i
Foto: Marijan Murat, dpa
Foto: Marijan Murat, dpa

Wir bieten Orientierung vor den Buchregalen, die trotz des Ausfalls der Leipziger Buchmesse im Frühling 2022 freilich voll sind.

Literatur
12.03.2022

Die wichtigsten Bücher des Frühjahrs 2022: Unsere Tipps und Kritik

Von Wolfgang Schütz

Aus den Massen der Neuerscheinungen haben wir die wichtigsten Bücher für Sie herausgesucht. Was ist gelungen, was nicht? Der Überblick - und die Kritiken.

Es sind 18 Bücher, die wir herausgesucht haben aus diesem Frühjahr. Hier lesen Sie die Kurzbeschreibungen - einen Klick weiter finden Sie jeweils die Rezension.

Fatma Aydemir: Dschinns

Ein Familienroman, aber ein ganz besonderer. Denn Fatma Aydemir erzählt von sechs Mitgliedern der Familie Yilmaz und damit auch einer deutsch-türkischen Geschichte durch deren Geister. Jeder und jede nämlich wird von einem solchen begleitet. So wird auch Verdrängtes sichtbar. Und es entsteht eine vielfältiges und atmosphärisch dichtes Porträt. Mehr.

Michael Wildt: Zerborstene Gesellschaft

Ein Sachbuch, das die oft bespiegelten deutschen Jahre zwischen 1918 und 1945 zum Thema hat. Aber mit seiner Art des Beschreibens eine besondere Tiefe erreicht. Denn nicht nur die "Kommandohöhen der Politik" werden hier betrachtet - dazu zieht der Berliner Professor für Zeitgeschichte auch die Ebene des Alltäglichen mit ein. Er beschreibt so den Weg in das, was er "rassistische Volksdiktatur" nennt - und die Gestalt, die das angenommen hat. Mehr.

Michel Houellebecq: Vernichten

Das Buch, wenn auch bereits reichlich besprochen, darf in einer solchen Übersicht nicht fehlen. Hat der französische Literaturstar hier sein ganzes Können noch einmal gezeigt, ein letztes Mal? Oder viel mehr solche Schwächen, dass es Zeit ist für ihn aufzuhören? Jedenfalls gibt er deutliche Hinweise, dass es keinen weiteren Roman mehr von ihm geben wird. Mehr.

Heike Geißler: Die Woche

Eine Woche, die (fast) nur aus Montagen besteht, dazu zwei "proletarische Prinzessinnen" - und alle möglichen Anzeichen dafür, dass es mit der Nation gerade nicht zum Besten steht. Heike Geißler legt einen Roman wie eine lyrische Montage vor, die zeitweise brutal ist, den Auftritt des Todes höchstselbst zu bieten hat, aber doch vor allem eines ist: poetisch. Mehr.

Lesen Sie dazu auch

Abdulrazak Gurnah: Ferne Gestade

Der Literaturnobelpreisträger des vergangenen Jahres, bis dahin hierzulande kaum bekannt, kann nun weiter entdeckt werden. Nach dem als Erstes wieder übersetzten und eher enttäuschenden "Das verlorene Paradies" gibt es nun mit "Ferne Gestade" eine Gelegenheit, den in England lebenden Tansanier teilweise auf der Höhe seines Könnens zu erleben. Mehr.

i
Foto: Matt Dunham, AP/dpa (Archivbild)
Foto: Matt Dunham, AP/dpa (Archivbild)

Abdulrazak Gurnah hat 2021 den Nobelpreis für Literatur erhalten.

Orhan Pamuk: Die Nächte der Pest

Und noch ein Nobelpreisträger, und dazu ein ziemlich umstrittener. Zumindest in seiner Heimat Türkei, und genau mit diesem Buch. Denn in "Die Nächte der Pest" wagt Pamuk einiges, bespiegelt die ganze Welt und viel Geschichte mit dem Geschehen auf einer einzigen Insel. In der Türkei wurde gefragt, ob er sich nicht über Atatürk lustig macht. Wir fragen: Gelingt ihm der große Wurf? Mehr.

Esther Kinsky: Rombo

Die vielfach ausgezeichnete Autorin und Übersetzerin reist rund 50 Jahre zurück und ins Friaul. Denn dort hat ein Erdbeben damals das Leben der Menschen schlagartig verändert. Für die leidenschaftliche Naturbeschreiberin Kinsky ein Anlass, sich die Verwerfung unter der Erde, aber auch in den Existenzen darauf genauer anzusehen. Mit Poesie das Eine, mit Protokollen das Andere. Mehr.

Hanya Yanagihara: Zum Paradies

Ein Mammutprojekt, an das sich die amerikanische Star-Autorin ("Ein wenig Leben") da gewagt hat. Sie schreibt über die Aidskrise in New York, springt aber auch ins Jahr 2094 und in die x-te dann herrschende Pandemie. Große Erzählmomente sind bei ihr garantiert - aber ob das alles noch zusammengeht und als Roman funktioniert? Mehr.

i
Foto: dpa
Foto: dpa

Hanya Yanagihara hat sich nach ihrem Bestseller "Ein wenig Leben" an ein neues Mammutprojekt gewagt.

