Rund 29.000 Menschen in Europa wurden mit HIV diagnostiziert. Damit ist die Zahl der neu entdeckten Infektionen nach Angaben von Gesundheitsorganisationen in den Ländern der EU und des europäischen Wirtschaftsraums leicht rückläufig. Zugleich aber wüssten Tausende noch nichts von ihrer Erkrankung mit HIV, da sie oft erst nach Jahren entdeckt werde.
HIV-Infektion: Späte Diagnose erhöht Risiko
Etwa jede zweite Diagnose mit HIV werde erst in einem späten Stadium gestellt, teilten das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Dienstag mit. Dadurch hätten Patienten weitaus schlechtere Aussichten und das Risiko einer Ansteckung steige, erklärte ECDC-Direktorin Andrea Ammon. "Im Schnitt dauert es drei Jahre von der Infektion bis zur Diagnose - was viel zu lang ist."
Wird eine HIV-Infektion nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, entsteht daraus die Immunschwächekrankheit Aids.
Kampf gegen Aids - Von der ersten Infektion zur effektiven Therapie
1900: Vermutlich um die Jahrhundertwende geht ein HIV-Urtyp (SI-Virus) in Afrika vom Affen auf den Menschen über.
1959: Ärzte entnehmen einem Mann im Kongo eine Blutprobe. Jahrzehnte später wird festgestellt, dass sich darin HIV-Antikörper befinden.
1981: Die US-Gesundheitsbehörden melden, dass immer mehr Homosexuelle unter bis dahin seltenen Infektionen und Hauttumoren leiden.
1982: Krankheitsfälle treten auch bei Drogenabhängigen und Blutern auf. Die Krankheit bekommt den Namen Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome, Erworbenes Immunschwäche-Syndrom). In Deutschland wird die erste Aids-Diagnose gestellt.
1983: Luc Montagnier und seinen Kollegen vom Pasteur-Institut in Paris gelingt es, das Aids-Virus zu isolieren. Der New Yorker Arzt Joseph Sonnabend benutzt erstmals den Begriff "Safer Sex". Auch in Deutschland wird verstärkt über das Thema Aids berichtet.
1984: Robert Gallo entwickelt ein Zellkultursystem und schafft damit die Voraussetzung für die Entwicklung erster Aids-Tests.
1985: Die erste internationale Aids-Konferenz tagt. 27 Millionen deutsche Haushalte bekommen Informationsbroschüren zugeschickt.
1986: Experten bezeichnen den Erreger einheitlich als HIV (Human Immunodeficiency Virus, Humanes Immunschwächevirus).
1987: Das erste Aids-Medikament AZT wird in den USA und wenig später auch in Deutschland zugelassen. Es kann die Virus-Vermehrung etwas bremsen.
1991: Die rote Schleife (Red Ribbon) wird zum internationalen Aids-Symbol. Queen-Sänger Freddie Mercury stirbt an HIV.
1996: Für Aufsehen sorgt die Entdeckung, dass einige Menschen eine genetisch bedingte, wenn auch nicht vollständige HIV-Resistenz haben.
1999: Schweizer Ärzte haben außergewöhnlichen Erfolg mit einer Hochdosis-Kombinationstherapie aus mehreren Medikamenten (HAART), in der Folge wird diese Strategie zur Standardbehandlung.
2002: Der Globale Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria wird zur Finanzierung nationaler Maßnahmen gegen diese Krankheiten gegründet.
2003: Mit dem Fusionshemmer Enfuvirtid (Handelsname Fuzeon) kommt in den USA und der EU eine vierte Klasse von Aids-Medikamenten auf den Markt, nach den sogenannten Nukleosiden, Protease-Hemmern und Transkriptase-Hemmern.
2008: Luc Montagnier wird gemeinsam mit Françoise Barré-Sinoussi für die Entdeckung von HIV der Medizin-Nobelpreis verliehen.
2010: Barack Obama hebt das in den USA seit 1987 geltende Einreiseverbot für HIV-Positive auf.
2014: Bei dem zunächst als "funktionell geheilt" geltenden "Mississippi-Baby" entdecken Ärzte erneut das HI-Virus. Das Mädchen war kurz nach der Geburt mit drei Medikamenten behandelt worden, nach einem halben Jahr entzog es die Mutter einer weiteren Therapie. Monate später war das Kind dennoch virenfrei gewesen. Dies bezeichneten Mediziner als Sensation - bis der Erreger doch wieder auftauchte.
2016: Die Vereinten Nationen sprechen von einem Wendepunkt der Aids-Epidemie in Afrika. Zum ersten Mal würden auf dem Kontinent mehr Betroffene behandelt als sich neu infizieren.
Gefahr durch HIV: Zahl der Infektionen im Großraum Europa steigt
Im Großraum Europa, zu dem die WHO neben den EU-Staaten auch Länder wie Russland, Kasachstan und Usbekistan zählt, gab es dem Report zufolge 2016 sogar 160.000 neue HIV-Diagnosen. Damit sei die Region die weltweit einzige mit steigenden Infektionszahlen. Die höchste Infektionsrate wurde mit 33,7 HIV-Diagnosen pro 100.000 Einwohnern in der Ukraine gemessen. Unter den EU-Ländern liegt Lettland mit 18,5 Diagnosen pro 100.000 Einwohnern vorn.
In Deutschland steckten sich nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) im vergangenen Jahr etwas mehr als 3000 Menschen an. Geschätzte 12.700 der 88.400 Menschen mit HIV hierzulande wüssten nicht, dass sie infiziert seien. 460 Menschen starben nach RKI-Daten vergangenes Jahr mit oder an HIV. dpa/sh
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