Wer zu schnell unterwegs war und von einem Blitzer ins Visier genommen wurde, musste zuletzt als Folge des von Bundesrat und Verkehrsministerium angerichteten Bußgeldkatalog-Chaos teils happige Strafen hinnehmen. Nun muss die Politik wegen eines Formfehlers jedoch nachbessern. ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand mahnte im Gespräch mit unserer Redaktion schnelle Korrekturen an.
Vor allem die neuen, auf Betreiben des Bundesrats geänderten Regelungen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen sorgen für gewaltigen Ärger bei Autofahrern. So droht demjenigen ein Monat Fahrverbot, der innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 Stundenkilometer. Vor der Änderung galt: Bei einer Überschreitung bis einschließlich 20 Stundenkilometer wurde ein Verwarngeld von maximal 35 Euro fällig, ab 21 Stundenkilometern drohte neben einer Geldbuße von mindestens 60 Euro ein Punkt, und ab 31 Kilometern pro Stunde gab es zwei Punkte sowie erst dann einen Monat Fahrverbot.
Der alte Bußgeldkatalog gilt nun vorerst
Der Ärger über die deutlichen Verschärfungen ist längst noch nicht verraucht, aber Besserung ist in Sicht. Zunächst einmal die wohl wichtigste Meldung: Bund und Länder haben sich nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums darauf verständigt, dass der alte Bußgeldkatalog wieder gilt.
Wen es in der Zwischenzeit erwischt hat, hat allerdings offenbar Pech. Laut Ministerium können bereits rechtskräftig gewordene behördliche oder gerichtliche Entscheidungen nicht zurückgenommen werden. Die Länder haben sich demnach darauf geeinigt, dass diese Bußgeldbescheide vollzogen und die ausstehenden Zahlungen eingefordert werden. Einzelne Länder haben aber Gnadenakte erlassen. Temposünder bekommen ihre Führerscheine zurück, die Bußgelder sind im Regelfall trotzdem zu zahlen. Während die Behörden in einigen Ländern von sich aus aktiv werden, müssen Autofahrer anderswo ihr Gnadengesuch selbst stellen. Die Lage ist unübersichtlich.
Anders bei Verfahren, die noch nicht rechtskräftig entschieden sind. Wenn beispielsweise der Bußgeldbescheid ausgestellt wurde, die in der Regel 14-tägige Einspruchsfrist aber noch läuft, können die zuständigen Behörden den Bescheid von Amtes wegen korrigieren – und zwar in Richtung der Regelungen des alten Bußgeldkatalogs, wie die Experten aus dem Haus von Minister Andreas Scheuer (CSU) erklären. Das gilt auch, wenn noch kein Bußgeldbescheid erlassen wurde. Wie dringend nötig schnelle Korrekturen sind, zeigen erste Stichproben des Verkehrsministeriums in einigen Kommunen. Demnach gab es bei den Fahrverboten Steigerungen von 300 bis 400 Prozent.
Der ADAC macht Druck auf das Verkehrsministerium
Der mächtige ADAC macht nun Druck. „Die Verunsicherung der Bevölkerung ist groß und die aktuell unterschiedliche Handhabung trägt nicht dazu bei, das Vertrauen der Bürger in Politik und Verwaltung zu stärken“, sagte ADAC-Verkehrspräsident Hillebrand unserer Redaktion. Umso wichtiger sei es, jetzt zu einem bundeseinheitlichen Vorgehen bei der Handhabung zu finden. „Langfristig muss es darum gehen, gemeinsam mit den Ländern eine Lösung zu finden, die die sinnvollen fahrradfreundlichen Verhaltensregeln bewahrt und bei den Sanktionen wieder mehr Differenzierung ermöglicht sowie die Verhältnismäßigkeit wahrt“, erklärte er. Ein paar Wochen wird das alles aber mindestens noch dauern. Die nächste Zielmarke ist der 18. September. Dann kommt der Bundesrat, der über die erneute Änderung der Straßenverkehrsordnung abstimmen muss, das erste Mal nach der Sommerpause wieder zu einer Sitzung zusammen.
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