Startseite
Icon Pfeil nach unten
Familie & Partnerschaft
Icon Pfeil nach unten

Männlichkeit: Wann ist ein Mann ein Mann? Das sagen Männer aus der Region

Was ist typisch männlich? Und welche Rolle spielt das heute noch? Wir haben Männer aus der Region gefragt: Marcel Gomez, Daniel Bolkart, Sezer Soylu und Chris Kolonko.
Männlichkeit

Wann ist ein Mann ein Mann? Das sagen Männer aus der Region

    • |

    Man hat es heutzutage schon nicht leicht – gerade als Mann. Denn Männlichkeit und das, was wir darunter verstehen, ist stark im Wandel. Was macht einen echten Kerl heute noch aus: Soll er Beschützer und Gentleman sein – oder feministischer Verfechter der Gleichberechtigung? Und welche Rolle spielen Bauch und Bart eigentlich? Das haben wir vier Männer aus der Region gefragt: Ein Kita-Leiter, ein Modeberater, ein Barber und ein Drag-Star sagen, was

    Kita-Leiter Marcel Gomez: "Allein die Erzieherausbildung ist klischeebehaftet"

    Männlichkeit als Charaktereigenschaft gibt es für mich nicht. Eher denke ich an Äußerlichkeiten, an klassisch-altmodische Eigenschaften: groß, breit, bärtig, tätowiert. Mit einem bestimmten Verhalten sehe ich Männlichkeit nicht verbunden. Dabei habe ich es als Kind anders mitbekommen. Im Freundeskreis hieß es: Hör auf zu weinen, du bist ein Mann!

    Ich bin froh, dass meine Eltern es mir anders vorgelebt haben. Sie sagten, wenn etwas ist, kann man immer darüber reden – egal, welches Geschlecht man hat. Das habe ich stärker verinnerlicht als andere gesellschaftliche Vorstellungen.

    "Unter Azubis heißt es oft: Wer Erzieher wird, muss schwul sein."Marcel Gomez

    undefinedundefined

    In meinem Werdegang zum Erzieher hat mich das sehr geprägt, sonst wäre dieser nicht möglich gewesen. Allein die Ausbildung ist mit Klischees behaftet, da heißt es unter Azubis: Wer Erzieher werden will, muss ja wohl schwul sein. Oder: Wenn man als Mann in der Erziehung arbeitet, dann nur im Jugendbereich. Dass ich mal eine Kinderkrippe leite, war für viele unvorstellbar.

    Als Kita-Leiter treffe ich nun teils auf Omas und Opas, die nicht so aufgeschlossen sind. Sie finden es komisch, dass ich ihre Enkelkinder wickle, weil es aus ihrer Sicht Frauenarbeit ist. Anfangs haben mich die Kommentare belastet, weil ich nicht genau wusste, wie ich damit umgehen soll. Heute erkläre ich in aller Ruhe, dass es mein Traumberuf ist und meine Fähigkeiten nichts mit dem Geschlecht oder Aussehen zu tun haben.

    Unser Umgang mit Spielzeug hat sich auch gewandelt. Als ich Kindergartenkind war, gab es eine Verkleidungskiste, aus der sich Jungs Ritterrüstung oder Cowboyhut nehmen durften und Mädchen Hexenkostüm oder Prinzessinnenkleider. Jetzt habe ich einen Bub in der Gruppe, der gerne das pinke Prinzessinnenkleid anzieht. Und das darf er machen, es ist ja auch nur ein Kleidungsstück, genauso wie jedes andere. Und ob es schwarz oder pink ist – es ist nur eine Äußerlichkeit. Wobei ich sagen muss, dass ich persönlich schon viel Wert auf mein Äußeres lege. Ich mache Kraftsport, achte auf eine gesunde Ernährung und habe auch Tattoos.

