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Rettungsschirm: Milliarden für Spanien: Wirtschaftsweiser warnt

Rettungsschirm

Milliarden für Spanien: Wirtschaftsweiser warnt

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    Der Wirtschaftsweiser Peter Bofinger warnt die Bundesregierung vor übertriebenen Sparmaßnahmen.
    Der Wirtschaftsweiser Peter Bofinger warnt die Bundesregierung vor übertriebenen Sparmaßnahmen. Foto: Gero Breloer, dpa

    Trotz Kritik vieler Abgeordneter hat der Bundestag am Donnerstag mit breiter Mehrheit für das Milliardenpaket zugunsten spanischer Banken gestimmt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) begründete die Notwendigkeit der Hilfen mit der "Ausnahmesituation" auf den Finanzmärkten. Der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger warnte dagegen vor weiteren Sparmaßnahmen im Euroraum.

    "Die Sparpolitik wird überzogen", kritisierte das Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung am Freitag. Dies führe "die Krisenländer nur noch tiefer in eine Rezession".

    "Politik hat das Problem nicht erkannt"

    "Die Politik hat das Problem nicht erkannt", sagte Bofinger. Wenn das Sparen überzogen werde, schade dies der Konjunktur so stark, dass die finanzielle Situation eines Staats sich verschlechtere statt verbessere. "Wenn man diese Abwärtsbewegung nicht stoppt, können die Hilfen von Staaten für Staaten und Banken auch nicht allzu viel bewegen", warnte der Wirtschaftsweise.

    Spanien hatte am 25. Juni offiziell Hilfe aus dem Eurorettungsfonds EFSF für seine angeschlagenen Banken beantragt. Der Bundestag stimmte am Donnerstag dem Unterstützungsprogramm von bis zu 100 Milliarden Euro zu. Am Freitag wollen die Finanzminister der Eurogruppe das Hilfspaket in einer Telefonkonferenz endgültig absegnen. Im Gegenzug muss

    Bundestag: Kanzlermehrheit verpasst

    Die Koalitionsfraktionen hatten eine eigene Mehrheit mit insgesamt 301 Ja-Stimmen. Allerdings verpassten sie die sogenannte Kanzlermehrheit, nämlich mindestens 311 der insgesamt 620 Abgeordneten. Die meisten SPD- und Grünen-Abgeordneten stimmten trotz erheblicher Bedenken zu. Die Linken lehnen die Banken-Hilfen ab. Deutschland ist an den Hilfen mit knapp 30 Prozent Haftung beteiligt. Für Spanien werden zunächst nur 30 Milliarden Euro für den Notfall in Reserve gehalten.

    Worum geht es?

    Es geht um ein Hilfsprogramm, das Spaniens Banken zugute kommen soll. Diese hatten in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Kredite vergeben, die nun aufgrund einer geplatzten Immobilienblase und der schlechten Wirtschaftslage in dem südeuropäischen Land nicht mehr zurückgezahlt werden. Der Staat hat die Banken bereits mit Milliarden gestützt, ist aber aufgrund eigener Haushaltsprobleme mit der Rekapitalisierung des Finanzsektors überfordert.

    Hilfsprogramm zur Unterstützung für Bankensektor

    Ist das ein Hilfsprogramm wie vorher für Griechenland, Irland und Portugal?

    Nein. Diesmal ist das Geld nicht zur Unterstützung eines Staats gedacht, sondern "nur" für den Bankensektor. Deswegen sind die Auflagen weniger streng als zum Beispiel für Griechenland. Sie betreffen etwa nicht die Höhe von Mindestlohn und Renten, sondern vor allem die jeweiligen Banken und den spanischen Finanzsektor insgesamt. Das Geld wird aber nicht direkt an die Geldhäuser gezahlt, sondern an den staatlichen Bankenrettungsfonds FROB, der es unter Auflagen an die bedürftigen Institute weiterreicht.

    Wieviel Geld erhalten die spanischen Banken?

    Rettungsschirme, EFSF und ESM

    Griechenland-Pleite, Rettungsschirme, Eurobonds, EFSF, ESM: Beim Thema Euro-Krisen schwirren etliche Fachbegriffe herum. Lesen Sie hier in Kurzform, was Sie zum Thema Rettungsschirme wissen müssen.

    EFSF steht für Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility) und ist eine Aktiengesellschaft, die notleidenden Euro-Staaten helfen soll. Sollte ein EU-Land in Not geraten, kann die im Juni 2010 gegründete EFSF Anleihen bis zu 440 Milliarden Euro ausgeben. Dafür haften die Euro-Länder.

