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Foto: Sophia Huber
Foto: Sophia Huber

Zwischen 40 und 50 Personen, darunter ungeimpfte Pflegekräfte des Dominikus-Ringeisen-Werks, haben in Ursberg gegen eine Impfpflicht für die Gesundheitsbranche protestiert.

Ursberg
12.01.2022

Pflegekräfte protestieren gegen Impfpflicht vor dem Ringeisen-Werk in Ursberg

Von Annegret Döring, Sophia Huber

Bei einer Mahnwache mit "Spaziergang" demonstrieren am Dienstagabend in Ursberg nicht nur ungeimpfte Pflegekräfte. So reagiert das Dominikus-Ringeisen-Werk.

Im Dominikus-Ringeisen-Werk (DRW) in Ursberg brennen am Dienstagabend einige Lichter. Nicht nur oben aus dem Mutterhaus scheint es hell aus den Fenstern. Dort sind noch einige Pflegekräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienst. Auch unten, außerhalb des Gebäudes, brennen vereinzelt ein paar Kerzen.

Etwa 40 bis 50 Personen haben sich um 18 Uhr vor dem Mutterhaus im Klosterhof in Ursberg versammelt. Es ist kalt, einige halten Teelichter oder Kerzen in den Händen. Warum sie dort stehen?

Auch geimpfte Pflegekräfte demonstrieren vor dem Mutterhaus in Ursberg

"Wir wollen ein Zeichen setzen. Unserem Arbeitgeber zeigen: So viele Pflegekräfte fallen euch weg, wenn die Impfpflicht kommt", sagt eine der Demonstrierenden. "Wir", das sind an diesem Abend ungeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DRW. Aber nicht nur, wie sich später zeigt.

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Foto: Sophia Huber
Foto: Sophia Huber

Um 18 Uhr haben sich etwa 45 Personen auf dem Klosterhof in Ursberg getroffen.

Auch eine Polizeistreife ist anwesend. Die fährt jedoch kurz nach 18 Uhr weg, als sich die Grüppchen dazu entscheiden, eine Runde zu laufen. Später erfährt man von einem Teilnehmer, dass man spazieren gegangen sei, damit die Zusammenkunft nicht als Demonstration bewertet werde. Denn die Mahnwache vor dem Mutterhaus gelte, wie auch die "Spaziergänge" in Krumbach, als unangemeldete Versammlung, die mit einer Ordnungswidrigkeit bestraft werden könne. Man habe Sorge, dass die Zusammenkunft verboten werde, wenn sie angemeldet werden würde, sagt der Teilnehmer, der auch beim "Spaziergang" in Babenhausen am Montag dabei gewesen ist. Deswegen wolle man auch in Zukunft in Ursberg "spazieren gehen".

Die Versammlung, die als Mahnwache bereits seit fünf Wochen einmal wöchentlich stattfindet, sei auch beim Vorstand des DRW nicht angemeldet gewesen, berichtet Manuel Liesenfeld, Pressesprecher des DRW. Aber es sei klar, dass die Teilnehmenden mit ihrem Protest die Spitze des Unternehmens treffen wollten.

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Das Ringeisen-Werk hat mehrere Standorte, unter anderem auch in Babenhausen

In den Regierungsbezirken Schwaben, Unterfranken und Oberbayern an über 30 Standorten betreut das Dominikus-Ringeisen-Werk rund 5000 Menschen mit einer geistigen Behinderung, mit Lernbehinderung, mit mehrfacher Behinderung, mit Sinnesbehinderung, Autismus, erworbener Hirnschädigung, psychischer Erkrankung und Menschen im Alter. Am Standort Ursberg, dem Stammsitz der kirchlichen Stiftung, leben etwa 900 Menschen mit Behinderung. Über 4600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für das DRW insgesamt tätig. Die überwiegende Mehrheit der Mitarbeitenden ist laut Liesenfeld geimpft. Diese machten sich jedoch nicht so bemerkbar wie die Protestierenden.

