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Kommentar: Deutschland im Milliardenhoch: Reich und klamm zugleich

Kommentar

Deutschland im Milliardenhoch: Reich und klamm zugleich

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    Deutschland verzeichnet Milliardenüberschüsse, trotzdem haben Bürger nichts davon. Und wird womöglich auch zukünftig nicht davon profitieren - so wie es eigentlich vorgesehen war.
    Deutschland verzeichnet Milliardenüberschüsse, trotzdem haben Bürger nichts davon. Und wird womöglich auch zukünftig nicht davon profitieren - so wie es eigentlich vorgesehen war. Foto: Deutsche Bundesbank/dpa

    Deutschland schwimmt im Geld, doch dieser See an Möglichkeiten verdunstet schneller als eine Pfütze Wasser im Hochsommer. Knapp 20 Milliarden Euro haben Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen im vergangenen Jahr an Überschüssen angehäuft – nur einer wird davon nichts haben: der deutsche Steuerzahler. Unter anderen Umständen, in einer anderen Zeit müsste jetzt eigentlich der Solidaritätszuschlag sinken, wenn nicht gar ganz wegfallen. Bei einer Million Flüchtlingen und mehr im Jahr aber werden aus Milliardengewinnen schon bald Milliardenlöcher. Steuern und Staatsschulden sinken deshalb nicht, sie steigen tendenziell eher.

    Schäuble hat eine dunkle Vorahnung

    Wolfgang Schäuble ist lange genug in der Politik, um bei einem derart sensiblen und unpopulären Thema nicht einfach nur so drauf- loszuplaudern. Die jüngsten Gedankenspiele des Finanzministers über eine europaweite Benzinsteuer zur Finanzierung von Grenzkontrollen und ähnlichen Maßnahmen haben einen ernsten Hintergrund: Schäuble spürt, dass diese Krise kein absehbares Ende hat. Dass vielleicht Jahrzehnte vergehen werden, bis den Kosten für die Unterbringung, die Betreuung und die Integration der Flüchtlinge ein ökonomischer Mehrwert gegenübersteht. Der Tag, an dem seine schwarze Null fällt oder die erste Steuer steigt, ist daher absehbar. Er könnte auch mitten ins Wahljahr 2017 fallen.

    So ist Deutschland reich und klamm zugleich. Die historisch niedrigen Zinsen und die gute Konjunktur haben es Schäuble ermöglicht, als erster Finanzminister seit mehr als 40 Jahren einen Haushalt ohne neue Schulden aufzustellen. Gleichzeitig aber sind auch die Begehrlichkeiten gewachsen – und das schon lange bevor Angela Merkel die Tore nach Deutschland weit geöffnet hat. Der Entwicklungsminister braucht mehr Geld, um Armut, Hunger und andere Fluchtursachen zu bekämpfen, der Verkehrsminister soll alte Brücken sanieren, neue Straßen bauen und die digitale Infrastruktur endlich auf den Stand eines modernen Industrielandes bringen, die Verteidigungsministerin muss ihre Truppe besser ausrüsten, die seit Jahrzehnten nur noch den Mangel verwaltet – und wer will es einer Bauministerin verdenken, wenn sie gerade jetzt weitere Milliarden für den sozialen Wohnungsbau fordert?

    Zahlen Bürger den Preis für den Alleingang der Kanzlerin?

    Jeder und jede hat für seine Wünsche gute Gründe – die Gekniffenen aber sind, einmal mehr, Millionen von Beschäftigten, die diesen Aufschwung mit erwirtschaftet haben und jetzt vergebens auf eine kleine Dividende dafür warten, zum Beispiel auf einen schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlages. Vor einem Jahr hat CSU-Chef Horst Seehofer genau das noch versprochen und nach der Einigung mit Kanzlerin und Finanzminister von der größten Steuersenkung aller Zeiten geschwärmt, heute will auch er davon nichts mehr wissen. Die Soli-Milliarden sind längst für die Flüchtlingshilfe verplant.

    Umso wichtiger ist es, dass die Politik die Solidarität der Menschen nicht überstrapaziert. Die Bereitschaft zu helfen ist nach wie vor groß. In dem Moment jedoch, in dem die Steuern, die Renten- oder die Krankenkassenbeiträge steigen, weil es der Bundesregierung nicht gelingt, den Strom an Flüchtlingen zu begrenzen und in geordnete Bahnen zu lenken, kann Solidarität schnell in Sorge umschlagen. Die Sorge, selbst einen zu hohen Preis für den Alleingang der Kanzlerin zu bezahlen. Dass eine wachsende Zahl von Unternehmen wieder skeptischer in die Zukunft blickt, kommt erschwerend hinzu. Jedem Boom, auch wenn er noch so lange dauert, folgt unweigerlich die nächste Flaute. Darauf aber war die deutsche AZ

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