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Griechenland-Krise: Darum findet Schäuble das neue Griechenland-Hilfspaket nun gut

Griechenland-Krise

Darum findet Schäuble das neue Griechenland-Hilfspaket nun gut

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    Finanzminister Wolfgang Schäuble rechnet mit der Zustimmung des Bundestages zum dritten Hilfspaket für Griechenland, das er jetzt befürwortet.
    Finanzminister Wolfgang Schäuble rechnet mit der Zustimmung des Bundestages zum dritten Hilfspaket für Griechenland, das er jetzt befürwortet. Foto: Julien Warnand dpa

    Das Ja der Eurogruppe zu knapp 90 Milliarden neuer Notkredite hat das Grexit-Gespenst nach monatelangem Drama verscheucht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der einen zeitweisen Ausstieg Athens aus dem Euro ins Spiel gebracht hatte, rechnet nun fest mit der Zustimmung des Bundestags zum dritten Hilfspaket für die Griechen: "Ich bin zuversichtlich, dass wir das erreichen", sagte er am Samstag der Deutschen Welle.

    Griechische Parlament stimmt Sparmaßnahmen zu

    Die wichtigsten Stichwörter zum Grexit

    BANKENRUN: Aus Angst vor der Staatspleite haben die Griechen längst Milliarden Euro von ihren Konten geholt oder ins Ausland geschafft. Am Wochenende bildeten sich vor Geldautomaten im Land lange Schlangen, weil die Griechen angesichts der wachsenden Unsicherheit ihr Geld in Sicherheit bringen wollen. Bei einem akuten Bankenrun versuchen die Kunden massenweise, ihre Konten leer zu räumen. Die Folgen: Die Banken bluten aus, sie können den Firmen kein Geld mehr leihen, die Wirtschaftsaktivität erliegt.

    KAPITALVERKEHRSKONTROLLEN: Um einen Bankenrun zu verhindern, müssten die Banken vorübergehend ganz geschlossen und Onlinetransfers unterbrochen werden. Wenn sie wieder aufmachen, würden Auslandsüberweisungen verhindert und Abhebungen an den Automaten auf kleinere Beträge begrenzt werden. So wurde es vor drei Jahren in Zypern gemacht. Den massiven Eingriff müsste die Regierung in Athen praktisch über Nacht mit einem Dringlichkeitsgesetz beschließen - gezwungen werden kann sie von den Euro-Partnerländern nicht.

    ZAHLUNGSUNFÄHIGKEIT: Ob ein Staat pleite ist, kann eigentlich nur eine Regierung selbst bestimmen. Aber wenn Ratingagenturen einen sogenannten Credit Event feststellen, gilt das Land am Markt als bankrott. Dazu müsse es aber selbst dann noch nicht kommen, wenn Athen seine beim Internationalen Währungsfonds (IWF) fällige Rate in Höhe von 1,5 Milliarden Euro am 30. Juni nicht begleicht, meint ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Denn dabei gehe es nicht um Marktpapiere. Entscheidend sei nicht der Markt, heißt es hingegen in Euro-Kreisen: Zahlt Athen nicht an den IWF zurück, müsste die Europäische Zentralbank (EZB) den Tropf für das griechische Finanzsystem zudrehen. Die Banken müssten praktisch über Nacht abgewickelt werden.

    GREXIT: Eine Pleite Athens hätte nicht automatisch das Euro-Aus für Griechenland - also den Grexit - zur Folge. Tatsächlich ist ein Rauswurf aus dem Euro-Club durch die übrigen Mitglieder nur möglich, wenn die griechische Regierung am Ende selbst zustimmt. Rechtlich gesehen müsste Athen auch aus der EU austreten und sich dann um eine Wiederaufnahme bewerben. 70 Prozent der Griechen wollen den Euro aber behalten. Bei einem Verbleib im Euro ohne weiteren finanziellen Beistand von EZB und Euro-Ländern trocknen Banken und Wirtschaft aber aus. Die Regierung wäre also zum Grexit und der Rückkehr zur Drachme gezwungen. Eine chaotische Übergangsphase von mindestens einem halben Jahr wäre die Folge, schätzten Ökonomen.

