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Foto: Sacha Höchstetter, dpa
Foto: Sacha Höchstetter, dpa

Marie Pietruschka (l.), Alexandra Ndolo und Lisa Ryzih (r.) posierten gemeinsam für eine Ausgabe des Playboy. Ist die Zeitschrift heute noch zeitgemäß?

Gesellschaft
21.01.2023

50 Jahre Playboy: Passt das Herrenmagazin noch in die Zeit?

Von Wolfgang Schütz

Der deutsche „Playboy“ feiert sich zum 50-jährigen Jubiläum. Mit Autos und nackten Frauen bediente die Zeitschrift einst Männerfantasien. Und heute?

Neulich den Playboy gekauft. Auf dem Titel die geölten nackten Brüste von Cecilia Asoro, ausgewiesen als „Bachelor“-Schönheit und via „Dschungelcamp“ Kandidatin für die „Reality-Queen“, dazu lasziver Blick und gerade so verborgene Scham. Seit kurzem zu stolzen 11,90 Euro (statt 7,90 Euro) – und am Kiosktresen im Kontrast der Blick der jungen Kassiererin, der auch im Vergleich zu damals, vor 50 Jahren, als dieses „Herrenmagazin“ erstmals in Deutschland erschien, ziemlich anders gewesen sein dürfte: eher leicht belustigt Kurioses beäugend nun. Weil inzwischen abgeklärt dank aufgeklärter Zeiten. Aber auch befremdet: Denn wer kauft noch ein Heftchen mit Nacktfotos, wenn im Netz doch kostenlos alles im Übermaß zu finden ist, was man auch nur wollen könnte?

Da würde der Hinweis auf die traditionell spannenden Interviews im Inneren vielleicht kaum helfen, diesmal immerhin mit Stilikone Jane Birkin und Actionkino-Held Hugh Jackman „über seine wahre Superkraft und die sanfte Rolle seines Lebens“. Oder auf Oliver Massucci über das Abgründige auf den Kulturseiten. Dazu die Kolumne von Deutschlands erfolgreichster Autorin von Erotik-Romanen (darunter „Vögelfrei“ und „Vögelwild“), der nach dem Sissi-Grafen Andrássy benannten Sophie Andresky, die diesmal im „Tagebuch einer Verführerin“ höhepunktträchtig titelt: „Klitoral, vaginal, mir doch egal!“ 

Früher lieferte der Playboy Autos und nackte Frauen. Und heute?

Denn die Tatsachen scheinen zunächst ja für sich zu sprechen. Die verkaufte Auflage des deutschen Playboy ist in den vergangenen 25 Jahren immerhin um fast genau 60 Prozent gesunken, auf inzwischen monatlich rund 110.000 Exemplare. Und doch gibt es ihn noch. 

Einst unter dem Motto „Alles, was Männern Spaß macht“, heute unter „Alles, was Männer lieben“ kaum verändert, samt einer monatlichen Spielgefährtin („Playmate: Unsere Miss Februar, Carolina Cardoso, bringt uns auf warme Gedanken“), schnellen Autos (diesmal ein Lamborghini Countach) und Reportagen (diesmal ein digitaler Profiler auf Mörderjagd) … – aber doch auch mit einer Streitschrift, in der Ex-Kanzlerberater Lange „Adios, Machos!“ ausruft und neue Männervorbilder auf der politischen Weltbühne entdeckt. 

Also doch ganz anders? Manifest immerhin auch dadurch, dass der Playboy in Myriam Karsch auch eine Verlegerin hat und ein zu 65 Prozent aus Frauen bestehendes Team, wenn auch in Florian Boitin noch einen Chefredakteur?

