In München sind die ersten beiden Fälle der als besorgniserregend eingestuften Omikron-Variante des Coronavirus in Deutschland bestätigt worden. Die beiden Reisenden seien am 24. November mit einem Flug aus Südafrika eingetroffen, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Samstag. Die Betroffenen hätten selbst vorausschauend eine Untersuchung auf die Virusvariante veranlasst, nachdem sie aus den Medien von der Gefahr erfahren hätten.
Einen weiteren Verdachtsfall machte am Samstag Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) bekannt. Bei einem Reiserückkehrer aus Südafrika wurden demnach mehrere für diese Variante typische Mutationen gefunden. Die vollständig geimpfte Person war den Angaben zufolge am 21. November über den Frankfurter Flughafen eingereist und hatte im Laufe der Woche Symptome entwickelt. Ein genaues Ergebnis wird in diesem Fall am Montag erwartet.
Das bayerische Gesundheitsministerium forderte Fluggäste, die mit demselben Flug am 24. November aus Südafrika gekommen sind, auf, sich umgehend bei ihrem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Alle Personen, die in den vergangenen 14 Tagen aus Südafrika eingereist seien, sollten sofort ihre Kontakte reduzieren, einen PCR-Test unter Angabe ihrer Reisegeschichte machen und umgehend das Gesundheitsamt kontaktieren.
300 Passagiere flogen von Südafrika nach Bayern
Überdies gelte, dass alle Personen, die aus den vom Robert Koch-Institut als Virusvarientengebieten eingestuften Gebieten im südlichen Afrika einreisen, 14 Tage in Quarantäne müssen - das gelte auch unabhängig vom Impfstatus. "Wir müssen alles tun, um die Verbreitung der neuen Variante im Freistaat und in Deutschland zu verhindern", sagte eine Ministeriumssprecherin in München. Noch sei nicht klar, ob die neue Variante tatsächlich ansteckender ist und zu mehr Krankenhausaufenthalten führt. "Bis die Wissenschaft klarer sieht, müsse wir jedoch Vorsicht walten lassen", betonte die Sprecherin.
Von der am Freitagabend in München gelandeten Lufthansa-Maschine aus Kapstadt seien 50 Menschen in Bayern in Quarantäne. Das Flugzeug war mit rund 300 Passagieren besetzt. Zwei PCR-Tests waren positiv, wie das Ministerium zuvor mitgeteilt hatte. Ob auch diese Passagiere die neue Omikron-Virusvariante tragen, ist noch unklar.
Angesichts der in Südafrika entdeckten neuen Covid-Variante B.1.1.529, der die WHO inzwischen den Namen Omikron gegeben hat, schrillen bei der Regierung alle Alarmglocken. „Die Lage ist dramatisch ernst. So ernst wie noch zu keinem Zeitpunkt der Pandemie“, warnte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin. Fluggesellschaften dürfen nur noch deutsche Staatsbürger nach Deutschland befördern. Es gilt nach Ankunft eine 14-tägige Quarantäne für alle. Der Pharmakonzern Biontech prüft bereits, ob sein Impfstoff dem heftig mutierenden Virus standhalten kann. Derweil wächst der Druck auf die neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP. Die Frage scheint nicht mehr zu sein, ob ein bundesweiter Lockdown kommt. Sondern nur noch, wann er ausgerufen wird.
Die Intensivstationen laufen voll
Die Zahl der Corona-Toten lag am Freitag bei rund 100.500 Menschen. Gleichzeitig kommen tägliche tausende Neuinfizierte hinzu. Spahn und der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, warnten vor einem Kollaps der Intensivstationen. Bereits jetzt müssten Dutzende Patienten bundesweit in andere Kliniken verlegt werden.
In Südafrika ist die Omikron-Variante durch eine rasche Ausbreitung aufgefallen. Die Gefährlichkeit besteht darin, dass das Virus viele Mutationen kombiniert, „die wir aus anderen besorgniserregenden Varianten kennen“, wie der Virenforscher Richard Neher von der Uni Basel erklärte. Etwas Trost gibt es immerhin: Die gängigen PCR-Test dürften nach Erwartung des Experten anschlagen.
