Als EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Zentralbank-Rat am slowenischen Schloss Brdo zusammenkam, hatten sie eine durchaus delikate Entscheidung zu treffen. Die EZB musste entscheiden, ob sie die Leitzinsen abermals senkt. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges und der Energiekrise hatten die Leitzinsen mit Blick auf das letzte Jahrzehnt einen Rekord erreicht. Der Satz, zu dem Banken ihr Geld bei der Zentralbank parken konnten, stieg auf 4 Prozent. In einem ersten Schritt im Juni 2024 und dann nochmals im September hat die EZB den Leitzins inzwischen auf 3,5 Prozent gesenkt. Am Donnerstag senkte sie ihn nun abermals auf 3,25 Prozent.
Die Zeit für Zinssenkungen ist gekommen. Die EZB ist der Geldwertstabilität verpflichtet, sie bekämpft mit Zinserhöhungen die Inflation. Diese hatte in der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg garstige Höhen von rund 10 Prozent erreicht. Doch inzwischen sind die Energiepreise deutlich gesunken. Dies liegt hierzulande am beherzten Agieren der Bundesregierung, als in kurzer Zeit neue Flüssiggas-Terminals entstanden und die Gaspreis-Explosion dämpften. Zugleich deutet aber auch alles darauf hin, dass der Eingriff der EZB funktioniert hat: Höhere Zinsen machen es für Geschäftsbanken teuer, Geld von der EZB zu leihen, der Preis für Kredite steigt. Werden weniger Kredite abgeschlossen, kommt weniger Geld im Umlauf, die Preise für Verbraucher können sich stabilisieren. Es ist umstritten, ob der Oktober schon der ideale Zeitpunkt für neue Zinssenkungen war. Zwar ist die Inflation im Deutschland auf nur noch 1,6 Prozent gesunken und liegt damit deutlich unter dem EZB-Ziel von zwei Prozent. Die Kerninflation abzüglich der stark schwankenden Lebensmittel- und Energiepreise befindet sich aber noch deutlich darüber. Weitere Zinsschritte nach unten, waren nur eine Frage der Zeit.
Baugeld und Kredite für Unternehmen werden günstiger: Das heißt der EZB-Zinsentscheid
Die darbende deutsche Wirtschaft hat einen Schub bitter nötig. Sinkende Zinsen sind hier eine gute Nachricht. Um zu investieren, Innovationen zu entwickeln, Maschinen zu bauen, neue Hallen, sind Unternehmen meist auf Kredite angewiesen. Die gute wirtschaftliche Lage in den Jahren vor der Corona-Krise lag auch daran, dass Geld in der Euro-Zone billig zu bekommen war, mit allen Nebenwirkungen, die es damals gab. Es ist noch nicht allzu lange her, als Fachleute über den Fluch des billigen Geldes sprachen, die Immobilienpreise explodierten, Sparer in die Röhre guckten. Umso härter hat die massive Zinserhöhung 2022 und 2023 die Firmen getroffen. Der Sprung um vier Prozentpunkte nach oben war ein Schock, der Wohnungsbau kollabierte, manches Unternehmen, das mit günstigem Geld überholte Geschäftsmodelle über Wasser hielt, war nicht mehr zu retten.
Die Zinssenkung wird der deutschen Wirtschaft deshalb helfen. Baugeld wird günstiger, Kredite für Unternehmen ebenso. Für Privatleute wird es attraktiver, Geld im Handel auszugeben, statt zu sparen, wenn die Festgeldzinsen sinken.
Die großen strukturellen Standortprobleme müssen trotzdem gelöst werden
Trotzdem werden sinkende Zinsen Deutschlands wirtschaftliche Misere nicht lösen: Denn die Zinsen geben auch in anderen Ländern nach, mit denen die deutsche Exportwirtschaft im Wettbewerb steht. In der Eurozone sowieso, aber auch in den USA. Es müssen deshalb parallel die chronischen Gesundheitsprobleme des Standorts Deutschland behandelt werden. Die Wehwehchen sind allseits bekannt und reichen von der maroden Infrastruktur über hohe Lohnnebenkosten bis zur Bürokratie. Diese mühselige Arbeit kann die EZB der Politik nicht abnehmen.
Ein durchaus sachlicher und fundierter Artikel, der so gar nicht zur reißerischen Überschrift passt. Muss das unbedingt sein? Die deutsche Wirtschaft stagniert seit zwei Jahren. Das hat zwar auch hausgemachte, v. a. aber exogene Ursachen. "Retten" muss die deutsche Wirtschaft niemand, wie die derzeit überaus erfolgreichen Unternehmen der Rüstungsindustrie zeigen. Da passen eben gerade die Rahmenbedingungen. In anderen Branchen wie der wichtigen Autoindustrie ist das nicht der Fall.
Die Rüstungsindustrie spielt trotz deren "Hochzeit" mit 1,5% am BIP immer noch eine untergeordnete Rolle. Zinssenkungen machen Kredite tendenziell billiger. Nur, wird auch investiert werden bei der aktuell stagnierenden Nachfrage, national und international? Vielleicht Erhaltungsinvestitionen, sicherlich bei einigen nötig, aber Neuinvestitionen? So lange die internationale Nachfrage, die z.Zt. auch durch "Handelskriege" (Zollpolitik!!, et al.) ausgebremst wird, sehe ich unterm Strich die Gefahr, daß die Zinssenkung verpufft.
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