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Kommentar: Corona, Inflation, Materialmangel: Ist der Aufschwung in Gefahr?

Kommentar

Corona, Inflation, Materialmangel: Ist der Aufschwung in Gefahr?

Rudi Wais
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    Die hohe Inflation lässt die Kaufkraft schrumpfen und entwertet Ersparnisse. Laut einer Umfrage fürchtet viele Verbraucher um ihren aktuellen Lebensstandard.
    Die hohe Inflation lässt die Kaufkraft schrumpfen und entwertet Ersparnisse. Laut einer Umfrage fürchtet viele Verbraucher um ihren aktuellen Lebensstandard. Foto: Marc Müller, dpa

    Die Infektionszahlen schießen durch die Decke, im Osten Europas droht möglicherweise ein neuer Krieg – die größten Sorgen aber macht den Deutschen nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts im Moment nicht die Pandemie oder die Ukraine-Krise, sondern die Inflation. Mit Raten um die fünf Prozent steigen die Preise deutlich schneller als die Löhne, und selbst wenn am Ende des Jahres wieder eine Drei vor dem Komma stehen sollte, kann die neue Bundesregierung diesem Phänomen nicht tatenlos zusehen. Wenig fürchten die Deutschen so sehr wie die schleichende Entwertung ihres Geldes.

    Möglichkeiten, den höchsten Preisauftrieb seit fast drei Jahrzehnten auch ohne eine Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank etwas abzumildern, gäbe es durchaus – bisher allerdings hat sich die neue Bundesregierung zu keinen Gegenmaßnahmen durchringen können.

    Finanzminister Christian Lindner würde die Zwangsumlage für Ökostrom zwar gerne etwas früher abschaffen – dazu aber müsste er mehrere Milliarden Euro aus dem Fördertopf für Klimainvestitionen nehmen, was bei den Grünen nicht gut ankommt. Dabei ist die Situation ernster, als es die Wachstumsprognosen von bis zu vier Prozent erwarten lassen. Die meisten Industrienationen wachsen nicht nur schneller, sie haben auch weniger konjunkturelle Klumpenrisiken angehäuft.

    Der höhere Mindestlohn wird einigen Branchen schwer zu schaffen machen

    In Deutschland kommt da neben der Inflation, einem gewaltigen Investitionsstau und der anhaltenden Auswanderung von Hochqualifizierten noch einiges zusammen. Die Anhebung des Mindestlohns um 22 Prozent auf zwölf Euro wird einigen Branchen schwer zu schaffen machen. Die Energiepreise sind schon jetzt für viele Unternehmen wettbewerbsschädigend hoch und werden durch den gleichzeitigen Ausstieg aus der Kohle und der Atomkraft noch weiter steigen. Der Materialmangel und die unterbrochenen Lieferketten treffen eine international so vernetzte Volkswirtschaft wie die deutsche besonders hart – und auch die Börse, an der ja bekanntlich Zukunft gehandelt wird, ist skeptisch.

    Die hohe Inflation lässt die Kaufkraft schrumpfen und entwertet Ersparnisse. Laut einer Umfrage fürchtet viele Verbraucher um ihren aktuellen Lebensstandard.
    Die hohe Inflation lässt die Kaufkraft schrumpfen und entwertet Ersparnisse. Laut einer Umfrage fürchtet viele Verbraucher um ihren aktuellen Lebensstandard. Foto: Marc Müller, dpa

    Die Indizes in Frankreich, den USA oder Großbritannien sind zuletzt deutlich stärker gestiegen als der Dax. Diesen Ländern trauen die Kapitalmärkte offenbar mehr zu. Die französische Wirtschaft etwa ist im vergangenen Jahr um sieben Prozent gewachsen, so stark wie seit 1969 nicht mehr. In Deutschland dagegen ist die Wirtschaftsleistung im letzten Quartal um 0,7 Prozent geschrumpft – wiederholt sich das im laufenden Vierteljahr, sprechen Ökonomen bereits von einer Rezession.

    Halbleiter-Krise: Volle Auftragsbücher, aber kein Material

    Dass die Konjunktur Mitte des Jahres wieder Tritt fasst, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck es prophezeit, ist noch keineswegs ausgemacht. Zu unberechenbar ist das Pandemiegeschehen, zu unsicher die Lage in vielen Unternehmen. Deren Auftragsbücher sind zwar häufig gut gefüllt; wegen des stockenden Nachschubs an Halbleitern oder anderen wichtigen Materialien werden viele Aufträge aber nur langsam abgearbeitet. Dagegen kann zwar auch die Bundesregierung wenig tun – umso wichtiger jedoch wäre es, dass sie die ökonomischen Rahmenbedingungen an anderer Stelle verbessert.

    Neben einem raschen Ende der Öko-Umlage hätte auch eine Senkung der Stromsteuer einen preisdämpfenden Effekt. Eine Anpassung des Einkommenssteuertarifes an die Inflation würde die Kaufkraft stärken und das Phänomen der kalten Progression entschärfen, die ja nichts anderes ist als eine verkappte Steuererhöhung. Konsumschecks wie in den USA werden Lindner und Habeck zwar kaum ausstellen; aber wenn die Kaufkraft durch eine hohe Inflation gemindert wird, können Steuersenkungen diesen Effekt zumindest teilweise kompensieren. Das Geld dafür wäre jedenfalls vorhanden. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der Finanzminister den finanziellen Spielraum der Koalition um 60 Milliarden Euro erweitert.

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