Viruslast bei Infizierten der Variante "wahnsinnig hoch"
Die neue Variante scheint aber sehr ansteckend zu sein. Zwei bestätigte Omikron-Infizierte in Hongkong weisen offenbar eine sehr schnell ansteigende Viruslast auf. Die PCR-Tests der beiden Männer, die wenige Tage zuvor noch negativ ausfielen, enthielten einen Ct-Wert von 18 und 19. "Das ist wahnsinnig hoch, insbesondere wenn man bedenkt, dass die zwei bei den letzten PCR-Tests noch negativ waren", schreibt der Epidemiologe Eric Feigl-Ding, der lange Zeit an der Universität Harvard forschte. Es sehe so aus, als ob die Variante dem Impfschutz tatsächlich entgehen könnte, so Feigl-Ding weiter.
Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC spricht von ernsthaften Sorgen, dass die Variante die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektionen erhöhen könnte. Welche genauen Auswirkungen die neue Variante hat, steht allerdings noch nicht fest. Bis es darüber Klarheit gebe, kann es laut WHO noch Wochen dauern.
Biontech prüft seinen Impfstoff auf die neue Variante
Eine Biontech-Sprecherin erklärte, dass sich das Unternehmen die Variante bereits anschaue. Geduld ist gleichwohl vonnöten. „Spätestens in zwei Wochen erwarten wir weiterführende Daten aus den Labortests“, sagte die Sprecherin. Dann werde klar sein, ob die Virus-Variante „eine Anpassung unseres Impfstoffs erforderlich macht, wenn sich diese Variante international ausbreitet“.
Spahn sagte dazu, es müsse alles getan werden, um den Eintrag der Variante zu vermeiden. „Das ist das Letzte, was wir jetzt in unserer momentanen Lage noch brauchen können, dass in die Welle hinein noch eine zusätzliche Variante kommt.“
Spahn und Wieler erklärten am Freitag, schneller noch als Tests und Impfungen könnten massive Kontaktbeschränkungen die vierte Corona-Welle brechen. Beide nahmen das Wort Lockdown zwar nicht in den Mund, ihre Ausführungen dazu waren aber eindeutig. „Umso stärker wir jetzt auf die Bremse treten, desto besser“, sagte Spahn und regte an, die 2G-Plus-Regel konsequent anzuwenden, sowie Großveranstaltungen und Feiern abzusagen.
Schärfere Corona-Maßnahmen? Wieler und Spahn greifen Scholz scharf an
Spahn forderte eine schnelle Ministerpräsidentenkonferenz bereits in der nächsten Woche und griff die künftige Regierung aus SPD, FDP und Grünen scharf an. „Einige sagen, man wolle jetzt erst einmal zehn Tage schauen“, kritisierte er mit Blick auf Äußerungen aus der Ampel, man werde am 9. Dezember überprüfen, ob es schärfere Corona-Maßnahmen brauche. Das sei viel zu spät. Spahn wies auch den Plan des designierten Kanzlers Olaf Scholz zurück, einen Bund-Länder-Krisenstab einzurichten. Das gebe es so alles schon, machte Spahn deutlich und wurde in dieser Einschätzung von Wieler überraschend offensiv unterstützt. Die notwendigen Daten könnten in Echtzeit angerufen werden, wies der RKI-Chef den von Scholz erweckten Eindruck zurück, dass dem nicht so sei.
Die Ampel-Parteien drücken sich bislang vor einer Antwort auf die Frage, ob ein bundesweiter Lockdown kommen muss. Der Druck indes wächst. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) etwa forderte eine „einheitliche Bundesnotbremse“. Wie Söder forderte auch sein baden-württembergischer Amtskollege Winfried Kretschmann (Grüne) eine raschere Ministerpräsidentenkonferenz. Es gibt aber auch andere Stimmen aus den Ländern. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) etwa hält ein Vorziehen für überflüssig. (mit dpa)