Energie-Verschwendung? Deutschland regelt immer mehr Strom ab
Exklusiv Im ersten Halbjahr 2022 ist so viel Strom verpufft wie im gesamten Jahr davor, kritisieren CDU-Politiker Spahn und Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger. Es gäbe Alternativen.
Der zunehmende Ausbau von Wind- und Sonnenenergie führt immer häufiger dazu, dass zeitweise mehr Strom produziert werden könnte als das Netz aufnehmen kann. Die Windräder und Solaranlagen werden dann abgeschaltet, sie bleiben ungenutzt. Für das Energiekrisenjahr 2022 mit seinen besonders hohen Strom- und Gaspreisen deutet sich sogar eine Rekord-Menge bei der Abregelung an. Allein in den ersten beiden Quartalen 2022 ist fast genauso viel Strom abgeregelt worden wie im ganzen Jahr davor. CDU-Energieexperte Jens Spahn fordert deshalb die Bundesregierung auf, stärker gegen die Verschwendung vorzugehen.
Im ersten Quartal 2022 waren es 3285 Gigawattstunden Strom, die nicht mehr ins Netz aufgenommen werden konnten. Im zweiten Quartal wurden nochmals 2134 Gigawattstunden abgeregelt. Dies geht aus Zahlen der Bundesnetzagentur hervor. Zusammen ist dies fast so viel wie 2021, als insgesamt 5818 Gigawattstunden Strom abgeregelt wurden. Diese Menge entspricht ungefähr der Hälfte der Jahresproduktion des früheren Kernkraftwerks Isar 2. Die Zahlen für das Gesamtjahr 2022 stellt die Bundesnetzagentur in dieser Woche vor.
Jens Spahn, CDU: "An guten Tagen wird Strom teuer entsorgt"
Der stellvertretende Unionsfraktionschef Jens Spahn forderte die Bundesregierung angesichts der massiven Menge ungenutzten Stroms zu mehr Anstrengungen für Energiespeicheranlagen auf: "Fehlende Speichermöglichkeiten sind die Achillesferse der Erneuerbaren“, sagte Spahn. „An guten Tagen wird Strom teuer entsorgt, an schlechten kaufen wir Atomstrom aus Frankreich – und immer zahlen die Bürger“, kritisierte Spahn. „Es bräuchte dringend wirtschaftliche Anreize und die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Förderung von Speicher-Anlagen“, forderte der CDU-Politiker.
Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger bedauert ebenfalls die Entwicklung: "Die Abregelung von Strommengen im großen Stil ist ein Unding, welches dringend korrigiert werden muss", sagte er unserer Redaktion. Auch in den Jahren 2017 bis 2020 waren jeweils über 5000 Gigawattstunden abgeregelt worden.
Detlef Fischer, VBEW: "Müssten beim Netzausbau viel weiter sein"
Eine Ursache der zunehmenden Zwangsabschaltung von Windkraftanlagen und Solarparks liegt im deutlich langsameren Netzausbau: "Derzeit werden Erneuerbare-Energien-Anlagen erfreulicherweise sehr dynamisch ausgebaut", sagt Aiwanger. "Der Ausbau der Stromnetze, die den örtlichen Überschussstrom in die Verbrauchszentren liefern sollen, ist hingegen aufwendiger und zeitintensiver", erklärt er. "Sukzessive gehen jetzt aber neue und verstärkte Stromleitungen in Betrieb", betont er. Das Problem dürfte damit im Laufe der Zeit abnehmen.
"Natürlich müssten wir beim Netzausbau insbesondere bei den Übertragungsnetzen viel weiter sein", sagt Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). "Dieser wurde aber auch jahrelang von der Bayerischen Staatsregierung regelrecht blockiert", kritisiert er. "Jetzt hat es aber Klick gemacht, das freut uns sehr." Aber der Netzausbau sei nur ein Baustein der Lösung. "Wir müssen den überschüssigen Strom aus Wind- und Photovoltaikanlagen für die Dunkelflaute speichern und den Strom dann verbrauchen, wenn er zur Verfügung steht", fordert Fischer.
Hubert Aiwanger: Mit Überschuss-Strom Wasserstoff erzeugen
Eine bessere Nutzung des Überschuss-Stroms stellt sich auch Aiwanger vor: „Nutzen statt Abregeln ist die zentrale Botschaft", sagt der Freie-Wähler-Chef. "Wir müssen Strom in Überschusszeiten günstiger an Verbraucher abgeben und damit Angebot und Nachfrage besser zusammenbekommen", erklärt er.
