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Inflation in Deutschland bedroht die private Altersvorsorge

Finanzen

Die Inflation bedroht die private Altersvorsorge in Deutschland

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    Die Inflationsrate im Euroraum hat im März einen Rekordwert von 7,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erreicht.
    Die Inflationsrate im Euroraum hat im März einen Rekordwert von 7,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erreicht. Foto: Fernando Gutierrez-Juarez, dpa

    Dass Tanken, Heizen und der Einkauf im Supermarkt teurer werden, lässt sich derzeit täglich beobachten. Eine dauerhaft höhere Inflation droht aber auch zum Problem für die private Altersvorsorge von Millionen Bürgerinnen und Bürgern zu werden. Davor warnen Finanzfachleute und der Verbraucherschutz und auch Bayerns Finanzminister Albert Füracker, CSU. "Deutschland ist Sparerland. Die Rekordinflation frisst das Sparvermögen der Menschen auf – das führt zu Unsicherheit", sagte Füracker unserer Redaktion.

    "Die Altersvorsorge ist nicht gut aufgestellt", sagt Dorothea Mohn, Leitern des Bereichs Finanzen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Deutschland hat sich entschieden, dass die gesetzliche Rente keine Lebensstandsicherung mehr bieten soll, sondern ein Teil des Einkommens privat fürs Alter anlegt werden soll - vorrangig über die Riester-Rente oder die betriebliche Entgeltumwandlung", also die betriebliche Altersvorsorge. Das Problem seien nicht nur die hohen Kosten der Produkte. "Besonders kritisch bei der derzeitigen Inflation ist, dass mit Garantieprodukten vorgesorgt werden soll und der Garantiezins mittelweile extrem niedrig ist", sagt Mohn. Für neue Lebensversicherungsverträge beträgt dieser 0,25 Prozent. Selbst höhere Zinsen von zum Beispiel drei Prozent für Altverträge werden aber trotzdem von einer Inflation von über 7 Prozent aufgefressen.

    Weniger Kaufkraft im Alter

    "Die Inflation mindert die Kaufkraft der zukünftigen Renten", warnt Mohn. „Der Wert des Ersparten, das bei Garantieprodukten wie Rentenversicherungen ohnehin zu niedrig ist, schwindet.“ Auch der Sparkassenverband Bayern warnt vor diesem Problem: "Inflation von 7 Prozent bedeutet, dass die Kaufkraft der Einkommen entsprechend sinkt und damit auch der Betrag, den die Menschen für ihre Vorsorge zurücklegen können. Der Doppelpack von Inflation und Nullzinsen sorgt für ein noch massiveres Abschmelzen von Ersparnissen und Altersvorsorge. Zumal dann, wenn das Ersparte in zinsabhängigen Produkten angelegt wurde."

    Robert Halver: Wie eine Heuschreckenplage, die auf eine grüne Wiese trifft

    Selbst wenn man positive Zinsen auf seine Rücklagen bekomme, reichen diese nicht, die Inflation auszugleichen, warnt Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank. "Für Produkte mit zehnjähriger Laufzeit gibt es derzeit knapp ein Prozent Zins pro Jahr. Rechnet man sieben Prozent Inflation dagegen, macht man einen Verlust von sechs Prozent", sagt er. Ähnliches gilt für alle Sparguthaben oder Festgelder. "Wir haben Billionen an Zinspapieren. Die Inflation frisst den Wert auf. Es ist wie eine Heuschreckenplage, die auf die grüne Wiese trifft", sagt er.

    Der Druck auf die Europäische Zentralbank steigt, mit Zinserhöhungen entgegenzuwirken. "Die aktuelle Rekord-Inflation enteignet die Menschen sukzessiv. Energiepreise schießen in die Höhe, Nahrungsmittel werden immer teurer – insbesondere einkommensschwache Familien stellt das vor massive Herausforderungen", warnt Bayerns Finanzminister Füracker. "Die EZB muss endlich und dringend gegensteuern und die Sorgen der Menschen ernst nehmen", sagt er unserer Redaktion. Auch bei der letzten Sitzung im April habe die EZB wieder die Gelegenheit verstreichen lassen, mit einem deutlichen Signal der Geldentwertung entschlossen entgegenzutreten. "Die Sicherung stabiler Preise ist die Kernaufgabe einer Notenbank", mahnt er.