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Foto: Patrick Daniel Hiller
Foto: Patrick Daniel Hiller

Bereits vor wenigen Wochen gab es eine Mahnwache vor dem Dominikus Ringeisen Werk - dabei wurden Kerzen und Schilder abgestellt.

Aber auch unter den Protestierenden sind geimpfte Mitarbeiter des DRW. Eine junge Frau erzählt beim Gang um das Mutterhaus, sie ist solidarisch mit ihren ungeimpften Kolleginnen und Kollegen. "Ich selbst bin geimpft, da ich auch Angst vor Long Covid habe. Kommt die Impfpflicht, werden viele Kollegen gehen. Wir Geimpften können die Arbeit alleine nicht auffangen." Ihre Kollegin, ungeimpft, stimmt ihr zu. "Es ist unfair, wenn ein Teil der Arbeitnehmer alles auffangen muss." Sie selbst sei nicht geimpft wegen einer Vorerkrankung, außerdem würde sie gerne Kinder kriegen und selbst über ihren Körper entscheiden wollen. Ein weiterer Punkt, den die beiden ansprechen: Mit der Impfpflicht gebe es eine Spaltung in der Branche, die eh schon angespannt ist.

DRW will mit den ungeimpften Mitarbeitern ins Gespräch kommen

Seitens des DRW wolle man mit der Gruppe, die sich vor dem Mutterhaus trifft, ins Gespräch kommen. Darum habe Liesenfeld selbst auch einmal an einer Mahnwache teilgenommen und mit Menschen dort gesprochen. Ihm sei aufgefallen: "Demonstranten haben teils nicht verstanden, dass nicht das DRW für diese Pflicht verantwortlich ist", sagt der Pressesprecher. Das DRW versuche empathisch zu sein und nehme Sorgen seiner Mitarbeitenden ernst, „doch es sind nicht wir, die Politik und Gesetze machen“. Das DRW sei mit Politikern im Gespräch und setze sich für eine allgemeine Impfpflicht für alle ein. Das könne den Druck aus der Sozialbranche nehmen.

Denn wenn die Impfplicht komme, wollten viele wohl den Dienst quittieren, das habe Liesenfeld vor Ort erfahren und das hört man auch bei der Demo am Dienstag. Aber wohin dann? In anderen Bereichen der Pflege gelte die Impfpflicht schließlich auch. "Wir wollen ja gar nicht unbedingt diesen Job kündigen", sagt eine Teilnehmerin. "Sondern Druck ausüben, dass die Regierung die Pflicht für unsere Branche zurücknimmt."

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Foto: Sophia Huber
Foto: Sophia Huber

Nach einem kleinen Spaziergang unterhalten sich die geimpften und ungeimpften Pflegekräfte des DRW in Grüppchen.

„Wir möchten natürlich, dass unsere Mitarbeitenden bei uns bleiben und sich nach Möglichkeit impfen lassen“, sagt Liesenfeld. Das sei der beste Ausweg aus der Pandemie und schütze die Klienten des DRW. „Wir wollen, dass man im Gespräch bleibt und machen auch weiter niederschwellige Angebote für Menschen, die sich doch noch impfen lassen wollen, zum Beispiel mit dem Einsatz mobiler Impfteams.“

Auch "Spaziergänger" aus Krumbach sollen in Ursberg mitdemonstrieren

Doch für den Großteil der Protestierenden sind niederschwellige Angebote kein Anreiz. "Und was bringt es, wenn unsere Bewohner trotzdem alle ungeimpft sind?", meint eine Demonstrantin. Für eine allgemeine Impfpflicht sei sie trotzdem nicht.

Nach dem kleinen Spaziergang um die Anlage verweilen die Teilnehmer noch in Grüppchen auf dem Klosterhof, trinken Glühwein und unterhalten sich - viele Kollegen hätten sich auch schon länger nicht mehr gesehen. Um beim nächsten Mal, dann als "Spaziergang" in Ursberg, eine größere Gruppe zu sein, ruft ein Teilnehmer in einer Chatgruppe auf Telegram dazu auf, dass auch die "Montagsspaziergänger" sich anschließen sollen.

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