Zudem schlägt Aiwanger vor, Überschuss-Strom zur Erzeugung von Wärme oder von Wasserstoff zu nutzen: "Speicher und Elektrolyse sind weitere Werkzeuge, die wir dringend ausbauen müssen", sagt Aiwanger. Überschussstrom könnte zum Beispiel genutzt werden, um über Heizstäbe Wärme in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu erzeugen. Damit ließen sich fossile Energieträger ersetzen. "Ein riesiges Potenzial hat auch Wasserstoff, den wir mit den Überschüssen aus der Stromernte in Elektrolyseuren erzeugen können", sagt Aiwanger. Wasserstoff sei entscheidend für die Dekarbonisierung der Industrie und von Teilen des Verkehrs. "Einen mächtigen Schub wird unser bayerisches Förderprogramm für Elektrolyseure mit einem Volumen von 150 Millionen Euro bringen, das in den Startlöchern steht."
Spahn verwies darauf, dass kommunale Energieversorger seit langem über fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen klagen, überschüssigen Windstrom billig mit sogenannten Power-to-Gas-Anlagen in künstliches Erdgas umwandeln zu können. „Früher hat Habeck das selbst heftig kritisiert“, sagte er. „Heute handelt er nicht – dabei ist das Problem größer denn je.“
Wird aus Storm grüner Wasserstoff hergestellt, entfällt die EEG-Umlage
Allerdings hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bereits wesentliche Verbesserungen für die Umwandlung von erneuerbaren Energien in Wasserstoff durchgesetzt. Inzwischen ist der Strom für die Herstellung von grünem Wasserstoff von Abgaben befreit, die lange Zeit die Umwandlung aus Windstrom unwirtschaftlich gemacht hatten. So entfällt seit diesem Monat endgültig die EEG-Umlage und es gibt eine Befreiung von anderen Netzumlagen.
Kritik gibt es auch daran, dass die Anlagenbetreiber für den abgeregelten Strom trotzdem eine Vergütung erhalten. "Die Anlagenbetreiber, die volatilen Strom aus Wind- und Photovoltaikanlagen produzieren, genießen seit über 20 Jahren ein Privileg wie kein anderer Produzent in unserem Land", sagt VBEW-Hauptgeschäftsführer Fischer. "Sie kommen auf ihr Geld, ob sie produzieren oder nicht", kritisiert er. "Das kann nicht die Lösung für alle Zeiten sein."
Der Gesetzgeber hatte die Entschädigung zuletzt zumindest reformiert. Die ausgezahlten Summen für den nicht-eingespeisten Strom fallen dadurch geringer aus. Im ersten Quartal 2022 flossen noch 92 Millionen Euro als Entschädigung, in zweiten Quartal waren es 56 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2021 wurden noch 238,3 Millionen Euro im ersten Quartal und 194,3 Millionen Euro im zweiten Quartal fällig.
Die Diskussion ist geschlossen.
@ Rudolf D. >>Das Geschwätz, dass wieder mal die Netze fehlen - alles nur Ablenkung - anstatt einfach anzufangen und die Kommunen zu stärken.<<
Leider ist es eine Illusion, dass wir mit mehr Solar- und Windanlagen weniger Stromnetze bräuchten. Ich habe auch lange dieser Illusion angehangen.
Doch wir brauchen ein Stromsystem mit allen vier Elementen: Erneuerbaren Energien, Lastmanagement, Netzverbund und mit Speichern.
Denn mit den "Überlandleitungen" können wir die Wetterunterschiede nutzen. Mal weht hier mehr Wind und scheint mehr Sonne und mal woanders. Stromtransport ist erheblich günstiger als Ein- und Ausspeichern und auch als das Vorhalten vieler nur wenige Stunden im Jahr benötigter Reservekraftwerke.
Raimund Kamm
Natürlich weiß ich dass es auch und vielleicht ursächlich am netzausbau liegt und dass wir das rasch lösen müssen.
Aber fangen wir doch bei dem naheliegenden an.
Immer wieder wird was ganz Globales in Höhe gehoben - am Besten etwas, was keiner von uns lösen kann!
Dann sinken wir alle in Resignation zusammen und heulen, dass wir die Welt nicht retten können - und doch so sehr wollen täten.... :-)
Fangen wir hier an, provozieren wir unsere Lokalplitiker.
Schließen wir uns als Bürger zu Stromerzeugungsgenossenschaften zusammen.
Da haben wir schneller und rationeller den nachhaltigen Strom mit dem wir uns eine kostengünstige Strahlungsheizung ins Haus machen können - wenn wir unseren eigenen Strom - vermutlich günstiger kaufen können. Das sind dann nicht nur 80% erneuerbare Energie - sondern 100%.
