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Interview: Ungarns Außenminister: „Müssen die Migration nach Europa stoppen“

Interview

Ungarns Außenminister: „Müssen die Migration nach Europa stoppen“

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    Peter Szijjarto gehört seit 2014 zum Kabinett von Ungarns Premierminister Viktor Orban. Der 40-Jährige ist Außenminister, vorher war er Sprecher der Regierungspartei Fidesz.  
    Peter Szijjarto gehört seit 2014 zum Kabinett von Ungarns Premierminister Viktor Orban. Der 40-Jährige ist Außenminister, vorher war er Sprecher der Regierungspartei Fidesz.   Foto: Imago

    Herr Außenminister, vier Jahre ist es her, dass die Flüchtlingskrise Europa kalt erwischt hat. Seither ist das Verhältnis Ihres Landes zu vielen anderen europäischen Ländern deutlich abgekühlt. Fühlen Sie sich ungerecht behandelt?

    Peter Szijjarto: Das einzige, was für uns wichtig ist, ist der Rückhalt der ungarischen Bevölkerung. Politik ist kein Geschäft, in dem man Vorschusslorbeeren erwarten sollte, man sollte auch nicht Dinge tun, um dafür anschließend gelobt werden sollte. Politik ist dafür da, den Bedürfnissen des Volkes gerecht zu werden. Und die Ungarn haben eine ganz klare Meinung: Illegale Migranten dürfen das Land nicht betreten. Den Grenzzaun zu bauen, hat hunderttausende Flüchtlinge davon abgehalten, in die EU zu kommen. Dieser Zaun hat mehr als eine Milliarde Euro gekostet, hinzu kamen Mittel für Polizei und Militär, die wir investiert haben, um die Grenzen zu sichern. Dadurch haben wir eine große Last von den Schultern der Deutschen, der Österreicher und der Schweden genommen. Klar ist: Wir werden die EU künftig noch stärker dazu drängen, die Migration in die EU zu stoppen. Wir dürfen die Zuwanderung nicht länger managen, sondern müssen sie beenden.

    Sie wollen ernsthaft die Zuwanderung nach Europa stoppen?

    Peter Szijjarto: Ja, wir wollen sie stoppen. Denn sie ist nicht nur ein Sicherheitsrisiko für unsere Länder, sondern auch ein Risiko für die europäische Kultur.

    Gehört es nicht auch zur europäischen Kultur, denen zu helfen, die Hilfe benötigen?

    Szijjarto: Ja, natürlich müssen wir denen helfen, die in Not sind. Aber wir schaffen uns keine Probleme, wo eigentlich keine sind. Das heißt, die Hilfe muss dort stattfinden, wo die Menschen leben: in den christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten und im Osten. Ungarn hat 31,5 Millionen Euro gegeben, um diesen Gemeinschaften einen Verbleib in ihrer Heimat zu ermöglichen. Wir sind davon überzeugt, dass es kein grundlegendes Menschenrecht ist, auszuwandern. Es ist ein grundlegendes Menschenrecht, ein sicheres Leben in der eigenen Heimat zu haben.

    Das ist ein frommer Wunsch, wenn man in ein vom Krieg gebeuteltes Land wie Libyen schaut, in das die Flüchtlinge laut Italiens Innenminister Matteo Salvini zurückgebracht werden sollen.

    Szijjarto: Das ist eine sehr gute Entscheidung von Herrn Salvini. Er hat meinen vollen Respekt. Wir haben dafür gesorgt, dass die EU-Außengrenze mit einem Zaun geschützt wird. Herr Salvini tut sein Bestes, das Gleiche auf dem Meer zu tun. Und ausgerechnet dafür wird er angegriffen. Das ist doch heuchlerisch. Es darf den Booten der Hilfsorganisationen nicht erlaubt werden, einen europäischen Hafen anzufahren. Das sind Schlepper.

    Für viele Menschen ist die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete eine Heldin. Sie rettet Menschen.

