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Impfungen: Masernimpfung: Gesundheit per Spritze

Impfungen

Masernimpfung: Gesundheit per Spritze

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    In zwei Jahren soll es in Deutschland keine Masern mehr geben. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sich mehr Menschen impfen lassen.
    In zwei Jahren soll es in Deutschland keine Masern mehr geben. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sich mehr Menschen impfen lassen. Foto: Achim Scheidemann (dpa)

    Schon der Begriff führt in die Irre. „Kinderkrankheit“ – das klingt wie „Kinderspielzeug“ oder „Kinderportion“. Klein und niedlich, und irgendwie nicht ganz ernst zu nehmen. Der 14-jährige Michael ist daran gestorben. Ein paar Tage ist das jetzt erst her. Der Bub aus dem nordrhein-westfälischen Lage hatte sich, als Säugling, im Wartezimmer eines Kinderarztes mit dem Masern-Virus angesteckt.

    Impfgegner versuchen seit Jahren, Angst zu verbreiten

    „Dort war auch ein Junge, der schon Fieber hatte – aber die Masern hatte man bei ihm noch nicht diagnostiziert“, sagt Dr. Martin Terhardt vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Dieser Bub habe damals sechs andere Kinder angesteckt, darunter drei Säuglinge. Auch Natalie war eines der Babys. Auch sie bekam Masern. Auch sie starb, 2011, im Alter von 13 Jahren, an den Spätfolgen der Kinderkrankheit.

    Nach Angaben des European Centre for Disease Prevention sterben ein bis drei von tausend an Masern erkrankten Kindern. Die Wahrscheinlichkeit für Impfschäden liegt hingegen im Promille-Bereich.

    Doch noch immer glauben viele Eltern, dass Impfen gefährlich sein kann – und vergessen über dieser Befürchtung die viel größere Gefahr, die von der Krankheit ausgeht.

    „Impfen macht krank“, behauptet etwa Angelika Müller. Die vierfache Mutter aus Friedberg ist wahrscheinlich eine der aktivsten Impfgegnerinnen in Deutschland. Seit Jahren engagiert sie sich neben ihrem Hauptberuf als Software-Entwicklerin für Impfkritiker-Kongresse, erstellt Briefe und Handzettel, führt eine Internet-Homepage, wertet selbst medizinische Statistiken aus und kündigt immer wieder Buchveröffentlichungen an – mal mit dem Titel „Die Masern-Intrige“, mal mit dem Titel „Impfen – das Spiel mit dem Feuer“. Kein einziges dieser Bücher ist bisher erschienen. Interview-Anfragen beantwortet sie neuerdings nur noch schriftlich: Weil ihr immer wieder der „Stempel verantwortungslose Spinnerin“ aufgedrückt worden sei, wie sie per E-Mail mitteilt.

    Mehr Menschen zum Impfen bewegen

    Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr lässt unterdessen seine Mitarbeiter prüfen, wie noch mehr Menschen dazu bewegt werden können, sich um einen ausreichenden Masern-Impfschutz zu kümmern – und so vielleicht ihr eigenes Leben oder das von anderen zu retten. Im Ministerium werden vor allem zwei mögliche Veränderungen überprüft: Die eine Idee ist, schon beim Eintritt der Kinder in Kindertagesstätte oder Kindergarten den Impfstatus zu erfragen. Bisher wird das in Deutschland standardmäßig erst beim Schulbeginn gemacht.

    Außerdem, so der Vorschlag des Gesundheitsministers, sollen Schulen die Möglichkeit bekommen, nicht geimpfte Kinder zu deren eigenem Schutz vom Unterricht auszuschließen, wenn einer ihrer Mitschüler erkrankt.

    Impfen ist die ideale Prävention

    „Eine Impfung ist der beste Schutz gegen eine Krankheit. Das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene“, erklärte Deutschlands oberster Gesundheitswächter Bahr kürzlich gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Und sein Kollege in Bayern, Gesundheitsminister Marcel Huber, sagt gegenüber unserer Zeitung: „Impfen ist eine ideale Prävention – ohne großen Aufwand, aber mit großer Wirkung und größtmöglicher Sicherheit. Durch Impfen schützt man sich und seine Mitmenschen vor schweren Infektionen.“

    Ausrottung war eigentlich bis 2000 geplant

    Bis zum Jahr 2000 hätten die Masern in Europa ausgerottet sein sollen – dieses Ziel hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 1984 ausgegeben. Doch daraus wurde nichts. Auch nicht aus dem neu ausgerufenen Termin 2010. Der jetzt anvisierte Zeitpunkt liegt im Jahr 2015. „Bis 2015 soll es im Freistaat keine Masernerkrankungen mehr geben“, sagt auch Bayerns Gesundheitsminister.

    Das Problem ist nur: Nachdem die Zahl der Masern-Fälle in Deutschland im vergangenen Jahr relativ gering war, verteilen sich die Viren derzeit wieder massiv: 1276 Fälle von Masern-Erkrankungen hat das Robert-Koch-Institut in diesem Jahr in Deutschland schon registriert. Mehr als 540 davon wurden in Bayern gemeldet, über 300 davon in und um München.

