Es ist eine Meldung, die die Sorgenfalten der Politik beinahe täglich tiefer werden lässt: Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt und steigt. 1707 neue Fälle zählte das Robert-Koch-Institut am Donnerstagmorgen – am Vortag hatte der Wert noch bei rund 1500 gelegen. Höher lag die Zahl zuletzt am 26. April mit 1737 registrierten Neuinfektionen. Zu diesem Zeitpunkt herrschten in Deutschland strenge Kontaktbeschränkungen, nur ein Bruchteil der Geschäfte hatte Mitte April wieder für Kunden geöffnet. Drohen also nun erneut strenge Maßnahmen, um die Pandemie zu bekämpfen? Die Politik steckt in einer Zwickmühle: Die Mahnungen an die Bevölkerung fruchten kaum, zugleich will man um jeden Preis einen neuen Lockdown verhindern.
Ulmer Virologe warnt: Zu viele Menschen halten Abstand, Hygiene und Masken-Tragen nicht ein
„Ich schließe nicht aus, dass manche Lockerungen zurückgenommen werden“, prognostiziert der Ulmer Virologe Thomas Stamminger. Die Zahlen seien besorgniserregend, zu viele Menschen würden die Regeln für Abstand, Hygiene und das Maske-Tragen nicht mehr einhalten. „Und das halte ich für sehr gefährlich.“ Das sieht auch die bayerische Staatsregierung so: „Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen und die neuen Ansteckungsgefahren sehr genau und mit Sorge“, sagt Bayerns Corona-Koordinator Florian Herrmann unserer Redaktion. Sein Maßstab für das weitere Handeln ist, wie gut Krankenhäuser und Behörden den Anstieg der Zahlen bewältigen können. Denn im Frühjahr war es unter anderem die Sorge vor einem Kollaps der ärztlichen Versorgung, die die Politik in den Krisenmodus versetzt hat. „Im Moment kann unser Gesundheitssystem mit den Infektionen gut umgehen“, sagt Herrmann. Doch ausschließen kann auch er nicht, dass Schutzvorkehrungen wieder verschärft werden. „Wir werden auch in Zukunft unverzüglich diejenigen Maßnahmen treffen, die zum Schutz unserer Bevölkerung erforderlich sind“, sagt er.
Spahn will im Kampf gegen das Coronavirus einheitliche Regeln in den Bundesländern
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält die aktuelle Lage für beherrschbar. Eine Überforderung des Gesundheitssystems sieht er nicht. Entscheidendes Ziel für den CDU-Politiker sind allgemeingültige Regelungen für alle Bundesländer, unter welchen Regeln das öffentliche Leben stattfindet. Zumindest in einem Punkt gibt es hier Fortschritte: Die Länder wollen einheitliche Strafen für Maskenverweigerer in Bussen und Bahnen prüfen. Dazu wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Eine zweite von oben verordnete Pause des öffentlichen Lebens soll unter allen Umständen vermieden werden. Die Kosten für Wirtschaft und Gesellschaft wären zu hoch, fürchtet die Bundesregierung. Anders als im Frühjahr sollen zum Beispiel Schulen und Kindergärten geöffnet bleiben.
Corona-Pandemie: SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach will Familienfeiern begrenzen
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rät den Ländern zudem: „Familienfeiern sollten jetzt auf 50 Teilnehmer begrenzt werden, sonst lassen sich die Infektionsketten nicht mehr zurückverfolgen.“ Bei Spontanfeiern auf öffentlichen Plätzen sollte eine Maskenpflicht gelten. Anders als ein Alkoholverbot wäre dies auch durchsetzbar.
Wie sensibel das Thema ist, zeigt eine Umfrage: Vielen Menschen in Bayern machen die Corona-Einschränkungen deutlich zu schaffen. Im neuen „Heimatindex“, einem Zufriedenheitsbarometer der Volks- und Raiffeisenbanken, gaben die Teilnehmer insgesamt eine schlechtere Bewertung ab als im Frühjahr vor der Pandemie – von 100 möglichen Punkten vergaben sie noch 64. Seit Einführung der halbjährlichen Erfassung 2018, die verschiedene Teilaspekte der Lebensqualität aufgreift, hatte der Wert zuvor immer etwa bei 70 gelegen.
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