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Playboy als Heft für alte weiße Männer? Eben nicht mehr, sagt die Verlegerin

Wer den Vergleich will, erhält ihn nun im zum Jubiläum erschienen, durch Jahrzehnte führenden Prachtband. Der natürlich an große Interviews erinnert. Mit Charles Bukowski etwa, oder auch mit John Lennon und Yoko Ono. Gleich in der ersten Nummer übrigens: die durch das Buch „Der dressierte Mann“ zur Alice-Schwarzer-Feindin gewordene Esther Villar über „Die Freiheit des Mannes“. Der große Promi-Rückblick offenbart freilich deutlich mehr als „Bachelor“- und „Dschungelcamp“-Format: an Mates die Monroe, die Obermaier, Kim Basinger und mehrfach Pamela Anderson, Ursula Andress und Bo Derek …; an Fotokünstlern einen Newton, Warhol und Dalí …; an Autoren Boyle und Tarantino, Wolf Wondratschek und Stephen King … Vergangenheit und Original erscheinen da ziemlich erhaben. 

Aber war es da nicht auch sonst noch leichter, ein „Herrenmagazin“ zu machen, als Männlichkeit noch nicht mit toxisch assoziiert wurde – während andererseits heute das richtige Verständnis, was „Body Positivity“ und „Sex Positivity“ gerade als Teil der feministischen Bewegung ausmachen, durchaus fordernd ist. Ein Heft für alte weiße Männer? Das eben nicht mehr, betonte Myriam Karsch zum Jubiläum.

Stößt der Playboy Geschlechterdiskurse abseits normierender Ordnungen an?

Im Kapitel „Das Männerbild“ schreibt der Playboy über sich, er sei „von 1972 an eine echte Herausforderung“ gerade für das deutsche Publikum gewesen: „Er adressiert einen etwas anderen, entspannteren, kultivierten und freieren Typen, als die Lebenswirklichkeit es den meisten Männern erlaubt zu sein. Bis heute.“ 

In der Folge heißt es, es sei eben „nicht nur ein Magazin mit erotischem Inhalt, sondern eine sexuell aufgeladene Phantasie, in der Design, Technik, Architektur, Urbanität, Lifestyle, Popkultur und gesellschaftspolitischer Diskurs aufeinandertreffen und zusammen als kraftvolle Maschine von performativer Geschlechteridentität wirken.“

Es wird konstatiert, dass das klassisch „sich überzeitlich gerierende Männlichkeitsideal des Playboy in der jüngsten Gegenwart angesichts dramatischer Zäsuren (...) deutlich in die Kritik geraten“ sei – aber für den neuen „Diskurs über Geschlecht, Sexualität“ abseits „normierender Ordnungen und Binaritäten“ könne gerade das Magazin nun ein Barometer werden: der Playboy, „dessen Möglichkeit zur Mitgestaltung in der Kraft der von ihm konstruierten Ikone liegt“. 

Klingt ziemlich konstruiert? Geht noch weiter: „Denn die Macht von Ikonen liegt auch in der Möglichkeit, sie zu brechen und damit den Diskurs weiterzuführen, um Strukturen kritisch zu hinterfragen und zu verändern.“ So was müsste einem mal einfallen, wenn man an der Kasse im Kiosk steht, das Magazin in der Hand!

Künstlerin Marisa Papen zeigt erstmals eine Vulva auf dem Playboy-Cover

Aber ein wirklicher Bruch bei der Ikone findet anlässlich des Jubiläums dann anderswo statt, in der durchaus künstlerisch spannenden Reihe von 50 Covern, extra von Künstlerinnen und Künstlern zu diesem Anlass gestaltet. Und da zeigt die gegen Körpertabus angehende Marisa Papen erstmals eine Vulva auf einem Playboy-Cover, in Nahaufnahme und „in eine Landschaft aus tausend kleinen Blumen gehüllt“, wie es die Belgierin selbst beschreibt. Und hinzufügt, die Vagina sei in der Kunstwelt so gut wie nicht existent und werde als Tabu angesehen und „nicht als mächtige Muse, die sie ist“. 

Darum schließlich: „Dies ist unser Versuch, uns von Missverständnissen und Scham im andauernden kulturellen Krieg gegen den menschlichen Körper zu befreien.“ Vielleicht aber entfaltete auf dem Cover des Playboy ein Penis in Nahaufnahme die viel größere Wirkung eines Bruchs mit der Ikone – bis hin zu interessantem Verhalten in Kiosken.

Das Buch „50 Jahre Playboy in Deutschland“ Herausgeber: Florian Boitin Verlag Salz und Silber 256 Seiten, 50 Euro

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