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Rettungsprogramm läuft aus: Eurogruppe bereitet sich jetzt auf den Grexit vor

Rettungsprogramm läuft aus

Eurogruppe bereitet sich jetzt auf den Grexit vor

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    Die Eurogruppe bereitet sich nun auf einen Austritt Griechenlands aus dem Euro vor. Das Rettungsprogramm für das Land wird nicht verlängert.
    Die Eurogruppe bereitet sich nun auf einen Austritt Griechenlands aus dem Euro vor. Das Rettungsprogramm für das Land wird nicht verlängert. Foto: Federico Gambarini (dpa)

    „Das war’s“. Die Euro-Finanzminister fuhren am Samstagnachmittag gerade erst zu ihrer Sondersitzung in Brüssel vor, da machten diese Worte eines hohen EU-Diplomaten bereits die Runde. Der Mann hatte seit dem Morgen mit den Experten der Geldgeber beraten.

    „Es gibt keine Grundlage mehr für Verhandlungen“, resümierte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. „Sie haben die Türe für weitere Verhandlungen zugeschlagen“, erklärte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem noch bevor sich die 18 Finanzminister von ihrem griechischen Kollegen Gianis Varoufakis anhören wollten, was Sache ist.

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    BANKENRUN: Aus Angst vor der Staatspleite haben die Griechen längst Milliarden Euro von ihren Konten geholt oder ins Ausland geschafft. Am Wochenende bildeten sich vor Geldautomaten im Land lange Schlangen, weil die Griechen angesichts der wachsenden Unsicherheit ihr Geld in Sicherheit bringen wollen. Bei einem akuten Bankenrun versuchen die Kunden massenweise, ihre Konten leer zu räumen. Die Folgen: Die Banken bluten aus, sie können den Firmen kein Geld mehr leihen, die Wirtschaftsaktivität erliegt.

    KAPITALVERKEHRSKONTROLLEN: Um einen Bankenrun zu verhindern, müssten die Banken vorübergehend ganz geschlossen und Onlinetransfers unterbrochen werden. Wenn sie wieder aufmachen, würden Auslandsüberweisungen verhindert und Abhebungen an den Automaten auf kleinere Beträge begrenzt werden. So wurde es vor drei Jahren in Zypern gemacht. Den massiven Eingriff müsste die Regierung in Athen praktisch über Nacht mit einem Dringlichkeitsgesetz beschließen - gezwungen werden kann sie von den Euro-Partnerländern nicht.

    ZAHLUNGSUNFÄHIGKEIT: Ob ein Staat pleite ist, kann eigentlich nur eine Regierung selbst bestimmen. Aber wenn Ratingagenturen einen sogenannten Credit Event feststellen, gilt das Land am Markt als bankrott. Dazu müsse es aber selbst dann noch nicht kommen, wenn Athen seine beim Internationalen Währungsfonds (IWF) fällige Rate in Höhe von 1,5 Milliarden Euro am 30. Juni nicht begleicht, meint ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Denn dabei gehe es nicht um Marktpapiere. Entscheidend sei nicht der Markt, heißt es hingegen in Euro-Kreisen: Zahlt Athen nicht an den IWF zurück, müsste die Europäische Zentralbank (EZB) den Tropf für das griechische Finanzsystem zudrehen. Die Banken müssten praktisch über Nacht abgewickelt werden.

    GREXIT: Eine Pleite Athens hätte nicht automatisch das Euro-Aus für Griechenland - also den Grexit - zur Folge. Tatsächlich ist ein Rauswurf aus dem Euro-Club durch die übrigen Mitglieder nur möglich, wenn die griechische Regierung am Ende selbst zustimmt. Rechtlich gesehen müsste Athen auch aus der EU austreten und sich dann um eine Wiederaufnahme bewerben. 70 Prozent der Griechen wollen den Euro aber behalten. Bei einem Verbleib im Euro ohne weiteren finanziellen Beistand von EZB und Euro-Ländern trocknen Banken und Wirtschaft aber aus. Die Regierung wäre also zum Grexit und der Rückkehr zur Drachme gezwungen. Eine chaotische Übergangsphase von mindestens einem halben Jahr wäre die Folge, schätzten Ökonomen.

