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Interview: Söder und Waigel im Interview: „Darf ich noch etwas zum Soli sagen?“

Interview

Söder und Waigel im Interview: „Darf ich noch etwas zum Soli sagen?“

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    Die Milliardenmänner der CSU: Bayerns Finanzminister Markus Söder (links) und der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel.
    Die Milliardenmänner der CSU: Bayerns Finanzminister Markus Söder (links) und der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Söder, Sie machen sich für Steuersenkungen auf breiter Front stark. Was plant die CSU konkret?

    Söder: Wir wollen den Bürgern etwas von den Rekordüberschüssen zurückgeben, die der Staat einnimmt. Dazu gehören die Abschaffung des Solidaritätszuschlages, eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen bei der Einkommensteuer und ein neues Baukindergeld für Familien. Die SPD dagegen will die Steuern erhöhen und den Bürgern etwas wegnehmen.

    Das klingt nach einem überschaubaren Volumen. Ist das schon der große Wurf für den Wahlkampf?

    Söder: Bisher reden wir von 15 Milliarden Euro Entlastung im Jahr. Das ist der Einstieg. Natürlich gibt es Spielräume für mehr. Wenn ich sehe, dass wir eine Flüchtlingsrücklage von 20 Milliarden aufgebaut haben: damit könnte man sogar den Soli auf einmal abschaffen.

    Wollte die CSU ihn nicht in Etappen reduzieren?

    Waigel: Eine Steuerreform müssen Sie immer auf längere Sicht planen. In den achtziger Jahren haben wir das auch in drei Stufen gemacht. Aber ich gebe dir recht, Markus: Wenn wir in einer Zeit, in der die öffentliche Hand Überschüsse hat, die Steuern nicht senken – wann dann? Ich würde nur zwei Dinge gerne noch hinzufügen: Wir müssen die private Altersvorsorge stärken, indem wir den Verwaltungsaufwand reduzieren und sie steuerlich attraktiver machen. Und wir brauchen eine längere Lebensarbeitszeit. Nur so können wir Rentenkürzungen oder Beitragserhöhungen vermeiden. Ich könnte mir vorstellen, dass wir für die, die älter als 65 sind und weiterarbeiten wollen, einen kleinen Steueranreiz schaffen.

    Söder: Das ist eine interessante Idee. Leistung muss sich lohnen. Deshalb wollen wir die kalte Progression abschaffen und die Nachteile ausgleichen, die die Bürger durch die Kombination aus Nullzinsen und steigender Inflation haben. Dass die Riester-Rente in Schieflage geraten ist, liegt ja auch an den niedrigen Zinsen. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat sich von einer Medizin, die anfangs gut gewirkt hat, zu einem schleichenden Gift entwickelt, das nicht nur den Sparern schadet. Natürlich kann Herr Draghi die Zinsen nicht auf Knopfdruck kräftig anheben, aber er könnte einen Pfad kontinuierlicher Erhöhungen beschreiten.

    Martin Schulz, der Kanzlerkandidat der SPD, spricht gerne von der hart arbeitenden Mitte. Wo findet die sich denn im Steuerkonzept der CSU?

    Söder: Von der Abschaffung des Soli haben grundsätzlich alle Steuerzahler etwas. Vom Abbau der kalten Progression profitieren vor allem die kleinen und mittleren Einkommen. Wir wollen die hart arbeitenden Menschen entlasten.

    Den Soli kann die Bundesregierung alleine abschaffen, für alles andere brauchen Sie die Länder. Droht der Union ein Schicksal wie 1997, als Oskar Lafontaine Ihre Steuerreform im Bundesrat gestoppt hat, Herr Waigel?

    Waigel: Den Soli haben wir 1998 um zwei Punkte gesenkt! Unser damaliger Fraktionschef Wolfgang Schäuble hat in einer sehr viel schwierigeren Situation verlangt, dass ich die Steuern um 25 Milliarden D-Mark senke. Insofern sollte man heute nicht weniger Mut haben als damals.

    Söder: Wahlen klären so etwas auch. Natürlich muss sich die Forderung nach einer deutlichen Steuersenkung auch in einem Koalitionsvertrag wiederfinden.

    Waigel: Darf ich noch eines zum Soli sagen? Er ist eine Abgabe auf Zeit, deshalb wäre die Regierung gut beraten, ihn auslaufen zu lassen. Sonst wird sie irgendwann vom Verfassungsgericht dazu gezwungen.