    Szijjarto: Da frage ich den deutschen Außenminister: Würde er die gleiche Ansicht vertreten, wenn das Schiff dieser Frau fast ein deutsches Grenzschutzschiff gerammt hätte? Sie verletzt nicht nur die Souveränität eines Staates, sie bringt auch die Mitarbeiter der Küstenwache in Gefahr. Diese Person soll eine Heldin sein? Wir müssen mit dieser Heuchelei aufhören.

    Innenminister Horst Seehofer hat immerhin angeboten, einige der Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen.

    Szijjarto: In Ungarn haben die Menschen sehr deutlich gemacht: Wir wollen bei der Verteilung von Flüchtlingen nicht mitmachen. Und das werden wir auch nicht. Verpflichtende Quoten für die Aufnahme von Migranten sind für uns nicht hinnehmbar, das werden wir niemals akzeptieren. Es ist das Recht unseres Landes, dass wir selbst entscheiden, wen wir in unser Land lassen und wen nicht, mit wem wir zusammenleben möchten und mit wem nicht. Es ist doch wirklich eigenartig, dass jemand ein Flüchtling sein soll, wenn er mehrere sichere Länder passiert hat: Türkei, Serbien, Griechenland, Kroatien.

    Das ist doch genau das Problem: Griechenland kann kaum alle Flüchtlinge aufnehmen, hierzu bedarf es einer Verteilung.

    Szijjarto: Ich bin nicht der Meinung, dass der einzige Maßstab von europäischer Solidarität sein kann, ob man Flüchtlingsquoten akzeptiert. Es gibt doch auch andere Wege. Wir haben eine Millionensumme für Europa ausgegeben, um die Außengrenze zu schützen.

    Ungarns Außenminister Szijjarto im Gespräch mit unserer Redakteurin Margit Hufnagel.
    Ungarns Außenminister Szijjarto im Gespräch mit unserer Redakteurin Margit Hufnagel. Foto: Zsolt Burger, mfa

    Teilt Ungarn dann überhaupt noch die gleichen humanitären Werte, die Europa ausmachen?

    Szijjarto: Noch einmal: Wir sehen es als unsere Pflicht, die Sicherheit unserer Bevölkerung zu garantieren. Das ist der Grund, warum wir die Grenzen schützen. Wir werden es niemals erlauben, dass illegale Einwanderer nach Europa kommen. Deswegen werden wir auch weiter mit Brüssel streiten. Was dort vorgeschlagen wird, ist, dass man die Leute erst ins Land lässt und dann überprüft. Wir wollen sie gar nicht erst reinlassen. Wenn Deutschland das anders sieht, soll es eben Flüchtlinge aufnehmen - die Wähler werden bei der nächsten Wahl kundtun, ob sie das genauso sehen.

    Aber sehe ich das richtig: Sie wollen nicht nur, dass Ungarn zu nichts gezwungen wird, Sie möchten, dass Europa insgesamt seine Flüchtlingspolitik ändert?

    Szijjarto: Wenn Sie sich den Ausgang der Europawahl anschauen, dann sehen Sie: Viele Parteien, die Zuspruch vom Wähler erfahren, befürworten eine strikte Flüchtlingspolitik: Fidesz hat in Ungarn 53 Prozent der Stimmen erhalten, die polnische „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) 45 Prozent, die Österreichische Volkspartei 34 Prozent und die Lega in Italien kam auf 34 Prozent. Das sollte die EU berücksichtigen. Und übrigens sollte da auch der Europäischen Volkspartei (EVP) zu denken geben. Die hat sich meiner Meinung nach zu weit nach links bewegt. Vielleicht war die EVP einfach zu lange in einer Koalition mit den Sozialdemokraten: Es ist da wie in einer Ehe – man wird sich immer ähnlicher. Wir wollen, dass die EVP zu ihrer ursprünglichen politischen Ausrichtung zurückfindet.

    Die Flüchtlingskrise ist ja nicht das einzige Problem, vor dem die EU steht. Bricht für Europa ein neues Zeitalter an?

