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Exklusiv: CSU-Politiker Ferber: Bürger verlieren Vertrauen in Europäische Zentralbank

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CSU-Politiker Ferber: Bürger verlieren Vertrauen in Europäische Zentralbank

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    Wann erhöht die Europäische Zentralbank die Zinsen? Chefin Christine Lagarde steht unter Druck.
    Wann erhöht die Europäische Zentralbank die Zinsen? Chefin Christine Lagarde steht unter Druck. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa

    Herr Ferber, Sie haben massive Kritik an der nach wie vor ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank geübt. Was ärgert Sie so?

    Markus Ferber: Der Widerwille von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, auf die hohe Inflation zu reagieren, wird langsam zur Glaubwürdigkeitsfrage für die europäische Notenbank. Die Zentralbank verfehlt ihr geldpolitisches Ziel von einer bei 2,0 Prozent liegenden Inflation schon lange. Es wird Zeit für eine geldpolitische Korrektur, schließlich lag die Teuerung im Euro-Raum im Februar bei 5,8 Prozent, während es im Januar noch 5,1 Prozent waren. Immer weiter am Kurs der Null- und Negativzinsen festzuhalten, ist falsch, dadurch verlieren die Bürger das Vertrauen in die EZB.

    Die US-Notenbank wirkt entschlossener, die Inflation zu bekämpfen.

    Ferber: So steht die Europäische Zentralbank durch die US-Notenbank unter Druck, welche die Zinswende bereits eingeläutet hat. Wenn die EZB nicht handelt, wird mehr Geld vom Euroraum in die USA abfließen. Die EZB muss aufpassen, das Heft des Handelns in der Hand zu behalten.

    Wie stark muss Frau Lagarde bei der für 10. März geplanten EZB-Ratssitzung ihren Kurs ändern? Es besteht die Gefahr, dass Sie mit höheren Zinsen die durch den Überfall Russlands auf die Ukraine wacklige Konjunktur im Euro-Raum vollends abwürgt.

    Ferber: Natürlich holen wir uns durch die Folgen des Krieges, also weiter steigenden Energiepreisen, zusätzliche Inflation in den Euro-Raum. Und durch den Überfall Russlands auf die Ukraine besteht die Gefahr, dass wir in diesem Jahr mit einem schwachen Wachstum leben müssen.

    Demnach müsste Lagarde auf die von Sparerinnen und Sparern herbeigesehnte Zinswende verzichten.

    Ferber: Das glaube ich nicht. Denn die Prognosen für die Inflation zeigen eindeutig nach oben. Die hohe Teuerung lässt sich nicht mehr vor allem mit Sondereffekten, die 2022 wegfallen, erklären. Es wird immer deutlicher, dass wir länger mit einer höheren Inflation leben müssen.

    Was muss Lagarde nun tun?

    Ferber: Ich fordere die EZB und Frau Lagarde auf, dass die Zentralbank in einem ersten Schritt deutlich weniger Staatspapiere aufkauft, um diese ultralockere Geldpolitik dann ganz zu stoppen. In einem zweiten Schritt muss endgültig der Strafzins von 0,5 Prozent vom Tisch, also die Gebühr, die Banken für bei der EZB geparktes Geld zahlen müssen. Dieser Zins muss auf null Prozent angehoben werden. Denn Banken reichen diesen Strafzins auch an Kundinnen und Kunden weiter. In einem dritten Schritt muss die Europäische Zentralbank ihre Nullzinspolitik beenden.

    Also endgültig die Zinswende einleiten und die Zinsen erhöhen.

    Ferber: Ja, die EZB muss die Zinsen wieder im Interesse von Sparerinnen und Sparern nach oben setzen.

    Also erhöhen?

    Ferber: Ja, das ist die Botschaft, welche die Finanzmärkte dringend benötigen. Den ersten Schritt, also die Ankündigung, die Aufkaufprogramme zu beenden, muss bereits bei der Ratssitzung am Donnerstag erfolgen. Bisher hat die EZB nur angekündigt, das mit der Pandemie in Zusammenhang stehende Notaufkaufprogramm von Staatsanleihen auslaufen zu lassen. Die EZB muss jetzt massiv auch aus anderen Aufkaufprogrammen aussteigen.