Das ist effektiver, als wenn jeder an seinem Haus herumkleckert und teure Firmen zu Gewinnhöhepunkten führt und sich dabei ruiniert.
Gleichzeitig werden dennoch viele - wenn der Ehrgeiz erst mal geweckt ist, weiter ihre Häuser - im Rahmen ihrer Möglichkeiten sanieren und isolieren.
Wir würden nur noch wenig Solar- und Windkraftwerke – hauptsächlich in Norddeutschland – abregeln und dafür fossile Kraftwerke in Süddeutschland hochfahren, wenn wie ursprünglich geplant Ende 2022 die HGÜ-Leitungen fertig gewesen wären.
Sie waren es nicht und werden erst in einigen Jahren fertig sein, weil H. Seehofer und die CSU eine überwiegend unsinnige Umplanung gewollt und mit den Koalitionspartnern (beispielsweise Herrn Spahn! von der CDU) durchgesetzt haben. Und dafür die Netzentgelte und die Strompreise deutlich steigen werden.
Eine Rolle hat auch gespielt, dass im letzten Landtagswahlkampf 2018 die Freien Wähler mit der Ablehnung dieser HGÜ-Leitungen Wahlkampf gemacht haben und bis heute die Freien Wähler den Widerstand gegen den Leitungsausbau unterstützen.
Man muss immer wieder aufklären: HGÜ steht für Hochspannungsgleichstromübertragung. Und diese ist wesentlich effizienter, strahlungs- und verlustärmer und auch kleiner als die herkömmliche Hochspannungswechselstromübertragung, also die herkömmlichen 380 kV-Leitungen.
Wir hätten auch erheblich weniger teuren Redispatch-Aufwand, wenn wir mehr Windkraftwerke in Süddeutschland hätten.
Zur Erklärung: Alle stromanbietenden Kraftwerke und stromnachfragenden Großkunden und Händler geben für jede Viertelstunde des Folgetages ihre Strompläne an. Daraus berechnen die Übertragungsnetzbetreiber, welche Stromflüsse und Leitungsbelastungen hieraus folgen. Dies nennt man Dispatch (etwa Transportplanung). Wenn dann folgt, dass Leitungen überlastet würden, kommt es zum Redispatch, also Eingriffen in die Transportplanung. Es werden Kraftwerke vor dem Engpass angewiesen, weniger und Kraftwerke nach dem Engpass im gleichen Umfang mehr zu produzieren. Dafür erhalten beide eine Entschädigung, die letztlich wir über das Netzentgelt bezahlen.
Das Problem wird sowohl durch die Fertigstellung der HGÜ-Leitungen wie auch durch die Sektorkopplung (Verbindung des Strom- mit dem Verkehrs- und Wärmebereich; und stromintensiven industriellen Stoffprozessen für Ammoniak, Stahl usw.) bei räumlicher und zeitlicher Flexibilisierung der Strompreise schrumpfen. Das heißt auch Auflösung der einheitlichen Strompreiszone in Deutschland. Gut, dass die europäische Behörde acer den Auftrag hat, angesichts dieser deutschen Behinderungen des Strombinnenmarkts einen Vorschlag für die Auflösung der einheitlichen Strompreiszone zu machen. Dänemark, Italien, Norwegen usw. haben übrigens mehrere Strompreiszonen!
Es ist empörend, dass die Verantwortlichen für die Strom- und Geldverschwendung Aiwanger und Spahn hier frech Forderungen an diejenigen stellen, die die von ihnen verursachten Probleme jetzt durch allerlei Maßnahmen lösen.
Raimund Kamm
Und gleichzeitig wurde aber an vielen Tagen im 2.Quartal (Atom-)Strom aus Frankreich importiert. Wie passt das zusammen, auch der muss ja transportiert werden!?
Haben Sie berücksichtigt, dass es hier um das Jahr 2022 geht?
An welchen Tagen im 2. Quartal 2022 soll denn Strom aus Frankreich nach Deutschland verkauft worden sein?
Insgesamt wurden 2022 immerhin 15,2 Mrd. kWh mehr an Frankreich ver- als von Frankreich gekauft. Eine Riesensumme.
Raimund Kamm
"Sonne und Wind schreiben ja keine Rechnungen" ( sagen unsere Klimawandler).
Da kann es uns doch eigentlich egal sein, ob Strom verschenkt wird.
Keine Unwahrheiten verbreiten!
Wir haben dieses Jahr im Schnitt 11 Cent je Kilowattstunde für den im Ausland gekauften Strom bezahlt.
Und 11,2 ct/kWh für den ans Ausland verkauften Strom erlöst.