    Die Union hat in Wahlkämpfen schon oft versprochen, die Steuern zu senken. Warum sollen Ihnen die Menschen das ausgerechnet jetzt glauben?

    Söder: Natürlich sind die Bürger skeptisch. Diesmal allerdings ist die Lage etwas anders. In Bayern tilgen wir Schulden. Und der Haushalt des Bundes ist ausgeglichen. Es ist wirklich Geld da.

    Markus Söder und Theo Waigel im Gespräch mit Walter Roller, Michael Stifter und Rudi Wais. Mit dabei: Söders Sprecher Michael Backhaus (Zweiter von links).
    Markus Söder und Theo Waigel im Gespräch mit Walter Roller, Michael Stifter und Rudi Wais. Mit dabei: Söders Sprecher Michael Backhaus (Zweiter von links). Foto: Ulrich Wagner

    Waigel: In den Großen Koalitionen gab es mit der SPD keine realistische Chance auf eine solche Reform. In der Koalition mit der FDP ist uns die Finanzkrise dazwischengekommen. Wenn Sie fünf Prozent an Wirtschaftskraft verlieren, können Sie schlecht die Steuern senken.

    Sie wollen die Ausgaben für Verteidigung und Bildung erhöhen und die Mütterrente ausweiten. Dazu die Kosten für die Flüchtlingspolitik: Was bleibt da noch für eine Steuerreform?

    Söder: Natürlich müssen wir Prioritäten setzen. Es kann nicht sein, dass wir in Bayern im Jahr mehr Geld für Asylbewerber ausgeben, als die Etats des Wirtschafts-, des Gesundheits- und des Umweltministeriums zusammen ausmachen. Die Bürger haben kein Verständnis dafür, dass wir für unbegleitete Minderjährige rund 4000 Euro im Monat ausgeben, sie selbst aber für ihr Erspartes keine Zinsen bekommen und ihnen der Staat nicht mehr Netto vom Brutto lässt. Dieses Geld haben sich die Menschen hart erarbeitet.

    Sie haben gesagt, einen Wahlkampf könne man nicht führen wie eine Bilanzpressekonferenz, Herr Söder. Martin Schulz greift die Ängste vieler Menschen vor einem sozialen Abstieg auf. Was hält die Union ihm entgegen?

    Söder: Wir sagen den Menschen: Wir schätzen eure Leistung, eure Arbeit ist etwas wert.

    Das sagt Schulz auch.

    Söder: Aber er tut nichts dafür. Er ist gegen eine Steuerentlastung und für die Vergemeinschaftung der europäischen Schulden. Und er wird auch für neue Schulden in Deutschland stehen.

    Waigel: Sie können einen Wahlkampf nicht nur mit Sozialpolitik bestreiten. Wie unsere Wirtschaft weiter wachsen soll, wie Arbeitsplätze geschaffen und Bildung finanziert werden soll – da habe ich von Herrn Schulz noch nicht viel gehört. Wir brauchen mehr Investitionen im privaten wie im öffentlichen Bereich und deshalb ein investitionsfreundliches Klima. Ich bin kein großer Freund von Gerhard Schröder, aber seine Agenda 2010 war ein großer Wurf. Bei einer Million offener Stellen jetzt die Bezugszeit des Arbeitslosengeldes zu verlängern: Das ist in der Sache falsch und psychologisch auch. Herr Schulz will zurück in die Umverteilungszeit der siebziger und achtziger Jahre.

    Redet Herr Schulz Deutschland schlechter als es ist?

    Waigel: Er emotionalisiert sehr stark. Aber er wird von der Realität schnell wieder eingeholt werden. Deutschland steht gut da.

    Hat die Union das Thema Gerechtigkeit unterschätzt?

    Söder: Im Fußball würde man sagen: Wenn der Gegner plötzlich anstürmt, muss man dagegenhalten, und zwar nicht erst am eigenen Strafraum.

    Waigel: Wo hast du eigentlich gespielt, Markus?

    Söder: Sehr weit vorne.

    Der Brecher im Sturm?

    Söder: So ähnlich, ich war nicht der Größte, aber der Längste im Team. (lacht) Aber im Ernst: Wir müssen unseren Gegner jetzt auch stellen. Ihn wie in früheren Jahren einzuschläfern, ihn vielleicht sogar links zu überholen – das wird in dieser Konstellation nicht funktionieren.

