Die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in Berlin ist ein ziemlich imposanter Bau. Die mächtige Eingangsfassade aus Holz, Stahl und Glas signalisiert Geborgenheit und Schutz. Für Armin Laschet ist das Gebäude in diesen Tagen eine Trutzburg. Die Landesvertretung ist nur wenige Gehminuten vom Konrad-Adenauer-Haus entfernt. Doch der CDU-Vorsitzende Laschet zieht es vor, die Entscheidung seines Kontrahenten Markus Söder in der K-Frage lieber in der Behörde abzuwarten, die ihm als nordrhein-westfälischem Ministerpräsidenten untersteht, als dafür in die CDU-Zentrale zu wechseln. Es ist ein Bild mit viel Aussagekraft. Als Ministerpräsident weiß Laschet genau, was er hat. Als CDU-Chef kann er sich dessen nicht mehr sicher sein. Und das, obwohl Söder ihm nun endgültig den Vortritt als Kanzlerkandidat gelassen hat.
Kanzlerkandidat der Union: Armin Laschet hat es geschafft
Als Söder am Dienstagmittag in München vor die Mikrofone tritt, weiß Laschet zwar schon, dass der CSU-Vorsitzende gleich offiziell seine Ambitionen beerdigen will, die Union als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf zu führen. Doch bis zuletzt ist das Misstrauen im Laschet-Lager groß. Nachdem ihn der CDU-Bundesvorstand in der Nacht mit Mehrheit zum Kanzlerkandidaten ausgerufen hat, soll dem Vernehmen nach direkt anschließend kein Kontakt mehr mit Söder zustande gekommen sein. Den gab es, so ist aus Parteikreisen zu hören, am Dienstagmorgen.
Doch nachdem der Bayer den Aachener praktisch eine Woche lang vor sich hergetrieben hatte, will sich die Freude noch nicht so recht einstellen. Laschet fällt erst ein Stein vom Herzen, als Söder die Worte von den Würfeln spricht, die nun gefallen seien. Erst da ordnet Laschet eine Pressekonferenz an, zu der mit vergleichsweise knappen 45 Minuten Vorlauf ins Konrad-Adenauer-Haus eingeladen wird.
Nach dem Machtkampft dankt Armin Laschet Markus Söder
Er sei Söder und der CSU dankbar, sagt Laschet da, der vom Sitzungsmarathon in der Nacht noch gezeichnet ist. Nach gut sechs Stunden hatte sich der Bundesvorstand mit einer Zustimmung von 77,5 Prozent für Laschet ausgesprochen. Einfach war der Weg dahin nicht.
Politische CDU-Schwergewichte wie Wolfgang Schäuble, Volker Bouffier oder Peter Altmaier meldeten sich zu Wort. Es gab viele Wortmeldungen für Laschet, von Schäuble etwa, aber auch viele gegen ihn. Wirtschaftsminister Altmaier beispielsweise soll sich Teilnehmern zufolge auf Söders Seite geschlagen haben. Am Ende stand der 60-Jährige als Gewinner da. Aber er weiß, dass es höchstens ein Etappensieg ist.
Um Kanzlerkandidat zu werden, hat Laschet das maximale Drohpotenzial gegenüber der kleinen Schwesterpartei ausgenutzt. Der Rheinländer soll der CSU sogar gewarnt haben, er werde einem Kandidaten Söder keinerlei Wahlkampfunterstützung gewähren. Viele Gespräche zwischen den Lagern blieben erfolglos. Eine hochrangige Verhandlungskommission mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, CSU-Generalsekretär Markus Blume und Söder auf der einen, Laschet, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Bundestagspräsident Schäuble auf der anderen Seite, traf sich am Sonntag in Berlin. Die Runde tagte bis in die Nacht – ohne Ergebnis. Söder flog nach Bayern zurück, wo er am Montag bekanntlich erklärte, er werde sich einem Votum des CDU-Vorstands beugen.
Bundestagswahl Kommt Jens Spahn in Laschets Wahlkampfteam?
Laschet blieb damit nur noch ein allerletzter Versuch, den Bundesvorstand hinter sich zu versammeln. Dieser, so die Argumentation im Konrad-Adenauer-Haus, habe die Legitimation von den 1001 Delegierten des Bundesparteitags. Das seien weit mehr Mitglieder, als es Kreisvorsitzende gebe, hieß es aus Parteikreisen. Laschet führte das als Grund an, warum er die Kreisvorsitzenden und damit die Mitglieder nicht direkt am Entscheidungsprozess beteiligen wollte. Wohl wissend, dass die Befriedung der aufgewühlten Basis mit ihren vielen Söder-Fans in den nächsten Tagen und Wochen eine seiner größten Baustellen sein wird.
Laschet muss jetzt zügig ein Wahlprogramm auf die Beine stellen. Zusammen mit seinem Unterstützer Jens Spahn hat er bereits Grundzüge skizziert, das allerdings reicht nicht. Der CDU-Chef gibt sich zwar zuversichtlich, dass es ihm gelingen wird, dafür die Mannschaften hinter sich zu versammeln, aber leicht wird es nicht für ihn. Die Junge Union, deren Mitglieder im Wahlkampf erfahrungsgemäß große Stützen sind, hätte zum Beispiel lieber Söder an der Spitze gehabt. Der Kanzlerkandidat müsste zudem langsam ein Team, ein Schattenkabinett, um sich versammeln. Spahn ist sicherlich gesetzt, doch wer soll sonst noch mit rein? Viele wünschen sich Friedrich Merz, der allerdings würde Laschet das Leben sicher nicht einfacher machen. Zumal der Ministerpräsident Laschet noch ein Bundesland durch die Corona-Pandemie zu steuern hat.
CDU nominiert Laschet als Kanzlerkandidaten: Was machen die Umfragen?
„Der Armin braucht jetzt dringend steigende Umfragewerte. Für sich und für die Partei“, sagt ein erfahrenes CDU-Präsidiumsmitglied, das Laschet wohlwollend gegenübersteht. Alles schaut in der Tat gebannt auf die Meinungsforschungsinstitute. Die CDU hat in der Woche der Entscheidung ein paar Punkte gemacht. Viele schieben das auf Söders Beliebtheit und seine Bereitschaft zur Kandidatur. Es wäre fatal für Laschet, würden die Umfragen der nächsten Tage das zarte Pflänzchen unter sich begraben.
Uneingeschränkt freuen mag sich da im Moment nur eine aus dem CDU-Lager, die es bald hinter sich hat. „Herzlichen Glückwunsch, lieber Armin Laschet, zur neuen Aufgabe als Kanzlerkandidat der Union. Ich freue mich auf die kommenden Monate unserer Zusammenarbeit“, erklärt Kanzlerin Angela Merkel, während die anderen sich eher verkniffenen Gesichtes belanglose, rituelle Kommentare abringen. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther und sein Parteifreund Ziemiak etwa erklären ihren „großen Respekt“ für Söder. Peter Altmaier gibt klein bei und fordert Geschlossenheit. Alle rufen sie das aktuelle CDU-Motto auf: „Alles, was wir tun, tun wir #wegenmorgen“, heißt es dort im Internetsprech. Eigentlich soll das Zuversicht vermitteln. Doch nicht für Armin Laschet. Das, was morgen und die nächsten Tage noch kommt, bereitet ihm die allergrößten Sorgen.
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