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Kommentar: Wir Bürger müssen anerkennen, dass Politiker auch nur Menschen sind

Kommentar

Wir Bürger müssen anerkennen, dass Politiker auch nur Menschen sind

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    Ungewöhnliches Bild wegen der Corona-Krise: Die Parlamentarier halten bei der Sitzung des Bundestages Sicherheitsabstand.
    Ungewöhnliches Bild wegen der Corona-Krise: Die Parlamentarier halten bei der Sitzung des Bundestages Sicherheitsabstand. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Sind Politiker Helden? Nein, sie sind in erster Linie Manager. Sie müssen vor allem Erwartungen managen: Wo wollen wir hin, wann ist ein Ziel erreicht?

    Beides derzeit klar zu definieren, ist leider in der Corona-Krise fast unmöglich, das macht sie so schwer. Natürlich kann man als Ziel ausgeben, die Infektionsverdopplung nur alle zehn Tage zuzulassen. Doch vielleicht reicht das auch nicht? Klar kann man auf eine Herdenimmunität hinarbeiten. Aber was, wenn das viel zu lange dauert?

    Wer in diesen Tagen mit Politikern spricht, hört sehr offene Schilderungen eines fast unmöglichen Arbeitsauftrages: Oberste Aufgabe des Staates ist, das Leben seiner Bürger zu schützen. Aber er muss sich immer auch um deren Rechte sorgen, und um die Grundlagen unseres Wohlstandes. Wie findet man in so einer Krise die richtige Abwägung, wann ist zu viel zu viel? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte gerade in einem offenen Moment, er sei der glücklichste Gesundheitsminister der Welt, wenn in drei oder sechs Monaten ein Impfstoff gegen das Virus gefunden werde. Fast klang Spahn wie ein Kind, das sich zu Weihnachten einen Zauberstab wünscht.

    Auch die Politiker sind in der Corona-Krise am Limit der Belastbarkeit

    Sich zu wünschen, dass bald alles wieder gut wird, ist eine zutiefst menschliche Regung. Auch unsere Spitzenpolitiker sind Menschen. Unter den aktuellen Umständen Politik zu betreiben, ist der schwerste Job, den man sich vorstellen kann. Den hessischen Finanzminister Thomas Schäfer könnte diese Bürde so mitgenommen haben, dass er nur noch den Freitod als Ausweg sah. Das ist erschütternd, aber keineswegs erstaunlich. Viele Top-Entscheider operieren gerade am Limit der Belastbarkeit.

    Wir Bürger müssen anerkennen, dass Politiker auch nur Menschen sind, mit all ihren Ängsten, Schwächen, Fehlern und Anfälligkeiten. Gewiss, sie haben sich ihre Positionen noch mehr ausgesucht als jeder, der etwa in einer Firma aufgestiegen ist. Sie haben im Wahlkampf für sie gekämpft. Aber deswegen hören sie als Minister ja nicht auf, Menschen zu sein. Daher ist gut, dass das Schimpfen über Politiker auch Corona-Pause hat - und die Populisten im Moment rapide an Popularität verlieren.

    Die Debatte darf auch in der Corona-Krise nicht dem Aktionismus weichen

    Gerade weil Politiker Menschen sind, müssen wir aber auch daran denken, dass sie menschliche Schwächen haben - etwa in Aktionismus verfallen können. Die Öffentlichkeit kann versuchen, sie davor zu bewahren, indem sie die Debatte auch in der Krise nicht sterben lässt. Erich Fried hat ein Gedicht verfasst, das dazu gut passt. Es lautet: „Zweifle nicht an dem, der dir sagt, er hat Angst. Aber hab Angst vor dem, der dir sagt, er kennt keinen Zweifel.“

    Politiker sind erzogen, sich als nimmermüde Macher ohne großen Zweifel zu geben. Die Kanzlerin erzählt gerne, Schlaf notfalls wie ein Kamel speichern zu können. Markus Söder hat es auch dank seiner körperlichen Robustheit an die Spitze der CSU und Bayerns geschafft.

    Politiker werden in der Corona-Krise Abwägungen treffen müssen

    Aber alle Robustheit kann nicht verdecken: Es wird ein Punkt kommen, an dem in der Corona-Krisen nicht mehr einfach Maßnahmen anzuordnen sind - sondern Abwägungen zu treffen. Wann und wie fahren wir unsere Wirtschaft wieder hoch? Wie viel Freiheit können wir wieder zugestehen, von welcher müssen wir uns länger verabschieden? Wie kommen wir aus dieser Krise heraus, medizinisch, wirtschaftlich, politisch?

    Dann wird nicht mehr ein Interesse (Lebensschutz) über allem stehen, viele werden dann kollidieren. Die breite Zustimmung, welche die Politik gerade trägt, dürfte abflauen - und es gilt dann wieder zu diskutieren und zu debattieren, wie es Demokratien auszeichnet.

    Darauf muss sich die Politik vorbereiten, und wir auch.

    Über alle Entwicklungen rund um das Coronavirus informieren wir Sie in unserem Live-Blog.

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