    Marcel Gomez, Kita-Leiter aus Neuburg an der Donau

    Modeberater Daniel Bolkart: "Mode und Körperbau sind keine Maßstäbe mehr"

    Ich bin mit Brüdern aufgewachsen, habe mich mit ihnen verglichen und oft gefragt, was besonders männlich ist. Heute kann ich sagen: Es sind nicht körperliche oder mentale Eigenschaften, sondern Werte wie Selbstbewusstsein, Treue, Liebe, Freude am Leben und ein gewisser Ehrgeiz. Was Äußerlichkeiten angeht, sind wir in einem Jahrzehnt, in dem Körperbau oder Mode nicht mehr die Maßstäbe sind, an denen sich Männlichkeit bemisst. Auch persönliche Interessen und Hobbies sind nicht gendergebunden. Sei es Liebe zu Kunst oder Spaß an Videospielen – nichts daran ist männlich oder weiblich.

    Die Diversitätsforschung hat gezeigt, dass es nicht nur zwei Kategorien gibt, sondern viele Nischen und Graustufen. Als Mann kann ich heute ziemlich alles sein und tun, so wie Frauen auch. Das habe ich jahrelang nicht gewusst und meine Entwicklung ein Stück weit unterdrückt. Gerade mit meinem Körper habe ich gehadert: Ich war schlank und zierlich, entsprach nicht dem optischen Ideal von Männlichkeit. Charakterlich war ich verträumt und modeinteressiert, habe viel gemalt und gern mit Barbies gespielt. Diese Dinge haben mich erfüllt, aber vor dem klassischen Konstrukt der Männlichkeit und meiner Rolle, ein Mann zu sein, bin ich jahrelang zurückgeschreckt.

    "In der Modebranche geht es um Persönlichkeit, nicht ums Geschlecht."Daniel Bolkart

    undefinedundefined

    Zwischenzeitlich habe ich mich etwas verloren, weil ich Vorlieben zurückgestellt habe, um dem konformen Bild von Vater-Mutter-Kind zu entsprechen. Dabei konnte ich mich nie damit identifizieren. Doch dann habe ich gelernt, mich durchzusetzen, und meinen eigenen Weg gefunden zu dem, was ich will im Leben. Über soziale Netzwerke habe ich Jungs in meinem Alter gefunden, denen es ging wie mir. Und festgestellt, dass es Leute gibt, die mich mögen, gerade weil ich anders bin.

    Das gab mir Selbstvertrauen, das ich heute in meinem Alltag ausstrahle. In der Modebranche arbeite ich hauptsächlich mit Frauen und kann eigene Perspektiven einbringen. Dabei identifiziere ich mich aber in erster Linie als Daniel – und nicht als Mann. Denn es geht um Persönlichkeit und nicht ums Geschlecht.

    Daniel Bolkart, Modeberater aus Augsburg

    Barber Sezer Soylu: "In jedem Land gilt etwas anderes als männlich"

    Männlichkeit hat aus meiner Sicht nichts mit dem klassischen Mannsein zu tun, sondern wie man sich gegenüber Mitmenschen verhält. Für mich bedeutet es Treue gegenüber der eigenen Familie, Ehrlichkeit in allen Worten und Taten und auch die Bereitschaft, Fehler zuzugeben. Außerdem sollte man nie aufhören, dazuzulernen. Viele Männer lernen einen Beruf und glauben, sie wüssten alles. Das sehe ich anders, ich möchte mich ein Leben lang weiterbilden.

    Ich habe in der Türkei, in Saudi-Arabien und Deutschland gelebt und überall mitbekommen, wie Väter zu ihren Söhnen sagten: Weine nicht, sei ein Mann. Das finde ich sehr schade, denn man muss seine Gefühle zeigen dürfen, das Innerste aus sich rausholen und ausleben dürfen. So eine Erziehung wirkt sich auf die Zukunft der Kinder aus, die diese Werte auch an ihre Kinder weitergeben. Und auch man selbst lebt leichter, wenn man Emotion zulässt.

