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Europäischen Zentralbank: Die mächtigste Frau Europas: Christine Lagarde im Porträt

Europäischen Zentralbank

Die mächtigste Frau Europas: Christine Lagarde im Porträt

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    Laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist es unwahrscheinlich, dass die Bedingungen für eine Zinsanhebung im kommenden Jahr erfüllt werden.
    Laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist es unwahrscheinlich, dass die Bedingungen für eine Zinsanhebung im kommenden Jahr erfüllt werden. Foto: Sanziana Perju, European Central Bank, dpa

    Jahrelang galt Angela Merkel als die mächtigste Frau der Welt, nach ihrem Abschied als Bundeskanzlerin taucht sie auf der Liste nicht mehr auf, die das Forbes-Magazin jährlich erstellt. Jetzt steht MacKenzie Scott auf Platz 1, Ex-Frau von Amazon-Gründer Jeff Besos, die sich als Autorin, Geschäftsfrau und angesichts ihres Milliarden-Dollar-Vermögens als Spenderin hervortut. Auf Platz 2 folgt US-Vizepräsidentin Kamala Harris, auf Platz 3 eine Europäerin: Christine Lagarde. Als Präsidentin der Europäischen Zentralbank hat sie Einfluss auf den Zins, den Sparerinnen und Sparer bekommen, aber auch auf das Schicksal ganzer Volkswirtschaften. Wer ist diese mächtige Frau?

    Geboren am 1. Januar 1956 in Paris ist sie in der Normandie mit drei Geschwistern aufgewachsen. Der Vater war Dozent für Literatur, die Mutter Lateinlehrerin. In ihrer Jugend gehörte sie der französischen Nationalmannschaft im Synchronschwimmen an, ein Hinweis, der in keinem Portrait fehlen darf. Bei den französischen Meisterschaften gewann sie eine Bronzemedaille. Seit einem Aufenthalt als Schülerin den USA spricht sie gut englisch, studierte später Arbeitsrecht in Frankreich und fing an, für eine internationalen Großkanzlei zu arbeiten. Lagarde klettere in der Hierarchie nach oben und leitete von 1999 bis 2004 die Kanzlei Baker & McKenzie in Chicago als Präsidentin der Geschäftsführung.

    Christine Lagarde ist die Nachfolgerin von Mario Draghi an der Spitze der EZB

    Im Jahr 2005 dann der Sprung in die Politik: Lagarde wird Mitglied der französischen Regierung, von 2007 bis 2011 ist sie Ministerin für Wirtschaft und Finanzen und begleitet Frankreich durch die Euro-Krise. In diese Zeit fällt auch die kritischste Episode ihrer Karriere, die sonst strikt nach oben gerichtet war. In einem Wirtschaftsprozess steht die Frage im Raum, ob Lagarde dem früheren Adidas-Großaktionär Bernard Tapie begünstigt hat, indem sie vorschnell auf einen Vergleich zwischen Tapie und einer staatlichen Bank absegnete. Es ging um 400 Millionen Euro. Lagarde ging straffrei aus dem Prozess hervor. 2011 wird sie als Nachfolgerin des über einen Sex-Skandal gefallenden Dominique Strauss-Kahn Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Sie modernisiert die Kommunikation und den Kurs des Hauses. Der Fonds verzichtet auf harte Auflagen, die in den betroffenen Ländern zu sozialen Verwerfungen führen hätten können; Frauenrechte und Ungleichheit werden ein Thema. 2019 wird Lagarde Nachfolgerin von Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank.

    Lagarde ist Mutter zwei Kinder, von ihrem Mann ist sie geschieden. Bei Auftritten ist sie stets elegant gekleidet, charmant, bei ihren Reden schlägt ihr Zuspruch entgegen. Gerne fährt sie mit dem Rad durch Frankfurt, mit Helm, damit sie keiner erkennt. Ihr Ziel war es, die Arbeit der EZB besser zu erklären: "Ich betrachte es als eine meine vordringlichsten Aufgaben, den Euro sowie die Zentralbank und ihre Geldpolitik einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen", sagt sie zu ihrem Amtsantritt. In die EZB soll seit ihrem Amtsantritt mehr Teamgeist zurückgekehrt sein. Der EZB-Rat ist gespalten in Anhänger einer harten Geldpolitik - die "Falken" - und Anhänger einer laxeren Geldpolitik - die "Tauben". Lagarde umschiffte die Einordnung geschickt und bezeichnete sich als "Eule".