    Lassen Sie uns konkret werden, Herr Söder. Wann beginnt der Einstieg in den Ausstieg aus dem Soli?

    Söder: So früh wie möglich nach der Bundestagswahl.

    Die Union hat in der Steuerpolitik bisher keinen geschlossenen Eindruck gemacht. Fühlen Sie sich von der CDU unterstützt – oder eher verlassen?

    Söder: Wir sind einer Meinung: Leistung muss sich lohnen. Ich fühle mich stärker unterstützt als früher, auch von Wolfgang Schäuble. Vor einem halben Jahr war das noch nicht so klar. Inzwischen hat auch die CDU erkannt, dass wir im Wettbewerb mit der SPD klare Antworten brauchen. Steuerentlastungen sind eine solche Antwort.

    Wann beginnt eigentlich, um in Herrn Söders Fußballsprache zu bleiben, das Gegenpressing? An der CSU-Basis hält sich die Begeisterung für die Kanzlerin in Grenzen.

    Waigel: Ich spüre viel Zustimmung für sie, auch in der CSU, und zwar rational wie emotional. Ich werde eine Wählerinitiative für Angela Merkel starten. Eine Reihe bekannter Persönlichkeiten hat mir dafür schon zugesagt, das wird eine positive Wirkung entfalten. Sie ist unsere Kanzlerkandidatin, entweder gewinnen wir mit ihr oder wir verlieren mit ihr – und ich will eigentlich nicht verlieren.

    Nichtsdestotrotz: Weite Teile Ihrer Partei hadern mit Frau Merkel.

    Waigel: Ich bitte Sie. Mehr als 60 Prozent der CSU-Anhänger stehen hinter ihr, schauen Sie sich die Umfragen an.

    Sollten es nicht 80 Prozent sein, sie ist die Chefin Ihrer Schwesterpartei!

    Söder: Natürlich haben wir noch Überzeugungsarbeit zu leisten.

    Waigel: Ich bin da sehr optimistisch. 1980 hat auch ein so kühler Norddeutscher wie Gerhard Stoltenberg Wahlkampf für Franz-Josef Strauß gemacht.

    Söder: Am Ende wird es eine klare Alternative geben: Rot-Rot-Grün unter Schulz oder eine von der Union geführte Regierung. Es ist kein Zufall, dass Herr Schulz neuerdings Herrn Lafontaine so lobt.

    Mit welcher Strategie zieht die Union in den Wahlkampf? Einfach nur Angela Merkel und „Sie kennen mich“ zu plakatieren, wird ja kaum reichen.

    Söder: Wir brauchen ein ambitioniertes Programm. Wir brauchen Leidenschaft und wir müssen die Unterschiede zur SPD klar benennen. Die Mitte denkt heute konservativer als noch vor einigen Jahren.

    Das heißt, die Union muss auch Wähler von der AfD zurückholen?

    Söder: Die AfD bleibt für die Union eine große Herausforderung. Aber wir müssen uns genauso um die vielen Nichtwähler bemühen.

    Waigel: Wer AfD wählt, sollte sich klarmachen, dass das nicht nur eine verlorene Stimme ist, sondern eine kontraproduktive. Wer AfD wählt, bekommt das Gegenteil von dem, was er will, nämlich Rot-Rot-Grün.

    Erinnert der Hype um Schulz Sie an das Ende der Ära Kohl, Herr Waigel? Macht sich nach zwölf Jahren eine Art Merkel-Müdigkeit breit?

    Waigel: Kohl hat nach zwölf Jahren noch eine Wahl gewonnen, das ist schon mal ein Unterschied. Die Ermüdungserscheinungen kamen später, Schröder musste nur noch sagen, wir machen nicht alles anders, aber vieles besser. Diese Wechselstimmung sehe ich im Moment nicht.

    Wie sehr schadet der Dauerzwist zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer eigentlich der Union noch?

    Waigel: Es wäre gut gewesen, wenn sie die Einigung vor Weihnachten hinbekommen hätten. Aber es ist noch nicht zu spät.

    Söder: Es war wichtig, dass die CSU klargemacht hat, dass sie in der Flüchtlingspolitik eine andere Position vertritt. Das Thema Zuwanderung und innere Sicherheit ist in Bayern das emotionale Top-Thema. Und natürlich wird das auch im Wahlkampf entscheidend werden. Gerade kam eine Meldung herein, dass die Flüchtlingszahlen wieder steigen.

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