    EZB-Präsidentin Christine Lagarde steht unter Druck, die Zinsen im Euro-Raum zu erhöhen.
    EZB-Präsidentin Christine Lagarde steht unter Druck, die Zinsen im Euro-Raum zu erhöhen. Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Doch im Süden Europas existieren unter Schuldenländern große Sorgen, dass es für sie nach einem Ende der ultralockeren Geldpolitik der EZB teurer wird, sich zu refinanzieren.

    Ferber: Es ist aber nicht Aufgabe der Europäischen Zentralbank, Staaten zu finanzieren. Die EZB muss vielmehr die Preise stabil halten, also verhindern, dass die Inflation dauerhaft über zwei Prozent steigt. So steht es in den europäischen Verträgen.

    Länder wie Italien könnten aber nach Zinserhöhungen in eine schwere Krise stürzen. Schließlich wird ihre Schuldenpolitik für sie dann deutlich teurer. Droht ein neues Euro-Desaster?

    Ferber: Unser größtes Euro-Sorgenkind Italien konnte seine Schulden so umschichten, dass die Zinslast massiv nach unten gegangen ist. So wird die Zinslast für das Land nicht enorm steigen, wenn die Europäische Zentralbank ihren Kurs ändert. Und der frühere EZB- und heutige italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat es geschafft, das Land auf einen höheren Wachstumskurs zu schicken. Das Beispiel Italien zeigt: Mit Wachstum kann man auch aus den Schulden rauswachsen. Italien ist hier dem guten deutschen Beispiel gefolgt. Ich glaube also, dass Italien die Zinswende verkraften kann.

    Markus Ferber macht sich Sorgen um die Euro-Währungsgemeinschaft.
    Markus Ferber macht sich Sorgen um die Euro-Währungsgemeinschaft. Foto: Ralf Lienert

    Finanzpolitik kann, wie diese Tage zeigen, auch eine wirkungsvolle Waffe sein. Die EU setzt Russland mit Sanktionen massiv zu.

    Ferber: Wir haben die russischen Devisen- und Goldreserven in der EU eingefroren. Die russische Notenbank kann sie außerhalb Russlands nicht nutzen. Unsere Sanktionen greifen. Die in Österreich angesiedelte Tochter des größten russischen Bankhauses, der Sberbank, musste geschlossen werden. Die EU hat dafür gesorgt, dass die Teilhabe Russlands an den internationalen Kapitalmärkten so beschränkt ist, dass der Rubel massiv unter Druck geraten ist und die russische Notenbank die Zinsen auf 20 Prozent verdoppeln musste. Wir wollen damit das Umfeld von Putin ökonomisch treffen, damit in diesen Reihen Widerstand gegen Putin wächst.

    Sie hoffen also, dass Oligarchen, deren Vermögen kleiner wird, Putin entmachten?

    Ferber: Das ist unsere Hoffnung. Am Ende müssen die Oligarchen Putin absetzen. Auf alle Fälle haben wir es geschafft, dass Oligarchen massive Einschnitte bei der Nutzung ihrer Vermögen hinnehmen müssen. Andererseits ist es beschämend zu sehen, dass eine Schweizer Bank, die Oligarchen-Jachten finanziert hat, Hedgefonds auffordert, diese Unterlagen zu vernichten, um die Verbindungen nicht mehr nachvollziehbar zu machen. Da gibt es noch Schleusen, die geschlossen werden müssen.

    Europa tritt momentan geschlossener auf, als das mancher jemals für möglich gehalten hat.

    Ferber: Wenn Putin eines erreicht hat, dann dass die Europäer so eng zusammenarbeiten und gemeinsam Beschlüsse fassen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und das, obwohl die Sanktionen gegen Russland auch uns treffen werden. Selbst die Schweiz, die sich sonst gerne neutral verhält, hat sich durchgerungen, die europäischen Sanktionen gegen Russland zu unterstützen. Putin hat also die Europäer samt der

    Wie hart werden die Folgen der Sanktionen Deutschland treffen?

    Ferber: Die Energiepreise werden weiter ansteigen. Das trifft gerade Schwaben mit den dort angesiedelten vielen Betrieben aus energieintensiven Branchen sehr hart. Diese Firmen haben sich vor Jahrzehnten bewusst in

    Zur Person: Markus Ferber, 57, gehört seit 1994 für die CSU dem Europäischen Parlament an. Er ist dort Sprecher der EVP-Fraktion im wichtigen Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Chef der CSU in Schwaben, seit 1999 Mitglied des Parteivorstands der

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