    PARALLELWÄHRUNG: Eine Art Mittelweg zwischen Euro und Grexit wäre die Einführung einer Parallelwährung: Weil dem Staat Barmittel fehlen, zahlt er Beamte und Rentner zumindest zum Teil mit Schuldscheinen aus. Um überhaupt noch Geschäfte zu machen, würden Händler und Dienstleister die Schuldscheine als Zahlungsmittel akzeptieren. Wegen des Risikos wären die Schuldscheine allerdings weniger Wert als der Euro. Die Schuldscheine werden in der Finanzwelt »IOU» genannt, nach dem Englischen »I Owe You» (Ich schulde Dir). Kalifornien griff im Sommer 2009 erfolgreich auf das Hilfsmittel zurück, um eine Pleitephase zu überbrücken.

    Nach dem Votum des griechischen Parlaments für harte Reformen und Sparmaßnahmen in den kommenden drei Jahren hatten die Euro-Finanzminister am späten Freitagabend ihr grünes Licht gegeben. Von einem "guten Tag" sprach Schäuble im Anschluss in Brüssel. Die späte Kehrtwende des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras, die Auflagen nun doch zu akzeptieren und umzusetzen, habe zu einer "völlig veränderten Situation" geführt. "Es wäre unverantwortlich, die Chance nicht zu nutzen."

    Der Ball liegt nun bei den Abgeordneten. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) setzte für Mittwochvormittag eine Sondersitzung an. Kanzlerin Angela Merkel (

    Schuldenerlass nach europäischem Recht nicht möglich

    Das Geld soll reichen, damit Athen am Donnerstag Kredite und Zinsen von 3,4 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank (EZB) begleichen kann, und damit die Kapitalverkehrskontrollen bei den griechischen Banken "so schnell wie möglich" aufgehoben werden können, erläuterte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. "Die Botschaft des heutigen Treffens ist laut und klar: Auf dieser Grundlage ist und bleibt Griechenland unwiderruflich ein Mitglied der Eurozone", erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

    Schäuble hob schließlich den Daumen, obwohl die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die feste Zusage schuldig blieb, dass ihre Institution bei der Griechenland-Rettung an Bord bleibe. Lagarde will die Zustimmung ihrer Gremien erst im Oktober einholen, wenn sich die Euro-Partner zu Schuldenerleichterungen für Athen durchgerungen haben. Der Streit geht also weiter: "Ein Schuldenerlass geht gar nicht nach europäischem Recht", sagte Schäuble der Deutschen Welle. "Aber man hat natürlich noch einen gewissen Raum in der weiteren Verlängerung von Laufzeiten oder so. Der Raum ist nicht sehr groß."

    Griechenland will Reformen durchsetzen

    Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos sagte, dass er an das schmerzhafte Programm glaube: "Das Abkommen bringt Griechenland nach vorn, weil es unser Finanzsystem ab sofort stabilisiert", sagte er in Brüssel. Und die Auflagen, die sein Vorgänger Giannis Varoufakis so erbittert bekämpft hatte, böten "die Chance, den öffentlichen Sektor umzuformen, Korruption und Steuervermeidung zu bekämpfen und viele wichtige Strukturreformen anzupacken".

    Die Unionsparteien in Berlin hielten sich am Samstag zunächst bedeckt. Im Juli hatten 65 Abgeordnete Merkel die Gefolgschaft verweigert, diesmal könnten es noch mehr werden. SPD-Vizefraktionschef Carsten Schneider lobte das Ja der Eurogruppe hingegen als "großen Fortschritt, um die anhaltende Unsicherheit über den Zusammenhalt der Eurozone zu beenden." Seine Partei bekenne sich "zur Solidarität mit Griechenland, wenn das Land die notwendigen Schritte nun selbst umsetzt".

    Grüne fordern Schuldenerleichterungen

    Die Grünen-Fraktionsspitzen Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter freuten sich über die "gute Nachricht" aus Brüssel und drängten Schäuble zu weiterer Bewegung: "Ohne Schuldenerleichterungen steht das dritte Hilfspaket auf wackligen Füßen."

    Gewohnt skeptisch äußerte sich Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn: Harte Ausgabenkürzungen gebe es nur wenige, "dafür aber viel Hoffnung, dass der griechische Staat in Zukunft seine Steuern wird eintreiben können, obwohl ihm das in den zurückliegenden Jahren nicht gelungen ist", zitierte ihn die "Bild"-Zeitung. afp

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