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Schwäbisch-Hall-Chef glaubt, dass Bauen lange teuer bleibt

Interview

Schwäbisch-Hall-Chef: „Wir bauen immer teurer in Deutschland“

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    Der Schwäbisch-Hall-Chef glaubt, dass Bauen lange teuer bleibt.
    Der Schwäbisch-Hall-Chef glaubt, dass Bauen lange teuer bleibt. Foto: Bernd Weißbrod, dpa (Symbolbild)

    Herr Kammann, die Immobilien-Lage in Deutschland wird immer angespannter: Baukosten steigen, die Zahl der Baugenehmigungen befindet sich auf einem Dauer-Tiefstand, Mietwohnungen in Ballungsräumen werden knapp und so steigen dort die Mieten. Was läuft schief?

    Mike Kammann: Die Rahmenbedingungen für den Immobilien-Erwerb haben sich deutlich verschlechtert. Wir bauen immer teurer in Deutschland, weil neben gestiegenen Baumaterialpreisen und gestiegenen Zinsen auch immer neue Verordnungen und Energieeffizienz-Richtlinien die Preise nach oben treiben.

    Wie dramatisch ist die Lage?

    Kammann: Nun liegt der durchschnittliche Preis für einen Quadratmeter einer Neubau-Immobilie bei rund 4400 Euro. Trotz immenser Kosten-Steigerungen ging die Rechnung bis 2021 immer auf, weil die Hypotheken-Zinsen niedrig waren. Dann kam 2022 die Zinswende und die Europäische Zentralbank hat die Zinsen massiv um 400 Basispunkte erhöht. Damit hat sich eine Spielregel grundlegend geändert.

    Welche Folgen hat die Änderung dieser Spielregel?

    Kammann: Von 1980 bis 2021 wurde es immer erschwinglicher, also günstiger, eine Immobilie zu erwerben. Nach dem Wiederbereinigungs-Boom gab es Überkapazitäten in der Bauindustrie, sodass die Branche ihre Leistungen günstiger anbieten konnte beziehungsweise musste. Dann hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen auf null gesenkt. Dank dieses Schritts konnten sich Menschen etwa ein Drittel einer Immobilie mehr leisten, auch wenn die Immobilienpreise mit der Zeit wieder deutlich angestiegen sind. Der Zinseffekt hatte bis 2021 die steigenden Baukosten überkompensiert. Mit dem Zinsanstieg hat sich die Situation für Käufer wieder verschlechtert. Damit haben wir ein Kosten-Problem in der Baubranche.

    Wie lässt sich das Problem lösen?

    Kammann: Wir werden dieses Kosten-Problem am Bau in den nächsten fünf sechs Jahren nicht lösen.

    Bauen bleibt also lange teuer?

    Kammann: Genau. Selbst, wenn die Bundesregierung jetzt handeln würde, bliebe Bauen fünf, sechs Jahre auf dem hohen Kosten-Niveau. Es dauert, ehe sich Reformen kostensenkend auswirken. Dabei wird diese Regierung bis zur Bundestagswahl wohl keine Reformen für preiswerteres Bauen anpacken. Und da zu wenige neue Wohnungen gebaut werden, steigen die Mieten gerade in den Ballungsgebieten weiter. Menschen können es sich nicht leisten, eine Wohnung zu kaufen und suchen Mietwohnungen. Durch die starke Nachfrage wird der Preis nach oben getrieben. Solch hohe Mieten können sich aber viele nicht leisten. Das ist sozialer Sprengstoff.

    Wie reagiert die Politik darauf?

    Kammann: Sie schreibt Förderprogramme für den Wohnungsbau aus, zum Teil als Sofort-Abschreibe-Programme. Doch die Nutznießer dieser Förderprogramme sind überwiegend Fremdnutzer, also Kapitalanleger. Es ist aktuell wirtschaftlicher, sich eine Immobilie zu kaufen und sie zu vermieten, als selbst in dieser Wohnung zu leben. Das ist meines Erachtens eine von der Politik verursachte Fehlsteuerung.

    Dabei strebt die Bundesregierung an, dass jährlich 400.000 neue Wohnungen gebaut werden.

    Kammann: Das schaffen wir dieses Jahr bei Weitem nicht. Es werden wohl nur 210.000 und nächstes Jahr 200.000 bis 220.000. Die Lücke zur Zahl der notwendigen neuen Wohnungen wird immer größer - und das in Zeiten eines Bevölkerungs-Zuwachses in Deutschland. Da droht die Gefahr weiterer gesellschaftlicher Verwerfungen.

