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EU-Atomgipfel: Erlebt die Kernkraft eine Renaissance?

EU-Atomgipfel

Erlebt die Kernkraft eine Renaissance?

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    Staats- und Regierungschefs stehen für ein Gruppenfoto vor dem Atomium während eines Kernenergie-Gipfels auf der Expo in Brüssel.
    Staats- und Regierungschefs stehen für ein Gruppenfoto vor dem Atomium während eines Kernenergie-Gipfels auf der Expo in Brüssel. Foto: Nicolas Maeterlinck, Belga/dpa

    Das Atomium in Brüssel gehört zu den Überbleibseln einer anderen Welt. Ein 102 Meter hohes Bauwerk zwischen Skulptur und Architektur, dessen neun Eisenatome bis heute an den uneingeschränkten Optimismus erinnern, der Ende der 1950er- und in den 1960er-Jahren hinsichtlich der zivilen und friedlichen Nutzung der Kernspaltung herrschte. Symbolträchtiger also hätte der Ort kaum sein können, wo sich am Donnerstagvormittag rund 30 Staats- und Regierungschefs und Delegationen aus der ganzen Welt auf Einladung Belgiens und der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) zum Gipfel trafen, um den bisher größten Vorstoß zur Wiederbelebung der Atomenergie in Europa zu unternehmen. Im vergangenen Jahr hat sich für dieses Ziel sogar ein Bündnis gebildet unter Führung von Paris. Mittlerweile gehören der Allianz 14 EU-Länder an, die Druck machen. 

    In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, man wolle daran arbeiten, "das Potenzial der Kernenergie voll auszuschöpfen", indem die Staatenlenker "Maßnahmen ergreifen wie etwa die Schaffung von Bedingungen zur Unterstützung und wettbewerbsfähigen Finanzierung der Lebensdauerverlängerung bestehender Reaktoren". Strom aus Atomkraftwerken sei für die Verringerung klimaschädlicher CO₂-Emissionen unerlässlich.

    EU-Ratspräsident: Kernenergie gegen die Klimakrise

    Kernenergie könne "uns einerseits helfen, die Klimakrise zu bewältigen, und sie kann uns helfen, unsere strategische Autonomie aufzubauen", sagte denn auch EU-Ratspräsident Charles Michel. Man müsse Kernkraft "aus der ideologischen Geiselhaft befreien", befand Ungarns Regierungschef Viktor Orbán am Donnerstagmorgen. Und Belgiens Premierminister Alexander De Croo bezeichnete sie als "ein Teil des Puzzles" angesichts des steigenden Bedarfs. 

    Bei der Veranstaltung wurde vorneweg die Frage diskutiert, wie AKW-Projekte schneller umgesetzt und leichter finanziert werden können. "Wir haben immer noch eine internationale und institutionelle Architektur, die die Finanzierung von Nuklearprojekten verbietet", kritisierte IAEA-Chef Rafael Grossi. Atomkraft müsse auf Augenhöhe mit anderen Energieprojekten behandelt werden. Die Kernenergie sei da, so der Argentinier. "Sie hat eine wichtige Rolle zu spielen." 

    Zahlreiche Länder in Europa bauen neue AKW, allerdings explodieren teilweise die Baukosten

    Tatsächlich gehen in der EU die Meinungen bei dem heiklen Thema weit auseinander. Während Deutschland im April 2023 seine letzten Meiler abgeschaltet hat, setzen andere Länder in Zeiten der Energiekrise auf eine Renaissance der Kernkraft. So plant nicht nur Schweden zwei neue Reaktoren. Insbesondere Frankreich treibt das Thema um. Dort stehen nicht nur die meisten Anlagen der Gemeinschaft. Es werden, wie auch in der Slowakei, gerade neue errichtet. Aktuell betreiben zwölf von 27 EU-Ländern Atomkraftwerke. Belgien hat infolge des Kriegs in der Ukraine den Ausstieg auf 2035 verschoben. Und während die einen ausbauen, steigen andere erst ein. So verfolgt neben Tschechien auch Polen den Weg weg von der Kohle und hin zu einem umfassenden Kernenergieprogramm. Insgesamt sechs AKW sollen bis Mitte der 2040er-Jahre stehen. Ob die Ziele so auch erreicht werden können, bezweifeln jedoch viele Beobachter. 

    Projekte der Vergangenheit und Gegenwart, ob in Frankreich, Großbritannien oder Finnland, haben gezeigt, dass die Kosten oft regelrecht explodieren und Termine für die Fertigstellung unaufhörlich nach hinten verschoben werden. Um die Kosten, Produktionszeiten und Risiken zu senken, plädierten die Teilnehmer des Gipfels für den raschen Einsatz neuerer und kleinerer Reaktoren. Zunehmend Anhänger finden beispielsweise Small Modular Reactors (SMR). 

    Martin Huber, CSU: "Können auf die Kernkraft für klimaneutrale Industrie nicht verzichten"

    In der Union, aber auch in der FDP bedauert man vor diesem Hintergrund den deutschen Atomausstieg 2023: "Der Ampelausstieg aus der Kernkraft war ein großer Fehler, seitdem müssen wir teuren Atomstrom aus Nachbarländern importieren", sagt CSU-Generalsekretär Martin Huber unserer Redaktion. "Wind, Wasser und Sonne alleine reichen für eine grundlastfähige Energieversorgung nicht aus", fügt er an. Der Klimaschutz spielt auch für ihn als Argument eine große Rolle: "Auf die Kernkraft können wir auf dem Weg hin zu einem klimaneutralen Industriestandort nicht verzichten", argumentiert er. "Das zeigt auch die Entscheidung vieler Industriestaaten, noch stärker auf die Kernkraft zu setzen."

    Die CSU sieht in der Kernkraft nach wie vor eine Zukunftstechnologie: "Anstatt, wie die Ampel, aus Ideologie bewährte und neue Technologien zu verbieten, muss Deutschland Pionier bei der Kernfusion werden und auch kleine Kernkraftwerke nutzen, die in Zukunft ihre eigenen Abfälle weiterverarbeiten können", sagt Huber. "Bayern investiert mit der Hightech Agenda massiv in die Forschung dieser Zukunftstechnologien."

    Bijan Djir-Sarai, FDP: Deutschland soll Vorreiter der Kernfusion sein

    In der FDP setzt man ausdrücklich auf das Thema Kernfusion und fordert ein eigenes Fusionsgesetz. Bei der Kernfusion wird nicht mit spaltbarem Uran gearbeitet, sondern mit der Fusion von Wasserstoff-Atomen – ein Prozess, der in der Sonne stattfindet. "Als führende Industrienation muss Deutschland auf ein breites Spektrum der Energieversorgung setzen", sagt Generalsekretär Bijan Djir-Sarai unserer Redaktion. "Gerade in Zeiten angespannter Energiemärkte sollten wir uns weitere Optionen offenhalten und zukunftsweisende Technologien nicht verschlafen, der Ausstieg aus der Kernenergie ist daher bedauerlich." Die FDP habe das Ziel, Deutschland zu einem "Vorreiter bei der Kernfusion" zu machen. "Diese bietet die gewaltige Chance, klimaneutrale Energie sicher, günstig und verlässlich in Deutschland zu produzieren", erklärt Djir-Sarai. Erste Förderprogramme habe man bereits auf den Weg gebracht. "Jetzt braucht Deutschland auch ein Fusionsgesetz, um Hürden bei der Entwicklung dieser wichtigen neuen Technologie aus dem Weg zu räumen."

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