Zwei Tage vor dem Haupttag der Europawahl gingen weltweit erneut Menschen für eine bessere Klimapolitik auf die Straße. Bei der zweiten Auflage ihres Großprotests planten die Organisatoren des Netzwerks Fridays for Future an diesem Freitag Kundgebungen an mehr als 1600 Orten in über 120 Ländern. Mindestens 218 deutsche Städte von Flensburg bis nach Lindau im Bodensee waren dabei, so viele wie in keinem anderen Land (hier finden Sie alle Protest-Termine).
Allein zur Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin waren nach Polizeiangaben 10.000 Teilnehmer angemeldet. Auch in der Hamburger Innenstadt waren ersten Schätzungen zufolge rund 17.000 Demonstranten unterwegs.
Auch in gut zwei Dutzend bayerischen Städten waren Kundgebungen geplant. In München hatten die Organisatoren 3000 Teilnehmer angemeldet, in Nürnberg 2000, in Regensburg 1000, in Augsburg 500, in Würzburg 400 und in Ingolstadt 100.
Nach dem Vorbild der Schwedin Greta Thunberg gehen Schüler und junge Studierende seit Monaten freitags - während der Schulzeit - für mehr Klimaschutz auf die Straße. Dass die Proteste während der Unterrichtszeit stattfinden, hat in Deutschland zu einer Debatte geführt. Mittlerweile haben sich aber auch Eltern, Wissenschaftler und andere den Demonstrationen angeschlossen.
Nun findet der Klimaprotest zum zweiten Mal im Großformat statt. An der ersten Auflage am 15. März hatten sich nach Angaben der Veranstalter weltweit etwa 1,9 Millionen Menschen beteiligt, wie aus einer Liste von Fridays for Future hervorgeht.
Der zweite Klimaprotesttag wurde akribisch vorbereitet, wie Thunberg, die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer und Mitstreiter aus aller Welt in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung schrieben: "Wir haben zahllose Stunden organisiert und mobilisiert, in denen wir auch einfach mit unseren Freunden herumhängen oder für die Schule hätten lernen können." Sie riefen Erwachsene auf, sich den jungen Demonstranten anzuschließen.
Fridays for Future: "Nutzt eure Stimme, wenn ihr eine habt"
Fridays for Future fordert, dass die Politik beim Thema Klima auf die Wissenschaft hört, die Ziele des Pariser Weltklimaabkommens einhält und mit entschiedenen Maßnahmen dazu beiträgt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius zu stoppen. Schon heute ist es auf der Erde etwa ein Grad Celsius wärmer als vor der Industriellen Revolution.
Der zweite sogenannte globale Klimastreik nahm wegen der Zeitverschiebung seinen Anfang in Neuseeland. Nach asiatischen Ländern wie Indien und Indonesien wird dann auch in allen 28 EU-Staaten sowie in mehreren afrikanischen Staaten demonstriert, ehe Nord-, Mittel- und Südamerika dran sind.
Der Bewegung geht es diesmal unter anderem um die Europawahl. Thunberg, die als 16-Jährige wie viele Anhänger der Bewegung noch nicht wahlberechtigt ist, rief junge Stimmberechtigte zum Urnengang auf. Wer auf die Klima- und Umweltkrise aufmerksam machen wolle und sich um die künftigen Lebensbedingungen sorge, für den sei die Stimmabgabe eines der wirksamsten Mittel, sagt sie in einer auf Instagram veröffentlichten Videobotschaft.
"Das hier ist deine Chance, als junger europäischer Staatsbürger dabei Mitsprache zu haben, welche Angelegenheiten in den nächsten fünf Jahren Priorität in der EU haben werden", sagt Thunberg in dem Video. Fridays for Future schrieb dazu: "Nutzt eure Stimme, wenn ihr eine habt, weil wir Millionen junge Leute sind, die keine haben."
Schäuble: "Wir brauchen Entscheidungen, in der Klimapolitik wie anderswo"
Grünen-Politiker in Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Brüssel wollen mit der Initiative Politics for Future eine überparteiliche Allianz für mehr Klimaschutz bilden. Sie soll eine politische Antwort auf die Forderungen von Fridays for Future geben. Die Politik müsse den jungen Menschen "endlich zeigen, dass sie die Herausforderung gemeinsam und europäisch annimmt", sagte die Mitgründerin Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, der Deutschen Presse-Agentur. Die Klimaaktivistin Neubauer ist zwar Grünen-Mitglied, kritisiert aber deren klimapolitische Ziele als nicht ehrgeizig genug.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat unterdessen eine entschlossenere Klimapolitik der Bundesregierung gefordert. "Wir brauchen Entscheidungen, in der Klimapolitik wie anderswo", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Deutschland habe sich bereits unter der Ägide von Angela Merkel als Umweltministerin in den 1990er Jahren in Kyoto zu Klimazielen verpflichtet.
"Es geht nicht, dass man Vereinbarungen trifft, und sie dann nicht erfüllt. Ich kann verstehen, dass junge Leute das nicht akzeptieren", sagte Schäuble. "Es ist gut, dass junge Leute Druck machen. Das ist ein Mut machendes Zeichen und es kann für Bewegung sorgen." Die Regierung dürfe in der Klimapolitik auch nicht vor Entscheidungen zurückschrecken, die als Belastung aufgefasst werden könnten. (dpa)
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