    Jugendliche und Erwachsene sollten ihren Schutz überprüfen

    Mutmaßungen, dass die rasante Verbreitung des Virus in der Landeshauptstadt etwas mit der Siegesfeier des FC Bayern zu tun haben könnte, haben sich bis jetzt nicht bestätigt. Auch ums Leben gekommen ist, soweit dem RKI bekannt, bei der jetzigen Masern-Welle glücklicherweise bisher noch niemand. Dennoch schlagen die Behörden Alarm – und bitten die gesamte Bevölkerung, ihren Impfschutz zu prüfen. Denn etwa die Hälfte der Menschen, die sich in diesem Jahr mit der „Kinderkrankheit“ infizierten, ist älter als 20 Jahre.

    Damit die Krankheit ausgerottet werden kann, müsste rechnerisch 95  Prozent der Bevölkerung gegen die Viren immun sein. Bei den übrigen fünf Prozent sprechen die Ärzte dann von „Herdenschutz“ – sie würden durch die Immunität der Masse profitieren, in der sie sich befinden. Dafür sind nicht nur die Eltern von Kleinkindern gefragt. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene wollen Gesundheitsministerium und Ärzte dazu bewegen, ihren Masern-Impfstatus zu prüfen – und im Zweifel aufzufrischen.

    Denn bis zum Jahr 1991 wurden Kinder in Deutschland standardmäßig nur ein Mal gegen Masern geimpft. Diese Methode, so stellte sich im Lauf der Jahre heraus, macht aber nur in neun von zehn Fällen immun. Deshalb wurde im Jahr 2010 eine für die Patienten kostenlose Masernimpfung eingeführt. Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts rät zu dieser Nach-Impfung – allerdings nur für Menschen, die nach 1970 geboren wurden. Denn in diesem Jahr wurde die Masern-Impfung in Deutschland eingeführt. Und wer früher geboren wurde, so nimmt man an, war mit hoher Wahrscheinlichkeit schon irgendwann einmal an Masern erkrankt – und sollte deshalb nun immun sein.

    Auf drei Tage Husten und Fieber folgt der juckende Ausschlag

    Dass das aber nicht für alle Deutschen in dieser Altersklasse gilt, wurde vor kurzem schon in der Berliner Charité sichtbar. Dort erkrankte ein 43-jähriger – ungeimpfter – Kinderarzt an Masern. Der Mann steckte wahrscheinlich eine seiner Patientinnen an – zumindest zeigte ein kleines Mädchen, das bei ihm in Behandlung war, kurz darauf ebenfalls die Symptome.

    Trotz seiner medizinischen Ausbildung hatte der Arzt seine eigene Erkrankung zunächst als Erkältung bewertet. Denn Masern sind tückisch. Bevor sich die charakteristischen roten und juckenden Pusteln auf der Haut zeigen, leiden Infizierte in der Regel erst einmal zwei bis drei Tage nur an Husten und starkem Fieber. Ohne zu erkennen, woran sie eigentlich erkrankt sind, verteilen deshalb viele Patienten die hochansteckenden Viren in dieser Zeit ahnungslos an ihre Mitmenschen.

    Nach diesem sogenannten Vorläuferstadium, das drei bis vier Tage dauert, sinkt das Fieber zunächst wieder ein bisschen. Ein zweiter extremer Fieberanstieg bringt dann den großfleckigen Ausschlag mit sich, der sich von den Ohren aus über das Gesicht nach unten und über den ganzen Körper verteilt.

    Ärzte können nur die Symptome lindern

    In fünf bis fünfzehn Prozent der Fälle kommt dazu eine Mittelohrentzündung, in zehn Prozent eine Lungenentzündung. Weil die Masern eine Virus-Erkrankung sind, lassen sie sich nicht mit Medikamenten stoppen, erklärt Jakob Berger, schwäbischer Vorsitzender des Hausärzteverbandes: „Wir können nur die Symptome lindern."

    Bestenfalls, heißt es beim Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte, hat der Patient das Schlimmste nach zwei Wochen überstanden. Schlimmstenfalls schädigt die Erkrankung das zentrale Nervensystem, verursacht eine Hirnhautentzündung oder setzt sich, unbemerkt, im Körper fest, um – wie bei Michael und Natalie in Nordrhein-Westfalen – nach Jahren als sogenannte subakute sklerotisierende Panezephalitis (SSPE)-Schädigung des Gehirns wieder aufzutreten, die nach Angaben des Ärzteverbandes immer tödlich verläuft.

    Impfkritikerin Angelika Müller will davon nichts wissen. Die Impfentscheidung, erklärt sie, sei eine „Glaubensfrage“, abgesehen davon ist sie der Meinung, die wissenschaftlichen Statistiken bestünden aus „Ungenauigkeiten oder Unsicherheiten“.

    Gesundheitsminister Huber will den „mündigen Bürger“

    „Diese Impfgegner sind nicht besonders zahlreich, aber die wenigen sind laut und verbreiten fast schon missionarisch ihre Falschaussagen und Halbwahrheiten“, sagt der Mediziner Martin Terhardt vom Verband der Kinder- und Jugendärzte: „Dadurch gefährden sie nicht nur ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder, sondern auch das von anderen Menschen.“ Bayerns Gesundheitsminister Marcel Huber sagt: „Wir wollen mündige Bürger, die sich bewusst und aus Überzeugung für das Impfen entscheiden.“

    Die Eltern des kranken Buben, der in Nordrhein-Westfalen sechs andere Kinder ansteckte, waren Impfgegner. Terhardt sagt: „Wenn der Junge geimpft gewesen wäre, würden Natalie und Michael heute noch leben.“

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