    Lagarde kauft selbst ein und kennt die Preise für Joghurt, Brot und Butter

    Statt aber langsam in das Amt hineinzuwachsen, fand sich Lagarde angesichts der Corona-Pandemie schnell im Krisenmodus wieder. Der Leitzins lag bereits mit dem Ende der Ära Draghi bei Null, die EZB fuhrt gigantische Kaufprogramme für Staatsanleihen, um Geld in die Märkte zu pumpen. Unter Lagarde legte die EZB mit dem Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP nach, das inzwischen 1,85 Billionen Euro umfasst. "Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliches Handeln", twitterte Lagarde.

    Dies ging gut, solange die Inflation niedrig war. Im November 2021 schoss sie aber in Deutschland auf satte 5,2 Prozent. Die EZB ist der Preisstabilität verpflichtet. Längst fordern Ökonomen, dass die Zentralbank die Druckerpresse anhalten muss, um die Geldentwertung einzufangen. Sie gehe selbst einkaufen und wisse, wie sich die Preise für Joghurt, Brot oder Butter entwickeln, sagte Lagarde kürzlich, wie der Spiegel berichtete. Gleichzeitig betonte sie beharrlich, dass die Inflation nächstes Jahr sinken werde. Ob sie aber auf das alte Niveau fällt, daran gibt es Zweifel: "Wir sind uns der Unsicherheit unserer Inflationsprognosen durchaus bewusst, es besteht ein Aufwärtsrisiko", sagte unlängst EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel.

    Mitte Dezember hat die EZB zumindest angekündigt, ihre Corona-Hilfsprogramm zu beenden. Im März 2022 soll PEPP auslaufen. Der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber reicht dies nicht: "Ich bin nicht zufrieden mit den Beschlüssen", sagt er unserer Redaktion. "Das Programm war befristet bis März, es ist also nur bestätigt worden, dass man sich daran hält." Gleichzeitig habe die EZB bestehende Anleihe-Kaufprogramme flexibilisiert, was die Produkte betrifft, die gekauft werden dürfen. "Das ist kein Signal einer Änderung an den Markt. Der Grundkurs aus Negativzinsen und Anleihekäufen ändert sich nicht", sagt Ferber.

    Mit ihrem Kurs hat die EZB Einfluss auf Inflation und Kaufkraft, darauf also, wie viel sich Arbeitnehmer von ihrem Gehalt an Waren kaufen können oder was die Rücklagen der Sparerinnen auf der Bank wert sind. Die Zinssätze beeinflussen indirekt auch, wie tief sich Länder im Euro-Raum verschulden können, ob sie die Kredite bedienen können oder in die Krise rutschen. Seit Kurzem hat die EZB zudem den Klimaschutz auf ihre Agenda genommen. Lagarde ist überzeugte Klimaschützerin.

    Die Macht der EZB liegt in der Unabhängigkeit begründet

    Manchen gehen solche Initiativen längst zu weit. Politische Aufgabenfelder liegen nicht im Mandat der EZB, lautet der Kritikpunkt.

    Ob Lagarde also die mächtigste Frau Europas ist? "Auf jeden Fall hat sie das meiste Geld", sagt der frühere Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. "Es wäre gut, sie hätte auch die ökonomische Fachausbildung, um zu wissen, wie man es ausgibt", meint er. Lagarde ist Juristin und Politikerin, keine Ökonomin.

    Mächtig jedenfalls ist Lagarde. "Die EZB ist eine machtvolle Institution, dies liegt in ihrer Unabhängigkeit", sagt EU-Kenner Ferber. Anders als Ursula von der Leyen, die als Kommissionspräsidentin dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten verantwortlich ist, sei Lagarde nur den Märkten Rechenschaft schuldig. "Christine Lagarde bewegt sich auf einer Ebene, auf der sie an keine Weisungen gebunden ist", sagt Ferber.

    Nur eine Fessel bleibt: "Gefangen ist sie in der Politik der EZB, die sie von ihren Vorgängern geerbt hat", sagt Ferber. Was immer nötig ist - "whatever it takes" – werde die EZB unternehmen, um den Euro zu halten, schwor Mario Draghi zum Höhepunkt der Finanzkrise. Es folgte die Flutung der Kapitalmärkte mit Geld. Lagarde wird als erste Chefin der EZB beweisen müssen, dass sie auch die Inflation unter Kontrolle halten kann.

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