    PARALLELWÄHRUNG: Eine Art Mittelweg zwischen Euro und Grexit wäre die Einführung einer Parallelwährung: Weil dem Staat Barmittel fehlen, zahlt er Beamte und Rentner zumindest zum Teil mit Schuldscheinen aus. Um überhaupt noch Geschäfte zu machen, würden Händler und Dienstleister die Schuldscheine als Zahlungsmittel akzeptieren. Wegen des Risikos wären die Schuldscheine allerdings weniger Wert als der Euro. Die Schuldscheine werden in der Finanzwelt »IOU» genannt, nach dem Englischen »I Owe You» (Ich schulde Dir). Kalifornien griff im Sommer 2009 erfolgreich auf das Hilfsmittel zurück, um eine Pleitephase zu überbrücken.

    Denn für alle hatte der Tag mit „einer traurigen Entscheidung“ (Dijsselbloem) des Athener Premiers Alexis Tsipras begonnen. In einer nächtlichen Fernsehansprache hatte der seine Landsleute für den 5. Juli an die Wahlurnen gerufen, um über das Reformprogramm der Geldgeber abstimmen zu lassen. Erst kurz zuvor informierte Tsipras per Telefon Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten François Hollande. Der Haken: Da das zweite Rettungsprogramm am Dienstag abläuft, musste Varoufakis seine Kollegen um eine „Verlängerung für ein paar Wochen bitten. „Was ist das denn für ein verqueres Denken“, sagte ein hoher Vertreter der Europäischen Zentralbank: „Man bittet die Eurogruppe um eine Verlängerung, damit man sie anschließend ablehnen kann?“ Nach gut zwei Stunden war klar, dass Athen verloren hatte. Die Finanzminister lehnten eine Verlängerung des zweiten Rettungsprogramms über den 30. Juni hinaus ab, die noch ausstehende letzte Rate über 7,2 Milliarden Euro verfällt. Da das Land bis zum Dienstag eigentlich seine Juni-Rate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) über 1,6 Milliarden Euro begleichen müsste, nun aber nicht zahlen kann, dürfte

    Tatsächlich hatte Tsipras die Spielregeln der Währungsunion völlig durcheinander gebracht. Eine Volksabstimmung sei „natürlich demokratisch völlig in Ordnung“, betonte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici, aber eben „sinnlos“, da man dafür eine Verständigung auf einen Plan von Geldgebern und Griechen geben müsse. Die aber lag nicht vor und wurde auch nicht mehr weiter verfolgt. Wie es nun weitergehen soll, erklärte der finnische Finanzminister Alexander Stubb. „Aus Plan B wird jetzt Plan A.“ Sollte heißen: Die Euro-Zone diskutierten nicht mehr über die Rettung Griechenlands, sondern bereiteten sich auf die Staatspleite des Landes vor.

    Das Undenkbare scheint nun Wirklichkeit zu werden: Mit seinem „Greferendum“ provoziert Athen selbst den Grexit. Die Euro-Finanzminister ahnen längst, was dann auf die Gemeinschaft zukommen dürfte. „Wir müssen nun über Szenarien reden, die sich bisher niemand vorstellen kann“, sagte ein Mitglied der Eurogruppe. Der Plan B zielt darauf ab, ein Überschwappen der griechischen Unsicherheit auf das übrige Euro-Gebiet zu verhindern.

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    In vielen griechischen Städten bildeten sich bereits lange Schlangen an Geldautomaten und Tankstellen. Dabei spekulierte man in Brüssel noch, ob sich die Regierung eigentlich darüber im Klaren sei, welches Risiko sie selbst eingehe, wenn sie ihren Plan in die Tat umsetzen würde. Denn ein Austritt oder Ausscheiden aus dem Euro zieht unweigerlich auch das Ende der EU-Mitgliedschaft nach sich – die Verträge lassen das nicht anders zu. Damit entgehen den Griechen jährlich mehrere Milliarden Euro aus den Fördertöpfen Brüssels. Allein aus dem 315-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm, das die EU-Kommission aufgelegt hat, gab es Zusagen über 35 Milliarden Euro für Athen.

    Am späten Nachmittag unterbrachen die Finanzminister ihre Gespräche, um ihre Staats- und Regierungschefs und die Öffentlichkeit zu informieren. Danach wollte man sich erneut zusammensetzen – dann jedoch bereits ohne den griechischen Kollegen. Und mit nur noch einem Thema: dem Grexit.

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