    "In jedem Land wird das Thema Männlichkeit anders behandelt."Sezer Soylu

    undefinedundefined

    Als Barber richtet sich mein Fokus beim Thema Männlichkeit natürlich auf Haare und Bart. In jedem der Länder, in denen ich gelebt habe, wurde das anders behandelt. In Saudi-Arabien galt ein Mann ohne Schnurrbart vor 20 Jahren nicht als Mann – nicht im schlechten Sinne natürlich. In der Türkei gab es damals ein lustiges Sprichwort: Bevor du dir die Haare wie deine Mutter wachsen lässt, lasse dir lieber den Bart deines Vaters wachsen. Männer mit langen Haaren waren dort undenkbar. Als ich 2009 nach Deutschland kam, habe ich zum ersten Mal Männerfrisuren mit Strähnchen und Rasur-Mustern im Haar gesehen. Das fand ich sehr vielfältig – und habe es selbst auch gleich ausprobiert. Das Gute ist, dass Style und Mode wandelbar sind.

    Ich denke, was die Haare angeht, sollte es jeder so handhaben wie er möchte. Es gibt nicht das eine, klassische Bild von Männlichkeit. Auch ich habe mir schon einmal Haare und Bart wachsen lassen – und das 2010, als niemand in Deutschland lange Bärte trug. Einige meinten, dass ich sehr komisch aussehe. Aber ich finde, dass jeder seinen eigenen Geschmack haben und nicht der Masse hinterherlaufen sollte. Männlichkeit hat nämlich viele Facetten.

    Sezer Soylu, Barbershop-Betreiber aus Augsburg

    Dragstar Chris Kolonko: "Männlichkeit begegnet mir im Beruf ständig"

    In meinem Beruf begegnet mir Männlichkeit ständig! Alles, was ich hinter den Kulissen mache, ist verbunden mit Management und harter Arbeit, mit sehr viel Training. In meiner Freizeit fühle ich mich besonders männlich, wenn Selbstständigkeit und innere Stärke meinen Alltag dominieren.

    Ein typischer Mann strahlt für mich viel Stärke und Selbstbewusstsein aus und ist ein Beschützer. Das kann aber auch nur äußerlich sein. Denn es gibt Männer, die sehr muskulös sind und vielleicht brutal aussehen, aber völlige Weicheier sind. Diese vorgezeichneten Bilder von Männlichkeit sind ohnehin etwas, das vor allem im Kopf existiert. Ich glaube, dass jeder eine eigene innere Stärke fühlen und ausleben kann. Wenn man sich schwach oder verzweifelt fühlt oder in bestimmten Lebenssituationen ratlos ist, ist das nicht unmännlich. Solche Gefühle sollte man sich gerade als Mann zutrauen dürfen.

    "Wenn eine Frau mit ihren Reizen spielt, ist das etwas Schönes."Chris Kolonko

    undefinedundefined

    Stark durchs Leben zu gehen, gleichzeitig offen zu sein, ein Beschützer und kreativer Macher zu sein, das ist ein Verständnis, das Frauen ebenso in sich tragen. Deshalb ist es manchmal schön, wenn die Grenzen zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit verwischen. In einigen Regionen der Welt ist das bereits Realität, in anderen Ländern aber gar nicht, da ist es ein ganz anderes politisches Bild.

    Ich selbst bin jemand, der Emanzipation absolut wichtig findet. Dennoch finde ich, dass man dieses schöne Spiel zwischen Mann und Frau trotzdem leben darf. Auf der einen Seite wollen Frauen emanzipiert sein, auf der anderen Seite möchten sie doch gerne, dass man ihnen die Tür aufhält oder den Stuhl hinrückt. Oder dass ein Gentleman einfach Gentleman sein darf. Und wenn eine Frau mit ihren Reizen spielt, ist es auch etwas Schönes. Dann möchte sie doch, dass ein Mann vielleicht schaut. Und ein Mann möchte das ganz genauso. Also dieses Spiel zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit darf schon noch bestehen, das finde ich sehr wichtig – trotz aller Emanzipation.

    Chris Kolonko, Travestie- und Dragstar aus Augsburg

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden