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Foto: Erwin Hafner
Foto: Erwin Hafner

Tausende Musikfans feiern in diesem Sommer bei Festivals wie hier beim Ikarus-Festival in Memmingen. Schon die Corona-Pandemie war eine Belastungsprobe für die Veranstaltungsbranche. Nun machen Preissteigerungen und Personalnot Veranstaltern und Gästen Sorgen.

Veranstaltungsbranche
15.08.2022

Zu hohe Kosten: Werden Festivals zum Luxus?

Von Laura Wiedemann

Absagen, Personalmangel, steigende Preise. Während der Festivalsaison läuft lange nicht alles glatt, doch die Zeiten für die Veranstaltungsbranche scheinen noch härter zu werden.

Noch bevor die letzte Bierdose zum Pfandautomaten gebracht ist und das Zelt wieder zusammengebaut im Keller steht, kaufen eingefleischte Fans von Musikfestivals ihr Ticket fürs nächste Jahr. Diesmal führt das bei manchem Gast zu Erstaunen und sogar Ärger. „Die Preise jetzt genauso teuer wie die letzte Preisstufe von 2022. Genau mein Humor“, schreibt ein Facebook-Nutzer zum gestarteten Vorverkauf für das Ikarus-Festival 2023 in Memmingen.

Auch die ersten Karten für das Brass Wiesn-Festival in Eching sind etwa eine Woche nach dem Ende der diesjährigen Veranstaltung im Verkauf. 79 Euro kostete ein Vier-Tages-Festivalpass für Frühbucher 2019, jetzt sind es 149 Euro in derselben Kategorie. Teile der Facebook-Gemeinde des Festivals schreiben: „Ja spinnst du, is’ des teuer“ oder „Ist das der Dank, dass man euch zwei Jahre lang die Treue gehalten hat“. „Ganz ehrlich: 199 Euro, 219 Euro bzw. 239 Euro ohne irgendeine Band zu droppen. Ganz schön schwach“, schreibt eine Besucherin des Southside-Festivals in Neuhausen ob Eck (Baden-Württemberg). Sie überlege nun, nach 22 Jahren die Veranstaltung nicht mehr zu besuchen.

Vorverkauf läuft beim Ikarus-Festival trotz höherer Ticketpreise mit wenig negativen Kommentaren an

„Festivals werden immer mehr zum Luxus“, sagt Simon Piontek, Marketingleiter bei der Veranstaltungsagentur Permanent Entertainment, die unter anderem das Ikarus-Festival in Memmingen und das Echelon-Festival in München organisiert. Gespannt schaue man auf die Entwicklung der Gästezahlen für das kommende Jahr. Der Vorverkauf sei trotz höherer Preise gut angelaufen. Ein Ticket für das gesamte Ikarus-Wochenende kostet in der aktuellen Preisstufe etwa 140 Euro, für das Jahr 2020 waren Tickets in einer vergleichbaren Kategorie für etwa 110 Euro im Vorverkauf.

Piontek sagt: „Wir bekommen vereinzelt negative Rückmeldungen. Die meisten Gäste haben sich an die Preiserhöhungen gewöhnt und verstehen das.“ Alles werde für Veranstalter teurer. Angefangen von scheinbaren Kleinigkeiten wie Absperrgittern über Benzin- und Personalkosten bis hin zu den Gagen für Künstlerinnen und Künstler, die bei den Techno-Festivals auftreten. „Diese Kosten müssen wir natürlich an unsere Gäste weitergeben. Trotzdem versuchen wir, so günstig wie möglich zu bleiben.“

Auch kleinere Festivals in der Region müssen Preise für Gäste erhöhen

Auch kleinere Festivals bleiben von dieser Entwicklung freilich nicht verschont. Das Singoldsand-Festival in Schwabmünchen befindet sich in der heißen Vorbereitungsphase. Ab 25. August feiern dort etwa 4000 Gäste pro Tag zu Künstlerinnen und Künstlern wie Ok Kid, Mola oder Scheineilig. In einem Punkt will Mitorganisator Michael Ostner die Musikfans beruhigen: „Der Bierpreis auf unserem Gelände wird, Stand jetzt, nicht höher.“

