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Foto: David Oller, dpa
Foto: David Oller, dpa

Spanien hat im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen gegen russische Oligarchen diese Luxus-Jacht festgesetzt.

Ukraine-Krieg
15.10.2022

Wirken die Sanktionen gegen Russland?

Von Katrin Pribyl

Seit Februar hat die EU acht Sanktionspakete gegen Russland beschlossen. Wie ist der Stand der Dinge? Und treffen die Maßnahmen Russland wirklich so hart wie gewünscht?

Ob Kohle oder Kaviar, Eisen und Edelmetalle, Stahlerzeugnisse, Swift oder Silber, Finanzen, Make-up, Möbel oder Maschinen – die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland zielen auf Privatvermögen über Luxusgüter bis zu Schlüsselbranchen ab, umfassen Import- und Exportstopps wie auch unter anderem ein Öl-Embargo. Seit Februar hat die Staatengemeinschaft acht Pakete verabschiedet und mittlerweile scheint es einfacher zu sein, jene Bereiche und Produkte aufzuzählen, die nicht von den Maßnahmen betroffen sind. Das Ziel bleibt dasselbe: Die russische Wirtschaft soll geschwächt und die Kosten des Kriegs sollen für Moskau erhöht werden. Dabei zeigte sich Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis von der jüngsten Einigung enttäuscht. Manchmal habe man beim Lesen der vorgelegten Dokumente den Eindruck, „dass es mehr Ausnahmen als Sanktionen gibt“, urteilte er.

Denn das Paket enthält zwar beispielsweise eine Preisobergrenze für russisches Erdöl. Versicherungskonzerne und Reedereien sollen mit der Maßnahme daran gehindert werden, Dienstleistungen für russische Öltanker anzubieten, die einen bestimmten Preis übersteigen. Doch weil Griechenland, Zypern und Malta große Schifffahrtsindustrien unterhalten und sich wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen gegen die Sanktion lange gewehrt hatten, wurden ihnen erhebliche Zugeständnisse versprochen.

Düngemittel, Diamanten und Uran importiert die EU weiter aus Russland

Zudem verhängte die Union auch zuletzt keine Beschränkungen für die Einfuhr von Düngemitteln, Aluminium oder den Handel mit Diamanten, der besonders für Belgien bedeutend ist. Auch die russische Atomindustrie blieb unberührt, sodass die Europäer weiterhin Uran und Kerntechnik importieren können.

„Man muss abwägen“, sagt Philipp Lausberg vom European Policy Centre (EPC) in Brüssel. Dünger etwa auf die schwarze Liste zu setzen, würde Europas Landwirtschaft zu sehr schaden. Und einige EU-Mitgliedstaaten hängen von der Lieferung von Nuklearmaterial ab. Man könne es sich „einfach nicht leisten, die Atomkraftwerke abzustellen“, so der Analyst. Mehr als ein halbes Jahr nach der russischen Invasion in der Ukraine sei die EU aufgrund der hohen Energiepreise und der außergewöhnlich hohen Inflation mit einer zunehmenden „Sanktionsmüdigkeit“ konfrontiert, konstatiert Simone Tagliapietra von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Die Ermüdung spiegele auch die Wahrnehmung wider, dass die derzeitigen Sanktionen Russland nicht genug wirtschaftlichen Schaden zufügen. Aber treffen sie Moskau am Ende wirklich nicht so hart wie gewünscht?

Die Wirtschaft in Russland schrumpft

„Die Sanktionen wirken, aber mit einer Verzögerung“, sagt Lausberg. Ob man die russische Autoindustrie als Beispiel anführt, die dichtmachen musste, oder den durch die Exportbeschränkungen bedingten Mangel an Hochtechnologien wie Mikrochips für Raketen oder Flugzeugteile sowie den Rückzug von westlichen Firmen wie Adidas oder Ikea: „Die russische Wirtschaft ist viel mehr in ihrem Fundament getroffen als die europäische“, so Lausberg. Und es gehe weiter „schwer bergab“, wobei „einer der größten Hämmer noch gar nicht da“ sei: das Ölembargo, das ab Dezember teilweise und ab Februar komplett in Kraft tritt. „Das wird Russland sehr wehtun“, prophezeit der Politikwissenschaftler.

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Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostizierte etwa, das Bruttoinlandsprodukt Russlands werde 2022 um 3,4 Prozent zurückgehen und 2023 noch einmal um 2,3 Prozent schrumpfen. Tagliapietra spricht ebenfalls von „erheblichen Auswirkungen“ der Sanktionen, vorneweg aufgrund der Energieabkopplung der EU und der Unfähigkeit Russlands, alternative Exportländer zu finden. Das füge der russischen Wirtschaft „schweren und strukturellen Schaden“ zu. Trotzdem weisen die Anti-Putin-Regeln noch Lücken auf. Finanztransaktionen etwa sind weiterhin möglich mit einem Umweg über beispielsweise chinesische Konten.

Kreml-Sprecher Peskows Tochter ärgert sich, nicht mehr in die USA zu dürfen

Zu den derzeitigen Problemen gehört laut Lausberg außerdem, wenn Sanktionen sich in den verschiedenen Ländern unterscheiden. „Es bedarf einer stärkeren weltweiten Koordinierung“, fordert auch Tagliapietra. Noch ist unklar, wann das nächste Paket von der EU-Kommission vorgestellt wird, aber Lausberg könnte sich vorstellen, dass sie dann Wladimir Putins Umfeld stärker ins Visier nimmt, nachdem bereits hunderte Spitzenpolitiker, Oligarchen und Militärs auf der schwarzen Liste stehen, aber nicht deren Familien. „Die Amerikaner machen das besser“, findet der Experte.

So sanktionierten diese auch das Umfeld von Russlands Elite, etwa das des Kreml-Sprechers Dmitri Peskow. Dessen Tochter lebt im Luxus in Paris und bezeichnete es vor einigen Monaten als „ungerecht“, dass sie nicht mehr in die USA reisen dürfe.

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