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Bundestag: Wolfgang Schäuble hält zum Jubiläum eine bemerkenswerte Rede

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Wolfgang Schäuble hält zum Jubiläum eine bemerkenswerte Rede

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    Eine Ära: Wolfgang Schäuble ist seit 50 Jahren Abgeordneter im Deutschen Bundestag.
    Eine Ära: Wolfgang Schäuble ist seit 50 Jahren Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Wie verhält sich jemand, der seit einem halben Jahrhundert dem Bundestag angehört und damit eine Ära begründete, der unter anderem als Fels und Gigant gelobt wurde? Wolfgang Schäuble verhielt sich am Donnerstag so wie immer: Ruhig, aufmerksam, die Hände in den Schoß gelegt, ließ er sich im Parlament feiern. So einen wie ihn hatten sie hier noch nicht. Der CDU-Politiker übertrifft sogar die 44 Jahre Parlamentszugehörigkeit von August Bebel, wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) von dem Pult aus lobte, auf dem Schäuble selbst viele Jahre als Parlamentschef saß. Nach der Abwahl der CDU als Regierungspartei musste Schäuble im Plenarsaal Platz nehmen, um ihn herum ist es ruhiger geworden. Was er alles weiß, das verpackt er in eine 15-minütige Rede, die außer ihm so nur wenige halten können.

    Schäubles Würdigung fällt auf den 50. Jahrestag der Wahl von Annemarie Renger zur Bundestagspräsidentin. Die SPD-Politikerin starb 2008, Schäuble hat sie natürlich auch gekannt und gibt eine Anekdote zum Besten. Renger habe streng auf die Würde des Hauses geachtet, erzählt er amüsiert, und einem Abgeordneten ohne Krawatte unauffällig eine solche bringen lassen, die „dieser auch ohne Widerspruch anlegte“. Er könne sich, fährt Schäuble fort, „übrigens nicht erinnern, dass die Tatsache, dass eine Frau das Amt innehatte, mir besonders bemerkenswert erschienen wäre“. Vielleicht sei manches auch vor 50 Jahren schon selbstverständlicher gewesen, als heute viele glauben, fährt Schäuble fort, sein Ton wird gönnerhaft. Wer die Dokumentation „Die Unbeugsamen“ über die ersten weiblichen Bundestagsabgeordneten gesehen hat, hat eine Ahnung, dass der Polit-Veteran hier irrt. 

    Kritik an der „Letzten Generation“

    Der Offenburger kann mühelos über den Nato-Doppelbeschluss referieren, die Wende hat er aktiv mitgestaltet. Schäuble war CDU-Vorsitzender, Fraktionsvorsitzender, Innen- und Finanzminister, er war Bundestagspräsident. Er hat alle Größen der internationalen Politik getroffen, sich um die deutsch-französische Freundschaft verdient gemacht. Das alles zu hören ist lehrreich, doch der 80-Jährige verharrt nicht in der Vergangenheit. Draußen werden gerade Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ zum Gespött, weil sie sich bei bitterer Kälte vor eine Garageneinfahrt des Bundestages geklebt haben, die nicht benutzt wird. Drinnen sagt Schäuble: „Nach meinen Erfahrungen bin ich mir auch nicht so sicher, dass aus anfangs idealistischem Protest, wenn er zu strafbaren Mitteln greift, auch schlimme Entscheidungen entstehen können. Deshalb ist es gut, wenn unsere zuständigen Behörden auch hier den Anfängen wehren.“

    Erst nachdenken, dann reden: Wolfgang Schäuble in einer für ihn typischen Pose.
    Erst nachdenken, dann reden: Wolfgang Schäuble in einer für ihn typischen Pose. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Schäuble mahnt, die Deutschen müssten aufpassen, dass die Welt sie nicht als Besserwisser sehe, und warnt einmal mehr davor, dass das Vertrauen in die Politik weiter abnehme. Einen Grund dafür liefert er kurz darauf unfreiwillig selbst. Er wisse nicht, „wie viele Entbürokratisierungs-Kommissionen und -initiativen wir in diesen 50 Jahren hatten – besser geworden ist jedenfalls nichts“, amüsiert sich Schäuble und erntet damit viele Lacher im Saal. Dabei hätten es viele der Anwesenden in der Hand gehabt, mit der Bürokratie auch Politikverdrossenheit abzubauen. 

    Schäuble macht noch weiter

    Er wolle sich mit „ungebetenen Ratschlägen“ zurückhalten, sagt der Jubilar, kann es dann aber noch nicht lassen. „Aber vielleicht ein Gedanke“, ergänzt er und da lachen sie im Saal, während oben auf der Besuchertribüne Ehefrau Ingeborg und Tochter Christine zuschauen. Schäuble stoppt kurz, wirkt ungehalten, in diesem Moment blitzt der zu scharfen Worten fähige Machtpolitiker durch, den viele in der CDU immer noch fürchten. Seinen Gedanken führt er dennoch aus, es geht darum, den überregulierten Staat „durch eine grundlegende Neuordnung der Aufgaben“ effizienter zu machen. 

    In seinem langen Politikerleben holte Schäuble 14 Direktmandate, ans Aufhören denkt er nicht. Schäuble macht weiter, zitiert den von ihm verehrten Philosophen Karl Popper und dessen Lehre von der offenen Gesellschaft, „die im Prozess von Trial und Error doch immer wieder den Weg zu neuen Lösungen findet“. Krisen seien immer auch Chancen und deshalb gebe es immer Grund zur Zuversicht. „Das gilt heute genauso wie vor 50 Jahren.“

    Zur Person:

    Wolfgang Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg im Breisgau geboren. 1965 trat der Volljurist der CDU bei. Seit 1972 sitzt der Offenburger ununterbrochen im Bundestag, es dürfte ein Rekord für die Ewigkeit sein. Am 12. Oktober 1990 wurde Schäuble bei einem Attentat niedergeschossen. Eine Kugel traf den Kiefer, die andere das Rückenmark. Seitdem sitzt er im Rollstuhl. In seiner Karriere war er unter anderem Fraktionschef, Innen- und Finanzminister sowie Bundestagspräsident. Schäuble ist verheiratet und hat vier Kinder.

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