    Da müsste die Politik doch sofort handeln und Bauauflagen senken und damit Baukosten deutlich verringern. Schließlich steckt Deutschland „mitten in einer Wohnungsbaukrise“, wie der Zentralverband des deutschen Handwerks beklagt.

    Kammann: Meine Sorge ist, dass die Politik die Wunde nicht heilt und nur ein Pflaster draufklebt, also in Ballungsräumen hier und da etwas mehr Sozialwohnungen bauen lässt. Dabei erkenne ich an, dass die Bundesregierung mit dem Gebäude-Typ-E-Gesetz Bauen günstiger und unbürokratischer machen will.

    Wie soll das funktionieren?

    Kammann: Bei diesem Gebäude-Typ E-Modell kann der Bauträger von hohen und teuren Standards nach unten abweichen, ohne dass etwa am grundsätzlichen Schutzbedürfnis, zum Beispiel dem Feuerschutz, gespart wird. Bei diesem Gebäude-Typ-E-Modell muss nicht immer der Gold-Standard, also der höchste Energie-Effizienz-Standard eingehalten werden. In Bayern wurde diese Reform bereits als Pilot umgesetzt. Dadurch können die Baukosten um mindestens zehn Prozent gesenkt werden.

    Muss das bayerische Vorbild bundesweit Schule machen?

    Kammann: Ja, natürlich. Es bedarf aber mehr: In Deutschland fehlt ein Masterplan für den Wohnungsbau. Genau so einen Masterplan bräuchten wir über die betroffenen Bundes-Ressorts, also das Bau-, Finanz- und Klimaministerium hinweg. Doch solch ein ressortübergreifendes Handeln wird bis zur nächsten Bundestagswahl eher unwahrscheinlich bleiben. Der heraufziehende Bundestagswahlkampf führt leider dazu, dass viele akute Themen liegen bleiben werden. Doch die schwierige Lage des Immobilienmarktes wird uns in zwei, drei Jahren auf die Füße fallen. Das ist nicht nur sozialer, sondern wirtschaftlicher Sprengstoff.

    Können sich junge Familien angesichts der in vielen Regionen Süddeutschlands hohen Preise noch ein Häuschen leisten?

    Kammann: Nach Umfragen wollen 80 Prozent der Menschen in den eigenen vier Wänden leben. Diese Sehnsucht prägt auch junge Menschen, die zwischen 1995 und 2010 zur Welt gekommen sind und zur Generation Z gehören. Dieser große Wunsch jüngerer Menschen nach dem eigenen Heim hat mich überrascht. Da heute Frauen und Männer im Schnitt erst mit über 40 Jahren ihren Traum von der eigenen Immobilie verwirklichen, wird es noch oft länger dauern, bis die Generation Z zu Häuslebauern wird.

    Was muss diese Generation jetzt tun?

    Kammann: Diese Generation muss möglichst früh Eigenkapital für eine Immobilie aufbauen, sonst wird es schwierig, eine Immobilie zu kaufen. Schließlich steigen mittelfristig nach unserer Prognose die Zinsen, sodass man sich Gedanken machen muss, wie sich der Zinsanstieg abfedern lässt.

    Wie funktioniert diese Abfederung?

    Kammann: Ein Element der Finanzierung einer Immobilie ist ein Bausparvertrag. Hier bauen Menschen, die später eine neue Immobilie kaufen oder eine bestehende sanieren wollen, mit staatlicher Förderung Eigenkapital auf, um sich einmal einen Kredit zu einem festen Zinssatz zu sichern. In den letzten zwei Jahren gab es einen Ansturm auf Bausparverträge. Viele junge Leute haben Bausparverträge abgeschlossen.

    Ist Bausparen plötzlich sexy?

    Kammann: Auch unter jungen Leuten ist Bausparen sexy. Wir erleben seit 2022 ein regelrechtes Bauspar-Comeback. Oft sind es Opa und Oma, die für den Nachwuchs ihrer Kinder Bausparverträge abschließen und fleißig Geld für ihre Enkel ansparen. Und junge Menschen, die ihre Ausbildung beginnen, schließen selbst einen Bausparvertrag ab, in dem etwa die vermögenswirksamen Leistungen einfließen.

    Sollen Interessierte jetzt einen Bausparvertrag abschließen oder warten?

    Kammann: Ich würde jetzt den Bausparvertrag abschließen, weil Kundinnen und Kunden, was das spätere Darlehen betrifft, sich noch einen effektiven Zinssatz wie bei uns von 1,44 Prozent für später sichern können. Einen besseren Zinssatz werden sie zumindest auf der Darlehensseite in den nächsten Jahren nicht mehr bekommen.

    Der Bauspar-Boom hält trotz der schwierigen Lage auf dem Immobilien-Markt an. Doch können sich junge Menschen künftig wirklich bei all den Preissteigerungen eine Immobilie leisten?

