Gesunkene Energiepreise haben die Inflation in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit rund dreieinhalb Jahren gedrückt. Im September lagen die Verbraucherpreise um 1,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden in einer ersten Schätzung mitteilt. Geringer war die Teuerung zuletzt im Februar 2021 mit einer Rate von 1,5 Prozent.
Das Abebben der Inflation ist eine gute Nachricht für die schwache deutsche Wirtschaft und die Verbraucher, die wegen der Energiekrise und gestiegener Lebensmittelpreise langfristig an Kaufkraft verloren haben. Zudem bekommt die Europäische Zentralbank (EZB) mit sinkender Inflation Argumente für weitere Leitzinssenkungen. Ökonomen erwarten, dass die Inflation in Deutschland zunächst unter der Marke von zwei Prozent bleibt, aber zu Jahresende wieder anzieht.
Energiepreise sinken - Tanken günstiger
Hauptgrund für den überraschend starken Rückgang der Inflation im September waren kräftig sinkende Energiepreise, die um 7,6 Prozent zum Vorjahreszeitraum nachgaben. So hat sich Rohöl an den Börsen im Sommer verbilligt - das spüren Verbraucher bei Heizöl und an der Tankstelle. Der Diesel- und Benzinpreis fiel zuletzt auf einen Tiefstand seit Ende 2021. Auch Strom wurde im ersten Halbjahr etwas günstiger, wie das Bundesamt berichtet.
Lebensmittel verteuerten sich dagegen im September nochmals um 1,6 Prozent, während die Preise für Dienstleistungen deutlich anzogen - eine Folge gestiegener Löhne. Viele Gewerkschaften haben infolge der Inflationswelle hohe Tarifabschlüsse durchgesetzt.
Inflationswelle vorbei - aber keine Entwarnung
Schon in den vergangenen Monaten hat sich der Preisauftrieb abgeschwächt. Die Verbraucherpreise lagen im August um 1,9 Prozent über Vorjahresniveau nach 2,3 Prozent im Juli. Zum Vergleich: Ihren Höchststand hatte die Inflation im Herbst 2022 mit einer Rate von fast neun Prozent erreicht.
Trotz des Rückgangs im September bleibt ein Wermutstropfen: Die viel beachtete Kerninflation ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Lebensmittel sank nur leicht von 2,8 auf 2,7 Prozent.
Das Inflationsproblem in Deutschland sei noch nicht ganz gelöst, meint Sebastian Becker, Volkswirt bei Deutsche Bank Research. «Denn dazu müsste auch die noch immer erhöhte Kerninflationsrate spürbar zurückgehen.» Doch der hohe Lohndruck werde dafür sorgen, dass die Dienstleistungs- und damit auch die Kerninflation nur langsam sinke.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, verweist ebenfalls auf die gestiegenen Preise bei Dienstleistungen, die etwa beim Restaurant-Besuch spürbar sind: Der Auftrieb bei den Dienstleistungspreisen werde die Inflationsrate in den kommenden Monaten wieder über die Zwei-Prozent-Marke treiben. Zudem werde der preisdämpfende Effekt der Energiepreise an Kraft verlieren, meint Christoph Swonke, Konjunkturanalyst bei der DZ Bank.
Weniger Unternehmen wollen Preise erhöhen
Ökonomen haben bereits damit gerechnet, dass die Inflation abebbt. In ihrem kürzlich veröffentlichten Herbstgutachten erwarten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für dieses Jahr einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,2 Prozent - nach 5,9 Prozent 2023. Im kommenden Jahr werde die Inflation dann nur noch bei 2,0 Prozent liegen.
Nach einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts wollen immer weniger Unternehmen ihre Preise erhöhen. «Die wirtschaftliche Krise verringert die Spielräume für die Unternehmen, ihre Preise anzuheben», sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Er glaubt, dass die Inflationsrate in Deutschland absehbar unter der Zwei-Prozent-Marke bleibt, die die Europäische Zentralbank anstrebt.
Konsum stockt trotzdem
Der Rückgang der Inflation in Deutschland hat bisher allerdings nicht die Konsumlaune der Verbraucher angekurbelt. Laut GfK-Konsumklimaindex verharrte die Stimmung im September auf niedrigem Niveau - und das, obwohl die Löhne zuletzt stärker wuchsen als die Verbraucherpreise und den Menschen so mehr Geld in der Tasche bleibt.
Der private Konsum ist die wichtigste Hoffnung für die deutsche Wirtschaft, die am Rande der Rezession steht. Doch viele Menschen legen ihr Geld lieber auf die hohe Kante, anstatt es in den Bau eines Eigenheims oder für den Konsum auszugeben, befanden auch die Ökonomen in ihrem Herbstgutachten. Sie erwarten dieses Jahr ein leichtes Schrumpfen der deutschen Wirtschaft.
Mehr Spielraum für EZB
Fällt die Inflation in Deutschland und im Euroraum insgesamt, verschafft das der EZB Spielraum für weitere Leitzinssenkungen. Zuletzt senkte die Notenbank den richtungsweisenden Einlagenzinssatz um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent. An den Börsen wird fest mit weiteren Zinsschritten in den kommenden Monaten gerechnet. Beobachter rätseln aber, ob die EZB schon bei ihrem nächsten Zinsentscheid im Oktober nachlegt oder erst im Dezember.
«Angesichts der schwachen Konjunkturdaten kommt die Europäische Zentralbank unter Druck, ebenso wie die US-Notenbank die Zinsen schneller zu senken», meint Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Zinssenkungspanik sei aber fehl am Platz. Und Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnt: «Die EZB sollte sich gut überlegen, ob sie wirklich den Terminmärkten folgt, die bereits für Oktober die nächste EZB-Zinssenkung erwarten.»
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