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Als Festival, bei dem zu großen Teilen freiwillige Helferinnen und Helfer mitarbeiten, wolle man die steigenden Kosten so wenig wie möglich an Besucherinnen und Besucher weitergeben. Ganz ohne gehe es aber nicht. Deshalb kostet das Tagesticket für Freitag oder Samstag diesmal 26 Euro vor Ort statt wie in den Vorjahren 18 Euro. „Wir haben viele Stammbesucherinnen und -besucher und ein Team, das mit Herzblut dabei ist. Trotzdem wird es in Zukunft schwieriger, uns gegen Großveranstaltungen durchzusetzen“, sagt Ostner. Er ist überzeugt, dass Menschen angesichts der hohen Inflation weniger Geld für Konzerte und Open-Airs ausgeben und sich immer öfter erst kurz vor der Veranstaltung für ein Ticket entscheiden.

Das Metal-Festival Summer Breeze in Dinkelsbühl (Mittelfranken) will Frühentschlossene deshalb belohnen. Wenn das diesjährige Festival, bei dem unter anderem Electric Callboy, Hämatom und Voodoo Kiss auftreten, am 21. August endet, gehen die ersten 10.000 Tickets laut Sprecherin Alexandra Dörrie für 166,60 Euro über den Tresen. 2019 – als Corona und der Krieg in der Ukraine noch keine Rolle spielten – waren es 111 Euro. Dörrie: „Die besondere Herausforderung in diesem Jahr ist es, mit dem Umstand umzugehen, dass auf der einen Seite die Kosten um gut 30 bis 60 Prozent angestiegen sind, wir aber einen Großteil der Tickets bereits 2019 und 2020 verkauft hatten und die Ticketpreise zu der Zeit noch auf normale Umstände kalkuliert waren.“

Allgäuer Festival Go to Gö bleibt nach Absage auf fünfstelligem Betrag sitzen - Wie geht es weiter?

Auf mehreren zehntausend Euro ist das Go-to-Gö-Festival im Allgäuer Görisried nach der dritten Absage sitzen geblieben. Die Corona-Lage war in diesem Jahr angespannt, eine Änderung der Maßnahmen nicht abzusehen und so siegten „Vernunft und Verantwortungsgefühl“, sagt Mitorganisator Josef Guggemos. Ein neuer Termin fürs Frühjahr 2023 ist bereits fixiert, die Planungen laufen, und wieder gebe es viele Fragezeichen. Welche Corona-Regeln werden Ende April gelten? Welche Ticketpreise müssen Veranstalter abrufen? Guggemos sagt: „Wir fühlen uns wie Boxer ohne Deckung.“ Ein Vorteil sei, dass örtliche Vereine das Festival seit vielen Jahren organisieren und sich so auf treue Helfende und langfristige Partner mit moderaten Preisen verlassen könnten.

Auch das Southside-Festival will Preissteigerungen für Festivalgäste abfedern. „In unserer Community gibt es, wie in der Gesamtgesellschaft auch, ein hohes Bewusstsein für die derzeitige Ausnahmesituation“, sagt Jonas Rodhe, Sprecher von FKP Scorpio Konzertproduktionen. Trotz einiger kritischer Nachrichten zu den höheren Ticketpreisen für 2023 erfahre das Southside-Team auch viel Wertschätzung. Eine besondere Herausforderung sei bereits in diesem Jahr der Personalmangel in fast allen Bereichen der Veranstaltungsbranche gewesen. Viele Mitarbeitende seien während der Corona-Pandemie in andere Arbeitsfelder abgewandert. Trotzdem sagt Rodhe: „Kultur muss bezahlbar bleiben.“

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