Das heißeste CDU-Menü aus der Berliner Gerüchteküche besteht aus folgenden Zutaten: Armin Laschet wird Parteichef und Kanzlerkandidat, Friedrich Merz mit einem Superministerium abgefunden und Jens Spahn darf als Vorsitzender der Bundestagsfraktion die Kronprinzenrolle übernehmen. All das mit Billigung des CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Ob das Menü so auf den Tisch kommt, wird sich in den nächsten Tagen herausstellen. Zumindest spricht gerade einiges dafür.
Ein Trio wäre die „Teamlösung“, die viele in der Partei fordern. In CDU und CSU wissen sie, dass Merz zwar auf einen soliden Rückhalt in den eigenen Reihen zählen könnte. Klar scheint aber auch, dass er dem Wahlvolk – und den Grünen als möglichem Koalitionspartner – schwer vermittelbar wäre. Als Minister, beispielsweise für Wirtschaft und Finanzen, stünde Merz zwar an zweiter, aber gleichwohl mächtiger Stelle. Er würde in den Augen seiner Fans den alten CDU-Markenkern wiederbeleben. Gegen die erste Reihe spricht, dass der Sauerländer in der CSU-Landesgruppe in Berlin nicht besonders gut ankommt. In der Abwägung heben die christ-sozialen Bundestagsabgeordneten eher die Hand für Armin Laschet.
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Wie dieser Politik versteht, machte er unlängst mit einer Beurteilung des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz deutlich. Dieser habe als Wahlkämpfer „seine Themen gehabt, er ist bei seinen Themen geblieben, er hat nicht den politischen Gegner beschimpft, sondern für seine Ideen geworben“, lobte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und empfahl seiner Partei: „Ich glaube, das brauchen wir: klare Ideen, kurze Sätze und prägnante Botschaften.“ Von Söder sind ähnliche Sätze auch schon vernommen worden.
Laschet ist in der CDU bestens vernetzt
Laschet stand 2018 kurz davor, den CDU-Vorsitz zu übernehmen. Wäre er für die Nachfolge von Angela Merkel angetreten, hätte er wohl gewonnen. Laschet entschied sich aber fürs Abwarten. Er kann für sich verbuchen, dass er Merkels Favorit ist, während Merz im sogenannten Andenpakt mit anderen CDU-Politikern versuchte, deren Aufstieg zu verhindern. Was die Kanzlerin ihm nie verziehen hat.
Karnevalsfan Laschet, der an diesem Dienstag seinen 59. Geburtstag feiert, ist in der CDU bestens vernetzt. Er steht dem mächtigen NRW-Landesverband vor, der auf Parteitagen rund ein Drittel der Delegierten stellt. Wenn es notwendig ist, bezieht er klar Position. Als Söder Anfang des Jahres für eine Kabinettsumbildung plädierte, war Laschet einer der Ersten, der ihn in die Schranken wies. Auch beim Ablauf der Kandidatenkür dürfte er anderer Meinung sein als der Bayer, der am Sonntagabend in der ARD erklärte, der „Parteivorsitz ist das eine. Aber das andere ist die Kanzlerkandidatur“. Laschet hingegen sagte schon 2018, dass Parteivorsitz und K-Frage zusammengehören.
Von solchen Meinungsverschiedenheiten lässt sich Söder nicht abschrecken. Er kennt Laschet aus einer engen Zusammenarbeit. Bereits vor einem Jahr vereinbarten Bayern und Nordrhein-Westfalen als einwohner- und wirtschaftsstärkste Bundesländer in einer gemeinsamen Kabinettssitzung eine „Agenda für vertiefte Zusammenarbeit“.
Söder: „Lebensfreude und Optimismus“
Der bayerische Ministerpräsident weiß, dass er sich auf Laschet verlassen kann. Beide wirkten auf eine Befriedung des unionsinternen Streits um die Flüchtlingspolitik hin. Sie zogen bei der Ausgestaltung des Digitalpakts an einem Strang und haben zusammen mit Baden-Württemberg aus Unzufriedenheit über die Bund-Länder-Beziehungen eine Föderalismusreform angeschoben.
Und: Laschet würde dem CSU-Chef Zeit verschaffen, um das eigene Profil zu schärfen und sich auf die Zukunft vorzubereiten. Eine Zukunft, in der Laschet ja womöglich als Chef einer schwarz-grünen Regierung scheitert oder Grün-Rot-Rot an die Macht kommt. Eine Zukunft, in der dann Söder selbst, von Laschet unterstützt, Kanzlerkandidat werden könnte.
Bei der CSU in München weist man derlei taktische Spekulationen weit von sich. Nicht eine ferne Zukunft, sondern die vertrackte Situation der Union in der Gegenwart brennt den Parteioberen auf den Nägeln. In dieser Lage, so sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume, sei jetzt alles „eine Frage der richtigen Reihenfolge“. Erst müsse die CDU die Frage nach dem Parteivorsitz klären, und zwar möglichst bald. Dann müssten sich CDU und CSU gemeinsam auf einen Kanzlerkandidaten verständigen.
Wie er sich den Frontmann der Union im Bundestagswahlkampf kommendes Jahr vorstellt, hat CSU-Chef Markus Söder tags zuvor schon umrissen. In der Talkshow „Anne Will“ forderte er „Lebensfreude und Optimismus“ und lehnte einen Bruch mit der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel strikt ab. Wer wollte, konnte dies als Plädoyer für die Frohnatur Laschet und gegen den grimmigen Merz verstehen.
Doch dahinter steckt noch etwas anderes: So groß die Sehnsucht in weiten Teilen der CSU nach einem klareren konservativen Profil auch sein mag, so gering ausgeprägt ist auch bei den Konservativen in der Partei die Lust, beim nächsten Bundestagswahlkampf mit fliegenden Fahnen zu verlieren.
Dobrindt: In die Schwesterpartei „positiv hineinwirken“
Offenkundig ist, dass Söder deshalb versucht, die CDU von einem Kurs zu überzeugen, wie er ihn im Freistaat praktiziert. Auch in der CSU gibt es eine Bruchlinie zwischen Mitte und Rechts. Söder aber ist es in den vergangenen eineinhalb Jahren gelungen, die Fliehkräfte in der Partei durch tatkräftiges Regierungshandeln zu bändigen. Er will nicht selbst als Kanzlerkandidat antreten, aber er will einen Kandidaten, der durch aktives Handeln integrierend wirkt.
Dass sich die CSU in die Personalfragen der CDU mehr einmischen wird, als sie öffentlich zugibt, ergibt sich damit zwangsläufig. Die Vorgabe von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, ihr Nachfolger müsse auch Kanzlerkandidat sein, verträgt sich nicht mit dem Anspruch der CSU, bei der Kanzlerkandidatur mitzuentscheiden, aber der CDU die Entscheidung über den CDU-Vorsitz ganz alleine zu überlassen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt umschreibt die heikle Strategie mit den diplomatischen, aber doch vielsagenden Worten, man wolle der CDU „jetzt keine zu öffentlichen Ratschläge“ geben, aber in die Schwesterpartei „positiv hineinwirken“.
Im Oktober war Armin Laschet zu Gast bei unserer Reihe "Augsburger Allgemeine Live". Das ganze Gespräch mit ihm können Sie sich hier anhören:
Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: So wird das nichts mit der Chefsache in der CDU
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