Raimund Kamm
Dann versteh ich unsere Stromrechnung nicht? Über 50 Cent/kWh, gedeckelt auf 40 Cent.
@ RUDOLF D.
"Die Kohle-Kraftwerke und alle die sonst noch laufen - die wollen voll fahren - nicht regeln !"
Kohlekraftwerke können durch die Netzbetreiber nicht abgeregelt werden. Windkraftanlagen ganz einfach.
"Das Geschwätz, dass wieder mal die Netze fehlen - alles nur Ablenkung - anstatt einfach anzufangen und die Kommunen zu stärken."
Das ist keine Ablenkung - es stimmt natürlich. Für die Förderung von kommunalen Lösungen, die sehr zu begrüßen sind (Bürgergenossenschaften) wäre die Staatsregierung zuständig - sicher nicht der Bund.
"Stattdessen ist der fehlende Netzausbau ursächlich für den Kostenanstieg. In den Zahlen wird der verschleppte Netz- ausbau und die unzureichende Reduzierung der überschüssigen konventionellen Restlasten deutlich sichtbar. Gerade in Norddeutschland, wo viel Windenergie produziert wird, sind die Netze verstopft. Zudem lassen die wichtigen Netz- verbindungen zwischen Norden und Süden weiter auf sich warten. Folglich entfallen rund 58 Prozent der Entschädi- gungsansprüche im Jahr 2017 auf Schleswig-Holstein, obwohl der Netzausbau innerhalb des Bundeslandes weitgehend abgeschlossen ist." (Quelle: BWE)
Rudolf D., was verstehen Sie daran nicht?
"'Natürlich müssten wir beim Netzausbau insbesondere bei den Übertragungsnetzen viel weiter sein", sagt Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). "Dieser wurde aber auch jahrelang von der Bayerischen Staatsregierung regelrecht blockiert", kritisiert er."
Lesen Sie das, dann wissen Sie, wer das zu verantworten hat und der Populist Aiwanger schreit vorsorglich "Haltet den Dieb".
Diese "Gute-Menschen-Politik", dieser Ansatz die ganze Welt retten zu wollen/müssen, wird Deutschland aber auch anderen Staaten noch mal die wirtschaftliche Existenz kosten. Sicherlich ist nichts gegen Reduzierung, Optimierung und gleichartige weltpolitische Aktionen zu sagen, nur wird dabei scheinbar immer die Zielsetzung bzw. die tatsächlich erforderlichen Maßnahmen bezüglich der Umsetzung vollkommen überschätzt wenn nicht sogar fehlinterpretiert.
Das ist doch nicht zu fassen!!
Aber - die Grünen mit Ampel - die ganze Nation per Gesetz zu verdonnern - Ihr Vermögen einzusetzen um ihr Image aufzupolieren?
Wer stellt jetzt endlich einen Strafantrag - was sind das für Gesetze.
Wir zahlen die subventionierten Windrädenr mit - den teurern Strom - und nun verspottet man uns noch mit diesen Informationen.
Was machen unsere Politiker?
Die Lösung natürlich von einem, der beim Blockieren des Netzausbaus ganz vorne mit dabei war: "Lasst uns weiter Fleisch essen" rief der Hubsi flehentlich erst kürzlich in Mühlhausen/Affing und "Mit zehn Gramm Fleisch pro Tag, da kann der Mühlhausener nicht mehr ordentlich arbeiten" donnerte er unter dem tosenden Applaus ordentlich vorgeglühter bayerischer Bierzeltbesucher.
Also, warum mit dem abgeregelten Windstrom nicht Schnitzel braten und Schweinsbraten zubereiten?
Es gibt so schöne Beispiele von Kommunen, die es vormachen.
Fuchstal ist eines der bekannteren.
Die machen ihren Strom und ihre Wärem weitgehend selbst und verkaufen sogar noch was. Die belasten nicht groß die Netze.
Das Geschwätz, dass wieder mal die Netze fehlen - alles nur Ablenkung - anstatt einfach anzufangen und die Kommunen zu stärken.
Die Kohle-Kraftwerke und alle die sonst noch laufen - die wollen voll fahren - nicht regeln !
Noch ein paar Milliarden aus dem Volk, das heute schon die teuersten Strompreise Europas hat, rausquetschen!
Wir ham's doch ....
Da springen auch locker noch ein paar Millionen für Parteispenden - natürlich weitgehend verschleiert unter der Meldegrenze - raus.
In Zeiten der Wahl - sehr wichtig!
Den Strafantrag müssen Sie gegen Seehofer, Söder, Aiwanger und Co stellen. Denn die haben jahrelang den Netzausbau blockiert bzw. verzögert.
Raimund Kamm