung. Als der Abgeordnete Ingo Wellenreuther sich dort vor wenigen Tagen auch um die Kandidatur für die nächste Bundestagswahl bewarb, wollte ein Delegierter vor der Nominierung noch wissen, wie der 60-Jährige es denn mit der V-Frage hält – der nach dem neuen Vorsitzenden und potenziellen Kanzlerkandidaten der CDU. Wellenreuthers Antwort, er werde im Dezember auf alle Fälle für Friedrich Merz stimmen, dankte ihm sein Kreisverband mit donnerndem Applaus.

    Der Südwesten, so scheint es, ist noch immer Merz-Land. Hier tickt die Union noch etwas konservativer als in anderen Bundesländern, hier ist mit Wolfgang Schäuble einer seiner bislang einflussreichsten Unterstützer zu Hause – und hier war der frühere Fraktionschef Merz im November 2018 auch der klare Sieger im Rennen um den Parteivorsitz mit Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer. „Wir müssen nicht alle Positionen übernehmen, die die Sozialdemokraten richtig finden,“ stichelte er damals bei der Regionalkonferenz in Böblingen ganz nach dem Geschmack seines Publikums: Klar, pointiert, aber nicht ausgrenzend. „Nicht jede abweichende Meinung“, wehrte Merz ab, „ist gleich eine Kritik an einer Person.“

    Die Südwest-CDU ist ein Landesverband mit Einfluss

    Mit gut 150 Delegierten ist die Südwest–CDU bei Parteitagen nach Nordrhein-Westfalen der zweitgrößte Landesverband – ihre Stimmen entscheiden über Karrieren und Kanzlerschaften maßgeblich mit. Umso erstaunter registrieren viele Abgeordnete und Funktionäre gerade, wie Schäuble offenbar seine politischen Sympathien neu sortiert. In einem Doppelinterview in der Zeit etwa lobte er vor kurzem den mit am Tisch sitzenden Gesundheitsminister Spahn wortreich für seinen Willen zur Macht und seine kluge Politik in der Corona-Krise. Die Forderung von Merz dagegen, alle sozialen Leistungen gehörten auf den Prüfstand, bügelte Schäuble betont schnoddrig ab: „Das müssen sie immer. Es ist ein Satz von allgemeiner Gültigkeit. Aber mehr sagt er dann auch nicht, bei aller Freundschaft zu Friedrich Merz.”

    Dass Schäuble auf Spahn große Stücke hält, ist bekannt. Nicht zuletzt deshalb hat er ihn 2015 als Staatssekretär zu sich ins Finanzministerium geholt. Gleichzeitig allerdings ist der Bundestagspräsident mit Merz befreundet und hat diesen vor zwei Jahren regelrecht gedrängt, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Merz, warb Schäuble damals, sei mutig, anständig und würde die Partei auch wieder besser profilieren. Wenn die graue Eminenz der CDU jetzt Spahn durch einen gemeinsamen Interview-Auftritt adelt und in den höchsten Tönen als Mann der Zukunft preist, kann Merz das also kaum gefallen. Er hat es so oder so schon schwer.

    Kandidatur für den Parteivorsitz: Jens Spahns Fan-Gemeinde wächst

    Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet kann immerhin einen mitgliederstarken Landesverband hinter sich versammeln.
    Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet kann immerhin einen mitgliederstarken Landesverband hinter sich versammeln. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Mehrere Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg gehen nun noch einen Schritt weiter – und fordern offen eine Kandidatur Spahns für den Parteivorsitz. „Wir dürfen nicht die Augen vor der Stimmung im Land verschließen, die ganz klar zugunsten von Spahn und Söder geht, weil sie in der Corona-Krise ihre Feuertaufe bestanden haben“, sagt beispielsweise der Gesundheitspolitiker Michael Hennrich. Merz, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet und der frühere Umweltminister Norbert Röttgen sollten ihre Bewerbungen daher zurückziehen und den Weg für einen Generationswechsel frei machen. Den 40-jährigen Spahn, sekundiert Hennrichs Kollege Armin Schuster, „sehe ich nicht in der von ihm selbst gewählten Zurückhaltung, sondern eindeutig auf Augenhöhe mit den anderen Kandidaten.“ Ein anderer langjähriger Abgeordneter, der seinen Namen in diesem Zusammenhang an dieser Stelle lieber nicht lesen will, sagt: „Eigentlich bin für Merz – aber wählen werde ich den, der die besten Chancen hat, die Wahl auch zu gewinnen.“