    Kammann: Ja, wenn sie – neben frühzeitigem Eigenkapitalaufbau – den Gürtel enger schnallen und sich mit weniger Wohnraum, als das heute vielfach üblich ist, zufriedengeben. Meine Frau und ich haben drei Kinder. Wir leben auf knapp 150 Quadratmetern. Damit sind wir bundesweit unterdurchschnittlich unterwegs.

    Wie viele Quadratmeter gönnen sich die Menschen in Deutschland im Schnitt?

    Kammann: Im Schnitt 47 Quadratmeter. Dazu haben viele noch einen Tiefgaragen-Platz. Auch beim Wohnen gilt in Deutschland die Devise „Immer größer, immer schöner, immer hochwertiger“. Doch oftmals können sich Menschen ihren Wohntraum einfacher erfüllen, wenn sie ihre Ansprüche herunterfahren. Beispielsweise kann bei einem Haus etwa auf den Keller und die Garage verzichtet werden oder es wird die Wohnfläche um einige Quadratmeter reduziert. Das reduziert die Baukosten und macht die Finanzierung günstiger.

    Soll man jetzt eine Immobilie kaufen oder warten? Und soll man jetzt Häuser und Wohnungen verkaufen?

    Kammann: Die Immobilienpreise werden im Schnitt wieder steigen und tendenziell wird die Finanzierung nicht günstiger. Wer das nötige Eigenkapital und eine entsprechende Finanzierung in Aussicht hat, sollte meines Erachtens jetzt kaufen. Für Verkäufer ist es jedoch ein Geduldspiel. Wer drei bis fünf Jahre Zeit hat, kann warten und gegebenenfalls von der Preisentwicklung bei den Mieten und Immobilien profitieren. Immobilien werden auch auf lange Sicht nicht günstiger.

    Häuser mit einer schlechten Energiebilanz gibt es immer noch zu vergleichbar interessanten Preisen. Sollte man zugreifen?

    Kammann: Bei solchen Häusern spielt auch die sogenannte Muskel-Hypothek eine Rolle.

    Was ist das denn?

    Kammann: Menschen kaufen sich sanierungsbedürftige Häuser und richten sie in Eigenarbeit oder mit der Hilfe von Freunden und Nachbarn, also mit den Muskeln, wieder her. Der Anteil an Eigenleistung ist zuletzt in Deutschland gestiegen. Wer eine solche Immobilie kauft, um sie energetisch zu sanieren, sollte im Vorfeld auf jeden Fall Fachleute zurate ziehen, damit es später bei den Kosten keine böse Überraschung gibt.

    Mike Kammann, 50, wollte „schon immer was mit Zahlen machen“. So absolvierte er zunächst eine Banklehre, schaffte das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg in einem Abend-Gymnasium und studierte Betriebswirtschaftslehre. „Mathematik flog mir in der Schule zu und hat mir Spaß gemacht“, sagt er. Nach einer Zeit als Unternehmensberater kam der Diplom-Kaufmann 2013 zur Bausparkasse Schwäbisch Hall. 2020 stieg der aus Hamm in Westfalen stammende Manager in den Vorstand auf. Seit Januar ist Kammann Vorsitzender des Vorstands der Bausparkasse Schwäbisch Hall, der größten Bausparkasse Deutschlands. Geprägt hat den Vater von drei Kindern seine Zeit, als er aktiv im Verein Fußball spielte: „Da war es nicht wichtig, aus welchem Land ein Spieler kommt, es zählt allein die Leistungsbereitschaft als Team“. Kammann hat sich gegen Radikalismus gestemmt: „Die Schwäbisch Hall-Gruppe bezieht als Unternehmen mit genossenschaftlichen Werten wie etwa Solidarität und Partnerschaftlichkeit klar Position gegen Rassismus und Extremismus.“ Für Kammann „passen genossenschaftliche Werte nicht mit ausländerfeindlichen Positionen zusammen“.

    Als Bausparkasse und Dienstleister für das private Baufinanzierungsgeschäft der rund 700 Genossenschaftsbanken in Deutschland ist Schwäbisch Hall seit der Unternehmensgründung 1931 im genossenschaftlichen Bankensektor verankert. Hauptanteilseigner ist die genossenschaftliche Zentralbank DZ BANK (97,6 Prozent) in Frankfurt am Main. Schwäbisch Hall sieht sich mit rund 6,3 Millionen Kunden als die größte Bausparkasse Deutschlands. Für das Unternehmen arbeiten rund 6800 Menschen, darunter 3150 als selbstständige Kundenberater im Außendienst.

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