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Inflation: Warum die EZB zunehmend in der Zwickmühle steckt

Inflation

Warum die EZB zunehmend in der Zwickmühle steckt

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    EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Vizepräsident Luis de Guindos erklärten die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag.
    EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Vizepräsident Luis de Guindos erklärten die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag. Foto: Arne Dedert, dpa

    Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag zum dritten Mal in drei Monaten die Leitzinsen erhöht. Der Rat der EZB einigte sich auf einen Anstieg von 0,75 Prozent für alle drei Leitzinssätze. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, steigt damit auf 2,0 Prozent. Der sogenannte Einlagensatz, den Kreditinstitute erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, steigt auf 1,50 Prozent. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität, mit der sich Geschäftsbanken kurzfristig über Nacht Geld bei der EZB leihen können, liegt künftig bei 2,25 Prozent.

    Man werde die Zinsen künftig weiter anheben, um eine zeitnahe Rückkehr der Inflation auf das mittelfristige Zwei-Prozent-Ziel zu gewährleisten, bekräftigte EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Entschlossenheit der EZB bei der anschließenden Pressekonferenz. "Wir sind noch nicht am Ziel", so Lagarde. Der EZB-Rat werde sich dabei aber an die Entwicklung der Inflations- und Wirtschaftsaussichten anpassen, doch die Inflation werde wohl noch länger über dem Zielwert bleiben.

    Die Wirtschaft droht in eine Rezession abzugleiten

    Weiter steigende Preise für Energie und Nahrungsmittel hätten die Inflation zuletzt befeuert. Sie lag im September bei 9,9 Prozent in der Eurozone – der höchste Wert seit Einführung des Euro als Buchgeld im Jahr 1999. Die Schwäche des Euro verstärke diesen Trend, so Lagarde. Importpreise steigen so schneller als die Erlöse aus dem Export. Gleichzeitig drohe die Wirtschaft aber in eine Rezession abzugleiten.

    An die Adresse der Finanzminister richtete Lagarde daher den Appell, notwendige Hilfsmaßnahmen für schwächere Gruppen zeitlich befristet und gezielt zu gestalten. Die Sorge der EZB ist, dass die Politik mit allzu großzügigen Hilfen sowohl die Verschuldung der Staaten erhöht als auch gleichzeitig die Inflation nach oben treibt. Volker Wieland, Geldpolitik-Experte und ehemaliger Wirtschaftsweise, sagte unserer Redaktion dazu: "Die 200 Milliarden, die von der Bundesregierung bereitgestellt werden, entsprechen 5,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus dem Jahr 2021. Wenn alle Staaten solche Maßnahmen umsetzen, konterkariert das natürlich die Bemühungen der EZB zur Bekämpfung der Inflation."

    Volker Wieland sieht Fehler der EZB in der Vergangenheit

    Die genaue Ausgestaltung der Gaspreisbremse bleibe abzuwarten, aber: "Für Haushalte sind dies in jedem Fall direkte Transfers, und das wird die Inflation unterstützen, dieser Wirkung muss man sich bewusst sein." Wieland sieht aber auch Fehler der EZB in der Vergangenheit: "Die Inflation geht nicht allein auf die Energiekrise zurück. Eine erste Grundlage wurde gelegt durch die Stützungsprogramme während der Corona-Zeit. Dies wurde von der EZB unterstützt, da sie im großen Stil Staatsanleihen aufgekauft hat. Sie hat es versäumt 2021 früher umzusteuern."

    Den Zinsschritt der EZB nun hält Wieland für richtig: "Ich hätte auch eine Erhöhung um ein Prozent nicht für falsch gehalten." Die Märkte erwarteten mittelfristig einen Einlagezinssatz von drei Prozent. "Es ist noch Raum für zwei weitere Zinsschritte von 0,75 Prozent, nur um die Erwartungen der Märkte zu erreichen", so Wieland. Um die Inflation energisch zu bekämpfen, brauche es mehr, denn so bleibe der Realzins auf absehbare Zeit negativ. "Die Geldpolitik stützt damit weiterhin die Nachfrage. Wir befinden uns aber nicht in einer nachfragebedingten Rezession, der Arbeitsmarkt ist weiter stabil und Arbeitskräfte knapp. Dementsprechend folgen auf den Kaufkraftverlust hohe Lohnforderungen", verdeutlichte Wieland.

    Marcel Fratzscher sieht die EZB in der Zwickmühle

    Auch Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), rechnet nicht mit einem schnellen Rückgang der Inflation, trotz der Bemühungen der EZB: "Die EZB befindet sich zunehmend im Zielkonflikt zwischen einer soliden Verankerung der Inflationserwartungen und der Verhinderung einer noch tieferen Rezession in vielen Teilen des Euroraums, allen voran in Deutschland." Der Anstieg der Kerninflation und die hohe Inflation bei den Produzentenpreisen seien besorgniserregend. Die Wirtschaft im Euroraum schwäche sich weiter ab und die Risiken einer länger anhaltenden Schwächephase nähmen zu. Die EZB sei damit zunehmend in einer Zwickmühle.

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