Die Warnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Konsum von verarbeitetem Fleisch scheinen einen Nerv getroffen zu haben – zumindest bei einem Teil der Bevölkerung. Jeder Siebte will nach der Warnung, verarbeitetes Fleisch könne Darmkrebs verursachen, nun weniger davon essen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov.
Die Mehrheit der Bürger gibt sich von der Meldung allerdings völlig unbeeindruckt. 68 Prozent der Befragten sagten, für sie habe die Meldung keinen Einfluss auf ihren Fleischkonsum. Die Internetgemeinde macht sich derweil unter dem Stichwort #wurstgate lustig. Da werden gelb umrahmte „Wurst-Ess-Bereiche“ am Bahnhof gefordert oder Ratgeber für „Wurstfrei in 15 Minuten“ angepriesen.
Die WHO rudert unterdessen ein Stück weit zurück. Man wolle keine Panik verbreiten, heißt es in einer Erklärung. Ein Verzicht auf verarbeitete Fleischprodukte sei für einen gesunden Lebenswandel nicht zwingend notwendig. Die Menge mache es eben aus.
Ernährungswissenschaftlerin klärt über Fleisch auf
Was ist aber nun so gefährlich an verarbeitetem Fleisch? Und wird das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, durch die wertvollen Inhaltsstoffe wieder wettgemacht? Die Ernährungswissenschaftlerin Nicole Erickson vom Klinikum Rechts der Isar in München stellt klar, dass man die Fakten einzeln betrachten müsse. „Man muss das Risiko von Darmkrebs und die positiven Nährwerte von Fleisch strikt voneinander trennen. Das eine kann man nicht benutzen, um das andere zu relativieren“, sagt Erickson.
Fleisch hat seine guten und schlechten Seiten
Was Sie über Krebs wissen sollten
Statistisch gesehen entwickelt jeder dritte Europäer im Laufe seines Lebens Krebs. In Deutschland erkranken etwa 395.000 Menschen jährlich neu, etwa 210.000 Menschen sterben an der Krankheit.
Der Ausdruck Tumor wird als Überbegriff für gut- und bösartige Geschwülste verwendet.
Von Tumoren werden sogenannte Systemerkrankungen unterschieden, wie Blutkrebs (Leukämie) oder Lymphdrüsenkrebs.
Tumore gehen auf krankhafte Veränderungen zurück, die eine gesunde Zelle in eine unkontrolliert wachsende Zelle umwandeln.
Gemäß den aktuellen Zahlen der Deutschen Krebsgesellschaft ist bei Männern die häufigste Krebsart mit jährlich rund 63.000 Erkrankungen Prostatakrebs. Bei Frauen ist dies Brustkrebs mit jährlich rund 70.000 Erkrankungen. Danach folgen Darmkrebs, Lungenkrebs, Harnblasenkrebs und Magenkrebs.
Eine Form der Krebstherapie ist die Operation. Voraussetzung ist die frühzeitige Erkennung des Tumors. Neue Techniken wie Laserchirurgie und Endoskopie ermöglichen schonendere Operationen als noch vor Jahren.
Die Chemotherapie ist die medikamentöse Behandlung von Krebserkrankungen. Dabei werden Stoffe verwendet, die ihre schädigende Wirkung möglichst gezielt auf bestimmte krankheitsverursachende Zellen beziehungsweise Mikroorganismen ausüben und diese abtöten oder in ihrem Wachstum hemmen.
Die molekularbiologische oder auch zielgerichtete Krebstherapie ist ein junger Ansatz bei der Behandlung von Krebs. Während die Chemotherapie eher unspezifisch wirkt und auch gesunde Zellen schädigt, können durch neue Wirkstoffe Krebszellen zielgenau angegriffen werden.
Bei bösartigen Tumoren kommt häufig auch die Strahlentherapie zum Einsatz. Vorwiegend wird Gammastrahlung, Röntgenstrahlung oder Elektronenstrahlung verwendet.
Etwa zwei Drittel aller Krebserkrankungen werden durch Nikotinsucht, falsche Ernährung und Risikofaktoren in der Umwelt hervorgerufen. Neben gesunder Ernährung und Sport gilt ganz allgemein „bewusstes Leben“ als eine gute Methode der Krebsprävention.
Auf der einen Seite enthalte Fleisch hochwertiges Eiweiß, Eisen und B-Vitamine. Alles wichtige Stoffe für die allgemeine Gesundheit, allerdings bis auf manche B-Vitamine auch in Pflanzen zu finden. Auf der anderen Seite steht das erhöhte Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Pro 50 Gramm täglich verzehrtem verarbeitetem Fleisch steigt dieses laut WHO relativ um 18 Prozent.
Allerdings liegt der Grundwert laut dem Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, im Leben an Darmkrebs zu erkranken, bei vergleichsweise niedrigen fünf Prozent. Durch 50 Gramm Wurst täglich stiege er beispielsweise auf sechs, bei 100 Gramm täglich konsumierter Wurst auf sieben Prozent an.
Ursache für Krebsbegünstigung noch unklar
Was genau an verarbeitetem Fleisch nun den Darmkrebs begünstigen kann, wissen die Forscher noch nicht. Die Ernährungswissenschaftlerin erklärt: „Man hat die Ursache auf zwei verschiedene Stoffe eingegrenzt. Entweder sind Nitratsalze oder der Farbstoff des roten Fleischs verantwortlich.“
Sollte sich die Forschung in der Zukunft auf einen der beiden Stoffe als Krankheitserreger festlegen, wären die Folgen für die Fleischverarbeiter wohl enorm. Würde das Salz als Verursacher enttarnt, hätten die Metzger recht in der Aussage, ihr Produkt wäre weniger gefährlich als Massenware aus der Fabrik. Denn abgepackte Wurstwaren enthalten in aller Regel mehr Salze als die Ware beim Metzger. Stellt sich aber der rote Fleischfarbstoff als Übeltäter heraus, wäre es egal, wie die Wurst verarbeitet worden ist. Denn dessen Gehalt ist nicht abhängig von der Verarbeitung.
Wurst enthält viel Fett
Doch auch abseits der Krebsgefahr hat Fleischkonsum seine Tücken. Denn neben den Nitratsalzen enthält Wurst auch viel mehr Fett als unverarbeitetes Fleisch. „Tierisches Fett ist allgemein schlechter als pflanzliches“, sagt Erickson. Gesättigte Fettsäuren sind fast ausschließlich in tierischen Produkten zu finden und sehr ungesund. Herzerkrankungen und Schädigungen der Blutgefäße gehen auf ihr Konto.
Zwar enthält Fleisch auch hochwertige Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren, doch auch hier gibt es einen Haken. „Bei den Omegasäuren kommt es auf das Verhältnis der beiden Arten an. Und die stimmt durch die Fütterung in der Massentierhaltung in der Regel nicht mehr“, erklärt Erickson. Je natürlicher sich ein Tier ernährt, desto hochwertiger wird auch sein Fleisch.
Und dann ist da noch die Belastung von Fleisch durch Antibiotika. Geflügelfleisch steht zwar, im Gegensatz zum roten Fleisch, nicht im Verdacht, das Darmkrebs-Risiko zu erhöhen. Doch ist Geflügel stärker mit Antibiotika versetzt, bestätigt Erickson. „Diese sind noch nicht im Zusammenhang mit Krebs aufgefallen. Doch kann es durch den Konsum zu gefährlichen Immunitäten beim Menschen kommen.“ Medikamente, die gegen schwere Krankheiten eingesetzt werden, könnten so ihre Wirkung verlieren.