    Kritik am EFSF: Im Vertrag von Maastricht wurde eine so genannte Nichtbeistands-Klausel (No-bailout-Klausel) vereinbart, die die Haftung der Union oder einzelner Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten untersagt. Auf Druck des Nicht-Eurolandes Großbritannien wurde durchgesetzt, dass bei Krediten für Staaten, die Mitglieder der Eurozone sind, nur die übrigen Eurostaaten haften.

    Der EFSF soll bis Juni 2013 aktiv bleiben und dann abgelöst werden, nämlich vom ESM.

    ESM steht für Europäischer Stabilitäts-Mechanismus und ist der permanente Euro-Rettungsschirm. Seine wichtigsten Instrumente sind Notkredite und Bürgschaften für überschuldete EU-Staaten. Jedes Land, das Hilfe aus dem ESM erhält, muss im Gegenzug bestimmte wirtschaftliche Konsequenzen ziehen.

    Kritiker sagen, dass Rettungsschirme und Bürgschaften es Ländern erleichtern, Schulden zu machen. Wenn es wirklich eng wird, treten schließlich die anderen EU-Länder ein und helfen.

    Eurobonds: Darunter versteht man eine EU-Staatsanleihe. Das bedeutet, die Länder der EU würden gemeinsam Schulden aufnehmen - und auch gemeinsam für sie haften. Hinter der Idee steht die Hoffnung, dass die Kreditwürdigkeit der Eurozone als Ganzes von den Finanzmärkten und den Ratingagenturen höher eingeschätzt wird als die seiner einzelnen Mitgliedstaaten.

    Die Befürworter dagegen erklären, dass notleidenden EU-Staaten geholfen werden muss. sie warnen vor einem Domino-Effekt. Heißt: Wenn ein Land tatsächlich pleite geht, reißt es andere Länder mit sich.

    Innerhalb von anderthalb Jahren werden bis zu 100 Milliarden Euro ausgezahlt. Eine erste Tranche von 30 Milliarden Euro wird bereits vor Monatsende für akute Notfälle bereitgestellt. Bis in die zweite Septemberhälfte werden die Bücher der Banken weiter unter die Lupe genommen. Dann soll klar sein, welche Institute wieviel Hilfe brauchen - und welche in so hoffnungsloser Lage sind, dass sie abgewickelt werden. Dann wird das Geld in mehreren Raten ausgezahlt. Bevor jedoch Geld aus dem Hilfsprogramm an eine Bank fließt, sollen Anteilseigner und Investoren Verluste hinnehmen.

    Programm startet unter Rettungsschirm EFSF

    Woher stammt das Geld?

    Das Hilfsprogramm startet unter dem bisherigen Euro-Rettungsschirm EFSF und soll vom dauerhaften Rettungsfonds ESM übernommen werden, wenn dieser einsatzbereit ist. Das zieht sich aber wegen der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht noch mindestens bis September hin. Übernimmt der ESM das Programm, wird es zu den EFSF-Bedingungen fortgeführt. Das heißt: Sollte Spanien pleite gehen, wird der ESM ausnahmsweise nicht anderen Schuldnern bei der Rückzahlung von Krediten vorgezogen. Dadurch soll vermieden werden, dass private Investoren abgeschreckt - und Spaniens Probleme an den Märkten noch größer werden.

    Welche Auflagen müssen erfüllt werden?

    Die Banken müssen klar stellen, wie sie sich neu aufstellen wollen. Die EU-Kommission soll diese Pläne genehmigen. Für alle Institute wird verpflichtend, ihr Finanzpolster für Notfälle zu  erhöhen. Profitiert eine Bank von Finanzhilfen, werden die Gehälter ihrer Manager begrenzt. Die spanische Regierung muss bis Ende 2014 das übermäßige Staatsdefizit abbauen.

    Der spanische Staat haftet für Kredite

    Haftet der spanische Staat oder haften die Banken für die Kredite?

    Der spanische Staat, so versichert es Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Bundestagsabgeordneten. Die Euro-Länder haben aber beschlossen, eine einheitliche europäische Bankenaufsicht aufzubauen als Voraussetzung dafür, dass Banken in Zukunft direkte Hilfe aus dem ESM bekommen können. Dann könnte das Spanien-Programm umgewandelt werden. Ob dann Staat oder Banken haften, ist noch ungeklärt. Schäuble hat sich dafür ausgesprochen, dass auch dann die Staaten haften, Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker etwa sieht das aber anders. AZ/afp/dpa

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