    Finanzminister Albert Füracker: EZB muss Zinswende einläuten

    "Handelt die EZB weiter so zögerlich, riskiert sie, dass ihr die Kontrolle über die Geldwertstabilität aufgrund der rasant steigenden Inflation entgleitet", kritisiert Finanzminister Füracker. "In der nächsten geldpolitischen Sitzung Anfang Juni wird es zum ‚Showdown‘ kommen: Dann muss die EZB endlich Farbe bekennen und die längst überfällige Zinswende einläuten!", sagt er.

    Auch dem Sparkassenverband Bayern zufolge darf es nicht bis zum Jahresende 2022 dauern, bis die EZB agiert. "Die EZB darf sich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger nicht weiter um eine baldige Zinsanhebung winden. In ihrer Funktion und Verantwortlichkeit als oberste Hüterin der Preisstabilität ist sie nach einer Zeit sehr langen Zauderns geradezu dazu verpflichtet, ein Zeichen zu setzen und einen erkennbaren Schritt nach vorne zu gehen“, sagt Bayerns Sparkassenpräsident Ulrich Reuter unserer Redaktion.

    Selbst wenn die EZB aber die Zinsen erhöht, dürfte der Schritt klein ausfallen und die Sparerinnen und Sparer kaum retten. "Die EZB hat Angst, dass durch starke Zinserhöhungen das europäische Gefüge Schaden nimmt", sagt Halver. Hohe Zinsen würde die hoch verschuldeten Länder in Südeuropa stark belasten. "Wir dürfen die EZB nicht mit der Bundesbank verwechseln, Zinsschritte wie vor 30 Jahren werden wir nicht sehen", ist er überzeugt. "Der Zins-Zug ist abgefahren", warnt er. "Wer allein mit Zinspapieren plant, spielt mit seiner Altersvorsorge. Es bleibt nicht viel davon übrig."

    Verbraucherzentrale: Neues Modell für die private Altersvorsorge nötig

    Der Finanzfachmann rät, bei den privaten Ersparnissen umzudenken. Wenn man dazu die Möglichkeit habe, seien Immobilien ein Weg, insbesondere aber auch der Aktienmarkt. "Der Wert von Sachkapital wächst mit der Inflation mit", sagt Halver. Die Dividenden von Unternehmen an ihre Aktionäre seien zudem "ein kleiner Ersatz" für den Zins. Sein ganzes Geld in Aktien zu stecken, davon rät auch Halver ab. "Aber zumindest sein Herz dafür zu öffnen, das wäre schon ein Anfang bei vielen."

    Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert, die private Altersvorsorge neu aufzustellen. "Bisher fordert der Staat von den Bürgerinnen und Bürgern eine private Altersvorsorge, zwingt sie aber aus Angst vor Schwankungen an den Aktienmärkten in Produkte, die Garantien bieten müssen, mit denen Verbraucher in Zeiten hoher Inflation entsprechende Verluste machen", sagt Mohn. "Das funktioniert nicht."

    Riester und die betriebliche Entgeltumwandlung sollten nach Ansicht der Verbraucherschützer durch die sogenannte "Extra-Rente" ersetzt werden. Die Idee ist es, dass der Staat das Geld der Versicherten einsammelt, aber gebündelt am Finanzmarkt von Profis anlegen lässt, vor allem in Aktien. Dadurch könnten Kosten eingespart werden, zudem sei eine deutlich höhere Rendite möglich.

    "Riester und die betriebliche Entgeltumwandlung müssen abgelöst werden durch eine effiziente Altersvorsorge", fordert Verbraucherschützerin Mohn. "Der Staat muss ein kostengünstiges Produkt schaffen, das eine vernünftige Kapitalanlage anbietet und mit dem man Rendite machen kann", sagt sie.

    Scheut dagegen der Staat, die Schwankungen an der Börse den Bürgern zuzumuten, dann solle man ehrlich sein und statt dessen komplett auf die normale, umlagenfinanzierte Rente setzen, argumentiert der Bundesverband: "Falls man die Menschen gar nicht wirklich am Kapitalmarkt anlegen lassen will, dann ist die logische Konsequenz, die komplette Altersvorsorge über die gesetzliche Rente laufen zu lassen", sagt Mohn.  

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