Angesichts rasant steigender Energiepreise mehren sich in der Ampelkoalition Stimmen für eine zusätzliche Abgabe für Mineralölkonzerne. SPD-Chef Lars Klingbeil will "Krisen- und Kriegsgewinner" stärker besteuern. Es könne nicht sein, dass sich die Mineralölkonzerne "in der Krise die Taschen noch voller machen", sagte Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der SPD-Vorsitzende zeigte sich offen für eine sogenannte Übergewinnsteuer, um extreme Krisengewinne abzuschöpfen.
Grünen-Chefin Ricarda Lang befürwortet die Idee ebenfalls und hatte sie bereits Anfang Mai ins Spiel gebracht. "Wir beobachten seit Monaten eine Entkopplung vom Rohölpreis und Tankstellenpreisen. Einige wenige profitieren, während ganz viele mittelständische Unternehmen unter den hohen Energiepreisen leiden und sich fragen, wie sie durch das nächste Jahr kommen sollen. Die Übergewinnsteuer wäre da ein logischer Schritt", sagte Lang dem Tagesspiegel. Auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hält diese Abgabe für eine mögliche Antwort.
Die Mineralölkonzerne stehen wegen der hohen Spritpreise in der Kritik. Auch eine Senkung der Energiesteuern am Mittwoch hatte die Preise nur vorübergehend sinken lassen. Zuletzt waren sie vielerorts wieder gestiegen. Am Samstagvormittag stieg der Preis für Super E10 laut dem ADAC erneut. Diesel lag in etwa auf dem Niveau des Vortages. Beide Kraftstoffe waren dem Verkehrsclub zufolge zu teuer. "Da kommt deutlich zu wenig beim Verbraucher an", sagte ein ADAC-Sprecher. "Die Entwicklung geht in die komplett falsche Richtung."
Katharina Dröge fordert: Mineralölkonzerne sollen aus Krise keine Gewinne erzielen
Klingbeil sagte, angesichts der milliardenschweren Entlastungspakete beschäftige er sich intensiv mit der Frage, wie mit den Krisen- und Kriegsgewinnern umgegangen werden solle, die von der derzeitigen Lage stark profitierten. Dröge sagte am Samstag der Deutschen Presse-Agentur, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine habe dazu beigetragen, dass die Preise für fossile Energie dramatisch gestiegen seien. "Dabei haben Unternehmen, wie etwa Mineralölkonzerne, ihre Verkaufspreise teilweise deutlich stärker erhöht, als die Einkaufspreise dies nötig gemacht hätten."
Dröge nannte es ein Problem, wenn in einer Situation, in der die Menschen sowieso schon unter extrem hohen Preisen litten, Konzerne ihre Marktmacht nutzten, um Gewinne noch weiter zu steigern: "Wenn in dieser Krise Energiekonzerne exzessive Gewinne machen, muss man über eine sogenannte Übergewinnsteuer diskutieren." Dröge verwies darauf, dass andere europäische Länder diesen Weg bereits gingen.
Auch SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch dringt auf schärfere Gesetze. "Wir müssen uns die Frage stellen, ob bestimmte Gewinne nicht sittenwidrig sind", sagte er der Süddeutschen Zeitung: "Die Politik muss jetzt überlegen, welche Antworten sie zusätzlich zu finanziellen Entlastungen noch hat, die das Problem an der Wurzel packen." Dazu zähle auch, sogenannte Übergewinne abzuschöpfen.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) äußerte Skepsis an der Wirksamkeit der vorübergehend gesenkten Mineralölsteuer. "Die Ampel muss jetzt genau hinschauen, ob es durch die Steuersenkung wirklich eine Preissenkung gibt", sagte er der Bild am Sonntag. "Wenn die Öl-Multis das in die eigene Tasche stecken, muss man diese ungerechtfertigten Extra-Gewinne wie in Großbritannien mit einer Steuer abschöpfen. Die Entlastung muss bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen."
Übergewinnsteuer könnte Inflation abmildern
Unterstützung kam auch vom Paritätischen Gesamtverband. "Eine Übergewinnsteuer ist ein vernünftiger Vorschlag und haushaltspolitisch geboten, weil wir um weitere Entlastungspakete nicht herumkommen werden", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Menschen müssen wissen, dass es in Deutschland gerecht zugeht. Mit den Einnahmen aus der Übergewinnsteuer könnten weitere Maßnahmen zur Abfederung der Inflation finanziert werden."
Ifo-Chef Clemens Fuest warnte hingegen vor einem solchen Schritt. Von Sondersteuern für Übergewinne halte er in der aktuellen Lage nichts. "Die Gewinne werden ja besteuert. Je nach Wirtschaftslage Sondersteuern für einzelne Branchen einzuführen, öffnet der Willkür und dem Populismus Tür und Tor", sagte er der Rheinischen Post.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sprach sich für ein Ende der seit Mittwoch für drei Monate bis Ende August geltenden Steuerentlastung aus. Viele hätten prognostiziert, dass die Spritpreisbremse kontraproduktiv sei und vor allem in den Taschen der Mineralölkonzerne lande, schrieb der Ökonom am Samstag auf Twitter: "Wie wäre es, wenn die Politik ihren Fehler eingesteht und die Spritpreisbremse sofort stoppt?" (dpa)