Das erste richtige Elektroauto von VW für den Massenmarkt hat es nicht leicht: Der ID.3 sollte dem eigenen Bestseller Golf Konkurrenz machen. Im vergangenen Jahr verkaufte sich der VW-Kompaktklassen-Stromer gemessen an den Neuzulassungszahlen immerhin 22.270-mal in Deutschland. Dem Golf wird er dabei kaum gefährlich, der sich fast viermal mehr verkaufte: Mit über 81.000 Auslieferungen blieb er auch 2023 das beliebteste Auto der Deutschen. Auch ein anderes Duell kann die Verbrennerausgabe oft für sich entscheiden: die Kosten beim Verbrauch, wenn das elektrische Schwestermodell auf öffentliche Ladesäulen angewiesen ist.
Wählen Besitzerinnen oder Besitzer den VW-Haustarif mit dem etwas irreführenden Namen „We Charge Free“ („Wir Laden Frei“), müssen sie für das Laden an öffentlichen Säulen mit langsamem Wechselstrom 69 Cent pro Kilowattstunde berechnen, das ist ungefähr doppelt so teuer wie eine Stunde privater Haushaltsstrom für den heimischen Toaster. Immerhin kostet die um ein Vielfaches leistungsstärkere Schnellladesäule des verbreiteten Anbieters Ionity in dem Tarif genauso viel.
Ein Tarifvergleich lohnt sich, ist jedoch nicht einfach
Doch es lohnt sich ein Tarifvergleich: Bei der unter E-Auto-Besitzern weitverbreiteten ADAC-Ladekarte fallen in der Regel pro Kilowattstunde 60 Cent an. Damit käme der ID.3 auf 100 Kilometer bei einem vom ADAC gemessenen realistischen Durchschnittsverbrauch von 19,1 Kilowattstunden auf 11,46 Euro statt über 13 Euro Energiekosten. Einem modern, vergleichbaren VW Golf 2.0 TDI bescheinigt der ADAC im Test einen Verbrauch von 4,8 Litern Diesel: Hier kommt der Verbrenner beim durchschnittlichen Januar-Preis von 1,72 Euro pro Liter für nur 8,26 Euro ebenso weit. Bei 15.000 Kilometern Fahrleistung summieren sich die höheren Verbrauchskosten auf 450 Euro im Jahr. Immerhin spart der befreite E-Auto-Besitzer 235 Euro Kfz-Steuer im Jahr.
Man merkt, die Sache ist kompliziert. Noch unübersichtlicher wird es, wenn Liebhaber deutscher Automarken den Tarifdschungel der inzwischen vielen Dutzend Anbieter von Ladekarten durchforsten wollen, der um einiges komplizierter wirkt, als die Anbieter von Mobilfunkverträgen es ihrer Kundschaft zumuten. Ladeanbieter wie „We Charge“ bieten zu unterschiedlich hohen Grundgebühren im Monat unterschiedlich hohe Preise pro Kilowattstunde. Meist ist langsames Laden mit Wechselstrom (AC) günstiger als Schnellladen mit Gleichstrom (DC). Mal ist der Anbieter Ionity mit seinen Schnellladesäulen an den Autobahnen teurer, mal billiger als die Konkurrenz.
Tesla ist hier deutlich kundenfreundlicher unterwegs
Viele Tesla-Fahrer schütteln den Kopf über das Tarifwirrwarr, wie der Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach bestätigt. „Bei Netzausbau, Verlässlichkeit, Kundenfreundlichkeit, aber auch den Preisen ist Tesla auch beim Thema Ladestrom der Branchen-Benchmark in der Elektromobilität“, erklärt der Professor. „Die Säulen funktionieren, man braucht sich nicht um irgendwelche Ladekarten kümmern und die Preise werden je nach Marktlage nicht nur nach oben, sondern auch nach unten angepasst.“
Inzwischen ist Tesla auch für E-Auto-Fahrer anderer Marken zu einem Geheimtipp beim Laden geworden: Für knapp 13 Euro Grundgebühr im Monat tanken auch sogenannte Fremdkunden zum gleichen Preis wie Tesla-Besitzer an den „Supercharger“ genannten Ladesäulen im international immer dichter werdenden Netz des US-Anbieters am Rande von Autobahnen. Mit Preisen von 39 bis 45 Cent pro Kilowattstunde ist der ID.3 dann zu den gleichen Kosten unterwegs wie ein Diesel-Golf. Allerdings verlangt Tesla an vielen Standorten zu bestimmten Stoßzeiten einen Aufschlag von mehreren Cent. Ohne das Grundgebühr-Abo können Fremdmarken mit einer immer benötigten Smartphone-App zwischen 53 und 61 Cent am Supercharger tanken.
Auch bei einigen Supermärkten oder Ikea kann man inzwischen Strom tanken
Günstigen Strom mit schnellen Ladesäulen bieten auch immer mehr Supermärkte. Der Discounter Aldi verlangt für Schnellladen 39 Cent bei Bezahlung mit der EC–Karte, Konkurrent Lidl sowie Kaufland jeweils 48 Cent über Smartphone-Apps. Als eine der letzten Handelsketten bietet Ikea sogar noch kostenlosen Ladestrom während des Einkaufs an.
Die Ladetarife vieler deutscher Stadtwerke und Kommunalversorger unterscheiden sich stark. Die Stadt Bochum verzichtet nur abends und nachts auf eine Blockiergebühr. Viele überregionale Ladetarif-Anbieter veranschlagen jedoch unabhängig vom jeweiligen Säulenbetreiber bis zu zwölf Euro Extrakosten, wenn das Auto länger als vier Stunden am Kabel hängt. Für Branchenexperte Bratzel ein Ärgernis: „Laden über Nacht muss ohne Blockiergebühren an Normalladern die Regel sein“, fordert der Experte. Nur wenn auch in Städten die Menschen ohne eigene Lademöglichkeit in der Garage ihr Auto preiswert aufladen könnten, sei der Umstieg auf E-Autos in der Masse attraktiv möglich.
Ob man sein E-Auto daheim laden kann, ist ein wichtiger Preisfaktor
„Kann man zu Hause laden, liegen die Betriebskosten für E-Autos viel niedriger“, betont der Verkehrsexperte Wolf-Peter Schill vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Dies gilt umso mehr, wenn noch selbst erzeugter Fotovoltaik-Strom genutzt werden kann“, fügt er hinzu. Aber auch viele Stromversorger bieten günstigere Haustarife an, wenn zusätzlich ein Elektroauto im Haushalt geladen wird.
Schwierigkeiten sieht auch Schill für viele Mieterhaushalte ohne eigene Lademöglichkeit. „Die schwierige Vergleichbarkeit und Transparenz verschiedener Tarifmodelle und Gebühren halte ich in der Tat für ein großes Problem“, kritisiert der DIW-Experte den undurchsichtigen Tarifdschungel. „Hier Abhilfe zu schaffen, ist allerdings auch keine ganz leichte Aufgabe, denn Wettbewerb und Innovationen scheinen mir im Bereich des öffentlichen Ladens wichtig“, betont Schill. „Dies gilt umso mehr, als dass Elektroautos in der Anschaffung in der Regel immer noch teurer sind als entsprechende Modelle mit Verbrennungsmotor.“ Auf lange Sicht würden wegen der CO2-Abgaben jedoch Diesel und Benzin immer teurer, während Stromkosten eher sinken könnten.