    Im Umkehrschluss heißt das: Selbst treue Merz-Fans zweifeln an dessen Erfolgschancen oder fürchten, sich mit einem Kanzlerkandidaten Merz in der Opposition zu einer grün-rot-roten Regierung wiederzufinden. Vor allem sein Lavieren in der Debatte um eine Frauenquote ist in der CDU zuletzt nicht gut angekommen. „Das hat er richtig vergeigt“, sagt ein erfahrener Parteimann aus Niedersachsen. Merz ist der einzige der drei Bewerber, der öffentlich mit der Quote hadert.

    Kampf um den CDU-Vorsitz: Friedrich Merz gibt sich zuversichtlich

    Wer den 64-Jährigen in diesen Tagen trifft, begegnet trotzdem einem erstaunlich gelassenen, zuversichtlichen Kandidaten. Einem, der mit sich im Reinen ist, wie es scheint. „Es kann für die Übernahme einer politischen Führungsposition durchaus von Vorteil sein, wenn man sein Leben nicht nur in der Politik verbracht hat, sondern noch weiß, wie der normale Mensch auf der Straße tickt und worauf es in einem Unternehmen ankommt“, hat Merz gerade erst in einem Interview mit unserer Redaktion gesagt. Das Rennen, beteuern seine Unterstützer, sei nach wie vor offen, wobei aus dem Dreikampf um die CDU-Spitze längst ein Duell zwischen Merz und Laschet geworden ist. Röttgens Chancen gelten als schlecht bis aussichtslos. Für Laschet wiederum spricht unabhängig von allen Spekulationen über die Karrierepläne von Umfragekönig Markus Söder, dass er nicht nur den mitgliederstärksten Landesverband der CDU anführt, sondern als Ministerpräsident viel Regierungserfahrung mitbringt – ein Argument, das in der Union mit ihrer starken Fixierung aufs Kanzleramt immer zieht. Schon der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel witzelte einst: „Die SPD will immer recht haben – und die CDU will immer regieren.“

    Dass der neue Parteivorsitzende am Ende zur Überraschung aller Jens Spahn heißt, flankiert womöglich von einem Kanzlerkandidaten Söder, ist bislang nicht mehr als eine von vielen Hypothesen, die im Berliner Regierungsviertel und in den Landesverbänden gerade die Runde machen. Spahn gehöre so oder so die Zukunft, prophezeit ein langjähriges Präsidiumsmitglied. „Er wäre schlecht beraten, sich jetzt aus der Formation mit Laschet zu lösen.“

    Auch der passende Posten für ihn steht mehr oder weniger schon zur Verfügung. Sollte der Favorit Laschet am Ende das Rennen machen, würde sein Unterstützer Spahn nicht nur einer seiner Stellvertreter an der CDU-Spitze werden, sondern vermutlich auch Vorsitzender der Bundestagsfraktion von CDU und CSU. Amtsinhaber Ralf Brinkhaus hat, zum einen, die großen Erwartungen der 246 Abgeordneten nach dem Sturz von Volker Kauder nicht erfüllt. Und er ist, zum anderen, in der stark auf Proporz achtenden CDU neben Merz, Laschet, Spahn und Röttgen vermutlich genau ein Nordrhein-Westfale zu viel.

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