    Szijjarto: Die zentraleuropäischen Länder werden mehr und mehr zum Kraftzentrum der EU. Das hat schon alleine ökonomische Gründe: Ungarn überflügelt den europäischen Durchschnitt, was das Wirtschaftswachstum angeht. Uns ist es gelungen, den Strukturwandel so zu gestalten, dass er unsere Wirtschaft angekurbelt hat. Das macht uns stark. Im vergangenen Jahr war das Handelsvolumen zwischen Deutschland und den vier Visegrad-Ländern 74 Prozent höher als das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Frankreich. Wir tragen zum Erfolg Europas bei. Das zeigt doch deutlich, dass sich die Achsen verschieben. Hinzu kommt: In den Visegrad-Ländern sind zwar vier unterschiedliche Regierungen an der Macht, aber wir haben bewiesen, dass Parteigrenzen unwichtig sind, wenn man eine gemeinsame strategischen Vision für Europa hat. Wir wollen eine starke EU mit starken Mitgliedsstaaten, die ihre nationale Identität pflegen und ihr historisches Erbe bewahren. Es ist die größte Stärke der Visegrad-Länder, dass sie sich nicht spalten lassen. Und es gab viele solcher Versuche… Umso beleidigender ist es, wenn unsere Länder so dargestellt werden, als ob sie nur finanziell von der EU profitieren möchten und ansonsten das Leben genießen. Anhand der westeuropäischen Unternehmen, die in Mitteleuropa angesiedelt sind, strömen 70 Prozent der EU-Zahlungen nach Westeuropa zurück.

    Die Visegrad-Länder haben es auch zumindest vorangetrieben, dass sich Manfred Weber als Kandidat für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten zurückziehen musste. Warum unterstützen Sie Ursula von der Leyen?

    Szijjarto: Uns war es wichtig, dass wir einen Kommissionspräsidenten bekommen, der die Mitgliedsländer auch respektiert. Der Sozialdemokrat Frans Timmermans hat uns nie Respekt gezeigt.

    Aber was ist mit Manfred Weber? Immerhin war er der Spitzenkandidat der erfolgreichsten Partei.

    Szijjarto: Manfred Weber ist es nicht gelungen, eine Mehrheit hinter sich zu versammeln. Trotzdem haben wir seine Kandidatur lange unterstützt – obwohl er Ungarn immer wieder angegriffen hat. Aber irgendwann hat er die rote Linie überschritten.

    Die rote Linie?

    Szijjarto: Er gab ein Interview im ZDF, in dem er sagte: Wenn es von den Stimmen Ungarns abhängt, will er nicht EU-Kommissionschef werden. Welches Land hätte ihn nach so einer Äußerung noch unterstützt? Das ist eine Beleidigung des ungarischen Volkes. Offenbar hält er die Ungarn für weniger wertvoll als andere Nationen.

    Aber warum ausgerechnet Ursula von der Leyen? Sie steht für eine ähnliche Flüchtlingspolitik wie Kanzlerin Angela Merkel.

    Szijjarto: Wir werden sicherlich Diskussionen haben, das ist richtig. Aber was ich auch weiß, ist: Ursula von der Leyen respektiert die Mitgliedsstaaten. Wir haben kein Problem mit Debatten. Womit wir ein Problem haben, ist der Mangel an gegenseitigem Respekt

    Wie sieht es mit dem respektvollen Umgang zwischen Ungarn und Bayern aus? Wie ist Ihr Verhältnis zu Ministerpräsident Markus Söder?

    Szijjarto: Die Freundschaft zwischen Ungarn und Bayern hat tiefe historische Wurzeln. Da geht es nicht nur um eine strategische Partnerschaft. Deshalb glaube ich, dass persönliche Probleme diese lange Freundschaft nicht zerstören dürfen. Uns liegt aber auch an einem erfolgreichen Bayern, da alleine 150 bayerische Unternehmen 8 Milliarden Euro in unserem Land investiert haben. Ein sehr enger Freund bleibt etwa der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber, mit dem ich mich jedes Mal treffe, wenn ich in München bin.

    Bei Herrn Söder waren Sie nicht?

    Szijjarto: Nein. Ich war bei Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, bei Erzbischof Reinhard Marx. Und ich wurde von vier Unternehmenschefs empfangen: BMW, Schaeffler, Siemens und Linde.

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