Joshua Cohen: Witz

Und noch ein amerikanisches Mammutprojekt, mutig, wuchtig, poetisch. Vor zehn Jahren hat Joshua Cohen mit "Witz" im Original für reichlich Aufsehen gesorgt, erzählt er doch die Geschichte des letzten Juden, Benjamin, - und als Rhapsodie, die an große andere Romane denken lässt. Nun hat Ulrich Blumenbach die Heldentat vollbracht und das ins Deutsche übersetzt. Mehr.

Katharina Hacker: Die Gäste

Eine dunkle Vision ist das, was die Buchpreisgewinnerin in ihrem neuen Buch da vorlegt. Die Pandemie ist zwar vorbei - aber die Zustände sind alles andere als leichter geworden. Die Ich-Erzählerin aber begrüßt titelgemäß interessante Gäste im Cafe, das sie von ihrer Großmutter übernommen hat. Mehr.

Yasmina Reza: Serge

Ähnlich wie der Fall Houellebecq oben: Eines der Bücher, an dem man in diesem Frühjahr nicht vorbeikommt. Auch aus Frankreich. Aber doch ganz anders. Denn die große Stärke Rezas, die ja auch als Theaterautorin sehr erfolgreich ist ("Der Gott des Gemetzels"), packt auch in dieser Familiengeschichte fulminant mit ihren Dialogen. Und führt so, gewagt, sogar nach Auschwitz. Mehr.

Delphine de Vigan: Die Kinder sind Könige

Und gleich noch eine Französin, ebenfalls bereits erfolgreich mit früheren Büchern, nun mit einem besonderen. Denn "Die Kinder sind Könige" kann man als Krimi beschreiben: Ein sechsjähriges Mädchen verschwindet, wird entführt... Aber darüber wirft Vigan vor allem tiefe Blicke hinter die Welt der Videos von Familien-Influencern. Mehr.

i
Foto: dpa
Foto: dpa

Delphine de Vigan schrieb bereits einige erfolgreiche Bücher in der Vergangenheit.

Doron Rabinovici: Die Einstellung

Der aus Israel stammende und seit langem in Wien wohnende Rabinovici nimmt mit einer Art Polit-Thriller zwei bedenklich verzahnte Erscheinungen der Gegenwart in den Blick: Den Erfolg des Rechtspopulismus und die Veränderungen des Journalismus. Bedenklich der Hintergrund, spannend das Buch? Mehr.

Percival Everett: Erschütterung

Eine herbe Konstellation, die doch zu einem meisterhaften Roman führt: Ein Vater erfährt von einer seltenen und fatalen Gen-Erkrankung seiner Tochter. Er ist am Boden zerstört, der eigenen Existenz überdrüssig... Und macht sich doch auf die Suche nach Erlösung... Mehr.

Tove Ditlevsen: Gesichter

Die Wiederentdeckung dieses Frühjahr ist die bereits 1967 gestorbene Tove Ditlevsen, die mit "Gesichter" einen Roman hinterlassen hat, der an die Grenze zum Wahn führt - als Erkrankung einer Frau, aber auch in ihrer Behandlung durch die Umwelt. Es ist auch eine Geschichte über Frauen, die erschreckenderweise aktuell wirkt. Mehr.

i
Foto: dpa
Foto: dpa

Eine Wiederentdeckung: Tove Ditlevsen ist bereits 1967 verstorben.

David Graeber/David Wengrow: Anfänge

Der Star-Anthropologe David Graeber hat schon für manchen Wirbel gesorgt, engagiert gegen Ungleichheit und Kapitalismus mit großen Thesen. Als Nachlass erscheint vom ihm das gemeinsam mit dem prominenten Kollegen David Wengrow geschriebene Werk, das nicht weniger versucht, als die ganze Menschheitsgeschichte neu und anders zu erzählen. Mehr.

Navid Kermani: Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen

Ein Sachbuch des Autors, für Jugendliche ab 14, aber doch auch für alle, die sich für Religion im Allgemeinen und den Islam im Speziellen interessieren. Kermani schildert die Gespräche, die er mit seiner Tochter darüber führt, wie er ihr zu erklären versucht, in welchem Verhältnis Glauben zur Wissenschaft und er selbst zum Glauben steht. Mehr.

Büdenbender und Nagel: Der Tod ist mir nicht unvertraut

Die Frau des Bundespräsidenten und Richterin Elke Büdenbender spricht mit dem befreundeten und prominenten Mediziner und Ethiker Eckhard Nagel über den Tod und das Sterben - sehr persönlich, sehr offen. Denn beide haben einschneidende Erfahrungen damit gemacht. Das Ergebnis ist berührend, interessant und inspirierend. Mehr.

Facebook Whatsapp Twitter Mail