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Konjunktur: DIW-Präsident Fratzscher warnt vor den sozialen Folgen der Rezession

Konjunktur

DIW-Präsident Fratzscher warnt vor den sozialen Folgen der Rezession

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    Der Ökonom Marcel Fratzscher warnt vor den sozialen Folgen der nach wie vor hohen Inflation.
    Der Ökonom Marcel Fratzscher warnt vor den sozialen Folgen der nach wie vor hohen Inflation. Foto: Bernd von Jutrczenka

    Nun ist das „schlimme R-Wort“, wie Marcel Fratzscher die Rezession nennt, in der Welt. Nachdem die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr mit zunächst 0,5 Prozent im letzten Quartal 2022 und zuletzt mit 0,3 Prozent ins Minus gerutscht ist, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) unserer Redaktion: „Wir sollten die Lage nicht überdramatisieren.“ So hält das Berliner DIW-Institut seine Prognose einer Stagnation für die deutsche Wirtschaft – auf das gesamte Jahr gerechnet – aufrecht. „Wir müssen uns auf schwierige Zeiten einstellen und werden für 2023 um die null Prozent Wachstum haben“, prophezeite der Ökonom.

    Fratzscher bezeichnete den leichten Einbruch der Wirtschaft von Oktober bis März als „eine völlig unsoziale Rezession“. Zu dem Schluss kommt er nach einem Vergleich der Lohnerhöhungen mit den Teuerungsraten. So seien die Gehälter im vergangenen Jahr im Durchschnitt lediglich um 4,0 bis 4,5 Prozent gestiegen, während die Preise im Jahresdurchschnitt um 6,9 Prozent anzogen. 

    DIW-Präsident Marcel Fratzscher: Wir bekommen keinen Boom

    Der DIW-Präsident warnte: „Auch 2023 wird die Inflation wohl höher als das Lohn-Plus ausfallen. Deswegen müssen gerade Menschen mit geringerem Einkommen den Gürtel weiter enger schnallen.“ Und er fügte hinzu: „Für sozial Schwächere sind das schwierige Zeiten. Es wird fünf Jahre dauern, bis die Kaufkraft der Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen wieder das Vorkrisen-Niveau erreicht.“

    So erwartet Fratzscher für 2024, auch weil die Europäische Zentralbank wahrscheinlich noch einmal die Zinsen erhöht, „keinen Aufholprozess“. Er geht von einem Wachstum um 1,0 Prozent aus: „Wir bekommen also im kommenden Jahr keinen Boom“, stellte der DIW-Chef ernüchternd fest. Seiner Ansicht nach muss die Bundesregierung angesichts der wirtschaftlichen Lage, „gezielt Hilfen für Menschen mit geringem Einkommen aufsetzen“. Fratzscher forderte auch: „Angesichts der weiter hohen Inflation sollten die Löhne kräftiger als zuletzt steigen.“ Auch der Mindestlohn muss nach den Vorstellungen des Wirtschaftswissenschaftlers erhöht werden, um Menschen mit geringem Einkommen mehr Kaufkraft zu verschaffen.

    Commerzbank-Chefvolkswirt sieht keine Besserung der wirtschaftlichen Lage in Sicht

    Dabei warnte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer im Gespräch mit unserer Redaktion bereits vor der nächsten Konjunktur-Bremse. Nachdem zunächst hohe Energie- und Nahrungsmittelpreise zu einem „historisch hohen Kaufkraftverlust“ geführt und die deutsche Wirtschaft in eine, wenn auch milde Rezession geschickt haben, werden sich aus Sicht des Ökonomen im zweiten Halbjahr die Zinserhöhungen auswirken: „Das zieht weitere konjunkturelle Bremsspuren nach sich. Phasen derart steigender Zinsen haben in Deutschland in der Regel zu einer Rezession geführt.“

    Für Krämer ist keine grundlegende Besserung in Sicht, "weil nach dem Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas nun alle wichtigen Frühindikatoren im verarbeitenden Gewerbe sinken". Die Commerzbank rechnet anders als der Durchschnitt der Volkswirte für 2024 nicht mit einem Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent, sondern erwartet Werte um null Prozent. Da aber viele Unternehmen zu wenige Beschäftigte bekommen, sagte Krämer: „Ich gehe nicht von einer harten Rezession aus, da der Arbeitsmarkt stabil bleibt.“ 

    Dennoch kann es sein, dass Deutschland insgesamt für 2023 ins Minus rutscht Das ist für Professor Timo Wollmershäuser, dem Konjunktur-Experten des Münchner Ifo-Instituts, "vorstellbar". Der Ökonom glaubt aber, dass die Wirtschaft nach einer "Durststrecke" in diesem Jahr 2024 wieder deutlich an Kraft gewinnt, zumal sich dann auch die Inflation auf Werte Richtung 2,0 Prozent bewegen könnte. Solche Teuerungsraten strebt die Europäische Zentralbank an und will sie durch Zinserhöhungen wieder erreichen. 

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