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Boris Pistorius hat ideale Voraussetzungen als Kanzlerkandidat

Kommentar

Vorteil Pistorius? Die SPD macht ihren Kanzler mürbe

Rudi Wais
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    Scholz oder Pistorius, wer wird Kanzlerkandidat der SPD?
    Scholz oder Pistorius, wer wird Kanzlerkandidat der SPD? Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Steter Tropfen höhlt auch in der Politik den Stein. Noch steht die erste Reihe der SPD loyal zu Olaf Scholz – die Stimmen, die sich auch Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten für die Wahl im Februar vorstellen können, werden allerdings lauter und zahlreicher. In seltener Einmütigkeit haben die Wortführer des linken und des rechten Parteiflügels jetzt ein klares Bekenntnis zu Scholz vermieden. Ihre gemeinsame Erklärung tut das eine, ohne das andere zu lassen: Sie vermeidet den offenen Bruch mit Scholz, deutet aber Sympathie für eine andere, aussichtsreichere Lösung an.

    Will die Partei ihren Kanzler mürbe machen – in der Hoffnung, dass er vielleicht noch von sich aus verzichtet, wie Joe Biden in den USA es im Sommer auch tat? Hinter den jüngsten Pro-Pistorius-Äußerungen aus der Bundestagsfraktion stecken strategische wie persönliche Überlegungen. Strategische, weil die SPD im Kampf um das Kanzleramt mit Scholz auf verlorenem Posten zu stehen scheint und der populäre Verteidigungsminister für CDU-Chef Friedrich Merz der stärkere Gegenkandidat wäre. Persönliche, weil viele Abgeordnete der SPD jetzt um ihre Mandate fürchten. Der Bundestag wird nicht nur kleiner, die Sozialdemokratie ist in den Umfragen auch weit von ihrem letzten Wahlergebnis von 25,7 Prozent entfernt – das kann sie im neuen Parlament schnell 30 oder 40 Sitze kosten.

    Olaf Scholz ist das Gesicht der Ampel – hat er noch genug Schwung für einen Neuanfang?

    Wie einst bei Oskar Lafontaine, der 1995 den glücklosen Rudolf Scharping mit brachialer Wucht aus dem Amt des Parteivorsitzenden zwang, projiziert ein wachsender Teil der Partei seine Hoffnungen nun auf Pistorius. Dessen bodenständiges, unkompliziertes Auftreten hebt sich wohltuend von der seltsam entrückten Art ab, mit der Olaf Scholz das Land regiert. Nahe bei den Leuten zu sein, das Mantra des ehemaligen Parteivorsitzenden Kurt Beck: Das ist dem Kanzler in seinen drei Amtsjahren nie wirklich gelungen. Im Gegenteil. Pistorius dagegen vermittelt den Menschen genau dieses Gefühl des Ernst- und Mitgenommenwerdens. Das garantiert der SPD noch lange keinen Wahlsieg, aber es würde zumindest ihre Chancen auf ein gutes Ergebnis erhöhen.

    Scholz ist das Gesicht der Ampel, der vielleicht zerstrittensten Regierung, die Deutschland je hatte. Hat er noch die Kraft, den Schwung und das Ansehen, um dem beginnenden Wahlkampf eine Wende zu geben? Umgekehrt allerdings ist Pistorius bisher auch nicht mehr als ein Versprechen - ein tüchtiger Verteidigungsminister, zweifelsohne, aber welche Vorstellungen hat er von der künftigen Wirtschafts- oder Sozialpolitik? Wo ordnet er sich in einem auseinanderdriftenden Europa ein? Ihn auf den Schild zu heben, hieße auch, eine offene Flanke schließen zu müssen und sehenden Auges einen neuen parteiinternen Konflikt auszulösen: Ein Kanzler Pistorius oder ein Vizekanzler Pistorius unter einem Kanzler Merz würde Waffenlieferungen an die Ukraine sicher weniger restriktiv handhaben als Olaf Scholz das bisher tut. Und zumindest hier spricht der amtierende Kanzler vielen in der SPD noch aus der Seele. 

    Kanzlerkandidat Boris Pistorius: Putschen will er nicht, stünde aber bereit

    Pistorius selbst sagt, er sei ein Parteisoldat. Und ein Parteisoldat putscht nicht. Würde die Partei ihn jedoch rufen, würde er sich diesem Ruf wohl kaum verweigern – das kann man aus seinen jüngsten Äußerungen durchaus heraushören. Mittlerweile haben die Dinge eine Eigendynamik entwickelt, die Scholz zu denken geben muss. Dass Pistorius und seine Mitstreiterin, die Sächsin Petra Köpping, vor fünf Jahren im Kampf um den Parteivorsitz schon in der ersten Runde als Vorletzte ausschieden? Längst vergessen. Unter all den Eskens und Kühnerts, den Scholzens, Barleys und Rehlingers ist Boris Pistorius der einzige Spitzengenosse, der in der SPD genauso geschätzt wird wie außerhalb – ideale Voraussetzungen für eine Kanzlerkandidatur.

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    4 Kommentare
    Wolfgang Steger

    Herr Wais, ein Putsch ist eine illegale, meist gewaltsame Übernahme der Macht durch das Militär oder Politiker. Was dieser Begriff in der Situation, in der die SPD über ihren Kanzlerkandidaten diskutiert, den sie übrigens noch gar nicht bestimmt hat, zu suchen ?

    Josef Gegenfurtner

    Die CDU/CSU hat mit ihrem Kanzlerkandidaten Laschet die letzte Bundestagswahl krachend verloren. Da ist es leicht, den Spitzenkandidaten für die anstehende Wahl auszutauschen. Ob Herr Merz die richtige Wahl ist, oder doch Herr Wüst oder Herr Günther, wird sich zeigen. Gewonnen ist noch gar nichts. Die SPD hat die letzte Wahl mit ihrem Kandidaten Scholz wider Erwarten gewonnen. Da ist es verständlich, dass man den Kandidaten für 2025 nicht so ohne weiteres austauscht. Den dabei anstehenden Findungsprozess als Mürbemachen und möglichen Putsch zu bezeichnen, wie es der Leitartikler tut, ist typisch für eine Zeitung, der es nicht um journalistische Qualität geht, wie der Verhaltenskodex des Deutschen Presserats es fordert, sondern um Hetze und Parteinahme. Dabei fühle ich mich erinnert an meine Zeit als Kind und Jugendlicher. Als Sohn eines CSU-Orts und -Fraktionsvorsitzenden. Mit dem "Bayernkurier" als wöchentliche Lektüre. In dem auch nur hetzende Gesinnung zählte. Nicht die Qualität.

    Brunhilde Mayer

    Die SPD wird mit Scholz untergehen wie bei der letzten Wahl die CDU mit Laschet. Damals hatte man es dem alten Schäuble zu verdanken der Laschet gegen Söder durchdrückte. Die SPD sollte aus diesem Fehler der CDU lernen. Nach der Wahl, wenn das Desaster dann da ist, wird es zu spät sein.

    Franz Wildegger

    Ich persönlich halte Herrn Pistorius für einen sehr guten Verteidigungsminister und ich hoffe, er ist so klug und schlägt die Kanzler-Kandidatur aus, um später in der Groko völlig unbeschädigt unter Kanzler Friedrich Merz den Posten des Verteidigungsminister weiter auszuführen, Verliert er jedoch (und das ist für mich ganz sicher mit der schwachen SPD im Rücken) dann ist er für so ein wichtiges Amt in der Groko verbrannt und das sollte er sich nicht antun wenn er klug ist.

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