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Europäische Zentralbank: Droht eine neue Finanzkrise?

Europäische Zentralbank

Droht eine neue Finanzkrise?

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    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank am Frankfurter Mainufer.
    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank am Frankfurter Mainufer. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa

    Die in Schieflage geratene Silicon Valley Bank in den Vereinigten Staaten und ihre spürbaren Auswirkungen auch auf den deutschen Aktienmarkt, die anstehende, zu erwartende Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank und die kommende Woche folgende Sitzung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) – es ist viel Bewegung in den Finanzmärkten. Droht eine neue Finanzkrise? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten. 

    Wird die Europäische Zentralbank – wie lange erwartet – am Donnerstag an der Zinsschraube drehen?

    Der Chefvolkswirt der DZ-Bank, Michael Holstein, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: Ja. „Die EZB hat sich eigentlich schon auf 50 Basispunkte im März festgelegt. Davon kann man also ausgehen – trotz der Nervosität, die die in Schieflage geratene Silicon Valley Bank ausgelöst hat.“ Es werde dann aber mit Sicherheit „sehr genau“ darauf geschaut, welchen Ausblick die EZB gibt und wie sie sich zur aktuellen Situation äußert. Holstein meint: „Ich glaube nicht, dass die derzeitige Unsicherheit Einfluss auf diesen Zinsentscheid hat, denn das könnte umgekehrt für noch größere Nervosität sorgen. Dann würde sie zeigen, dass sie den Fall der Silicon Valley Bank als ein systemrelevantes Ereignis bewertet. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie das tut.“ 

    Der nächste Zinsentscheid der US-Notenbank Federal Reserve steht kommende Woche an. Anfang Februar hatte sie die Zinsen langsamer erhöht – auf eine Spanne von 4,50 bis 4,75 Prozent. Zuvor hatten die Amerikaner viermal um 0,75 Prozentpunkte und dann im Dezember noch um 0,5 Prozentpunkte erhöht. Wie wird sich die Fed angesichts der neuen Situation verhalten?

    Holstein analysiert so: „Vor dem Hintergrund der jüngsten Turbulenzen würde ich davon ausgehen, dass Fed-Präsident Jerome Powell und seine Kollegen die Zinsen nur minimal erhöhen, um zu signalisieren: Wir machen weiter, wollen wegen der jüngsten Schwierigkeiten aber nicht überziehen. Ich kann mir deshalb schwer vorstellen, dass man nächste Woche nochmals mit 50 Basispunkten nachzieht, sondern mit weniger.“ Das Umfeld sei dafür gerade „etwas zu fragil“. 

    Wie lange wird die EZB überhaupt noch an der Zinsschraube drehen müssen, bis die Inflation im Griff ist und idealerweise auf zwei Prozent sinkt?

    Das ist sehr schwer zu sagen, meint Holstein: „Man muss nach so einer langen Niedrigzinsphase zunächst abwarten, wie die Wirtschaft und das ganze System auf die Erhöhungen reagiert.“ Holstein kann sich nach der erwarteten Erhöhung am Donnerstag einen weiteren Schritt um erneut 50 Basispunkte vorstellen, dann aber, so schätzt der Experte die Perspektive ein, werde die EZB ein paar Monate abwarten – abhängig von der Entwicklung der Inflationsraten. Zumindest mittelfristig sei das Zwei-Prozent-Ziel aber wohl kaum zu erreichen. 

    Könnte das Beben um die Silicon Valley Bank eine neue Finanzkrise auslösen?

    Der Chefvolkswirt glaubt das nicht. Zum einen, weil die Banken sehr viel besser dastünden als 2008, als die Lehman-Bank kollabierte und eine weltweite Finanzkrise auslöste. Heute, sagt Holstein, seien die Banken, was die Kapitalausstattung und die Sicherheiten angehe, viel solider aufgestellt. Denn: „Wir haben schließlich 15 Jahre fortgesetzte Regulierung des Bankensektors hinter uns.“ Trotzdem zeige sich, dass der sehr steile Zinserhöhungspfad des vergangenen Jahres auch Belastungen mit sich bringe. Und diese seien umso höher, desto unausgewogener das Geschäftsmodell einer Bank sei. Holstein bilanziert vorläufig so: „Eine gewisse Unsicherheit ist sicherlich da, aber dass es zu einer Vertrauenskrise im Bankensektor kommt, glaube ich nicht. Der Bankensektor steht viel besser da als 2008. Das zeigt auch die weiterhin unauffällige Lage am Interbankenmarkt.“ 

    Was bedeutet das erhöhte Zinsniveau für die Staatsschulden?

    Das Thema Staatsschulden und die Belastungen, die daraus resultieren, verdeutlicht Holstein, sind wieder viel präsenter in der öffentlichen Diskussion und in der politischen Debatte. In Niedrigzinsphasen konnten sich Staaten für wenig oder fast nichts verschulden. Dann kam die Corona-Krise mit ihren Sondererfordernissen, die Maastricht-Kriterien waren außer Kraft gesetzt, dann überfiel Russland die Ukraine. Holstein sagt: „Wir hatten eine Sondersituation. Das ist nun aber völlig anders. Gerade in Italien – aber längst nicht nur dort – ist klar, dass der hohe Schuldenstand zu den wieder deutlich gestiegenen Zinsen den Haushalt stärker belastet. Und ich glaube, wir werden in Brüssel künftig ganz schwierige Diskussionen darüber haben, wie man zu den Maastricht-Regeln zurückkehrt und diese so anpasst, dass deren Einhaltung auch realistisch ist. Immer höhere Schulden sind für die langfristige Stabilität des Euroraums aber Gift.“ 

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