Griechenland steht still: Büros der Verwaltung sind nicht besetzt, Läden geschlossen und Fähren bleiben bewegungslos in den Häfen liegen. Der dritte Generalstreik seit Jahresbeginn legt das öffentliche Leben lahm, während am Mittwoch im von hunderten Demonstranten belagerten Parlament in Athen über ein neues Sparprogramm beraten wird. Stillstand herrscht auch bei den Beratungen über ein neues Hilfspaket für das Land. Streitpunkt ist die deutsche Forderung, diesmal auch Banken und Versicherungen zahlen zu lassen.
Während die EU von der Regierung in Athen und den rund elf Millionen Griechen mehr Anstrengungen, größere Einsparungen und härtere Reformen zur Abwendung einer Staatspleite fordert, treibt es seit Wochen tausende wütende Demonstranten auf die Straße. Sie bezweifeln, dass ihr Land durch den eingeschlagenen Kurs aus seiner schweren Krise kommt.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) macht in Sachen Griechenland klar: Ohne Reformen und weitere Einsparungen ist es nicht zu schaffen. Das verdeutlichte er am Dienstagabend bei den letzten Beratungen der Eurozone in Brüssel. Er sprach aus, was niemand bezweifelte. Klar ist auch, dass Griechenland, nachdem es im vergangenen Jahr bereits Notkredite in Höhe von 110 Milliarden Euro gewährt bekam, noch einmal dieselbe Summe braucht. Denn der 350 Milliarden Euro schwere Schuldenberg droht, das Land zu erdrücken. Die Summe enstpricht der Leistung der gesamten griechischen Wirtschaft in anderthalb Jahren.
Uneinigkeit herrscht zwischen den Euro-Ländern jedoch darüber, inwieweit private Gläubiger Griechenlands wie Banken, Versicherungen oder Investmentfonds diesmal an dem zweiten Rettungseinsatz beteiligt werden sollen. Schäuble forderte, dass die Inhaber von griechischen Staatsanleihen diese um Bonds mit einer um sieben Jahre verlängerten Laufzeit eintauschen. Griechenland hätte so mehr Zeit zur Zurückzahlung seiner Schulden und bekäme etwas Luft zum Atmen. Diese Forderung stößt aber bei manchen Euro-Ländern wie Frankreich auf Widerstand, folglich ging das Sondertreffen am Dienstagabend ergebnislos zuende.
Widerstand erfährt Schäuble auch aus Frankfurt: Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) schrillen geradezu die Alarmglocken. Die Zentralbank sei nicht grundsätzlich gegen die Einbeziehung des Privatsektors, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark am Mittwoch dem Deutschlandradio. "Aber es muss völlig freiwillig sein, sonst hat dies negative Auswirkungen an den Finanzmärkten und negative Auswirkungen möglicherweise auch auf andere Länder." Wenn Investoren eine Laufzeitverlängerung als erzwungen ansehen, könnte dies als Kreditausfall bewertet werden und Versicherer müssten hohe Entschädigungen zahlen. Die befürchtete Folge: ein Domino-Effekt, der eine neue Finanzkrise auslöst.
Eine Lösung könnte in einer Vereinbarung bestehen, nach der Gläubiger bei Ablauf ihrer Kredite freiwillig neue griechische Staatsanleihen kaufen. Ein neues Hilfspaket soll bis Monatsende vereinbart sein, um die Zukunft Griechenlands zu sichern. Inzwischen wird jedoch schon die Zeit knapp, um noch einen Beschluss auf dem EU-Gipfel in der kommenden Woche hinzubekommen. Ein weiteres Sondertreffen zur Beilegung der Krise berief Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker daher für Sonntagabend in seiner Heimat Luxemburg ein.
Während die Schwergewichte der Eurozone hin und her mit Ideen zur Abhilfe rücken, liefern sich Dutzende vermummte Autonome und Rechtsextremisten Schlägerein im Zentrum der griechischen Hauptstadt Athen. Beide Gruppen gingen mit Schlagstöcken aufeinander los, waren teilweise mit Gasmasken gerüstet und rückten mit Pflanzentrögen als Schutzschilde gegeneinander vor. Fernsehbilder zeigten zudem, wie Linksautonome zuvor die Polizei angegriffen haben. Die Ausschreitungen fanden am Rande einer großen Demonstration auf dem Syntagma-Platz gegen das harte Sparprogramm der Regierung statt. Viele friedliche Demonstranten verließen daraufhin fluchtartig den Platz vor dem Parlament. dapd, dpa, AZ