Ohne die hohen Stromimporte aus dem Ausland hätten die deutschen Privathaushalte und Wirtschaftsunternehmen im vergangenen Jahr noch höhere Energiekosten bezahlt. Die Bundesnetzagentur bestätigte jetzt einen Bericht unserer Redaktion, wonach Deutschland im vergangenen Jahr erstmals ein Milliardendefizit im internationalen Stromhandel eingefahren hat. Die Union kritisierte erneut die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke als Fehler und warnte vor neuen Problemen beim Kohleausstieg.
Deutschland importiert elf Prozent des Stromverbrauchs
Insgesamt importierte Deutschland nach Angaben der Bundesnetzagentur Strom zu Kosten von 5,7 Milliarden Euro, denen Exporterlöse von nur 3,5 Milliarden Euro gegenüberstanden. Unter dem Strich weist die Stromhandelsbilanz damit erstmals seit Jahren ein Minus auf: Im Wert von 2,289 Milliarden Euro wurde mehr Strom aus Deutschland importiert, als exportiert. Die gesamten Stromimporte machten mit 54 Terawatt gut elf Prozent des gesamten deutschen Stromverbrauchs aus. Allerdings exportierte Deutschland zur gleichen Zeit 42 Terawatt, sodass 11,7 Terawatt netto mehr Importe aus dem Ausland flossen.
Es fällt auf, dass nach den Zahlen der Netzagentur zufolge die negativen Zahlen in der Stromhandelsbilanz von April bis Oktober in den Monaten nach dem Atomausstieg aufliefen. Allerdings lassen sich laut Experten aus dem Milliardendefizit jedoch nicht die Kosten des Atomausstiegs ablesen.
Bundesnetzagentur: Importe senken Stromkosten
„Deutschland verfügt über ausreichend Erzeugungskapazität, um den Strombedarf auch ohne Importe jederzeit zu decken“, sagte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur unserer Redaktion. „Wird Strom importiert, liegt das daran, dass der Strom im Ausland günstiger war“, betonte sie. „Durch die Importe wird der Strom also für die Verbraucher in Deutschland preiswerter“, erklärte die Behördensprecherin.
Die Strompreise für Privathaushalte in Deutschland lagen angesichts der explodierenden Energiekosten etwa für den Brennstoff der Gaskraftwerke infolge des Ukraine-Kriegs im Jahresschnitt 2023 so hoch wie noch nie. Laut der Stromanalyse des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW betrug der Strompreis für Privathaushalte im Jahresschnitt 45,73 Cent pro Kilowattstunde - 50 Prozent mehr als noch im Jahr 2019. Für die Industrie lagen die unter anderem bei den Abgaben niedrigeren Strompreise dagegen im vergangenen Jahr mit 24,5 Cent günstiger als 2022, als energieintensive Unternehmen mit Schnitt laut BDEW 43,2 Cent pro Kilowattstunde bezahlen mussten.
Unionsfraktionsvize Spahn kritisiert Atomausstieg als "schweren Fehler"
Der stellvertretende Unionsfraktionschef Jens Spahn kritisierte die hohen Stromimporte und Verbraucherpreise im vergangenen Jahr, nachdem am 15. April 2023 die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet und seitdem zurückgebaut wurden. „Trotz Energiekrise drei sichere und klimaneutrale Kernkraftwerke abzuschalten, war ein schwerer Fehler“, sagte Spahn unserer Redaktion. „Bürger und Unternehmen zahlen mit hohen Stromkosten den Preis für die Politik der Ampel“, kritisierte er.
Der CDU-Politiker warnte vor ähnlichen Entwicklungen beim geplanten Ausstieg aus der Kohleverstromung „Am Ende diesen Monats gehen weitere acht Gigawatt Kohlekraft dauerhaft vom Netz, ohne jeden Ersatz“, sagte Spahn. „Auch im nächsten Winter werden wir wieder abhängig von unseren Nachbarn sein und teuer Strom importieren“, betonte der CDU-Politiker. „Die Ampel macht Deutschland zu einem Stromnot-Land“, kritisierte Spahn. „Es muss gelten: kein Ausstieg mehr ohne vorherigen Einstieg in entsprechenden Ersatz. Bevor weitere Kohlekraftwerke vom Netz gehen, müssen entsprechend Gaskraftwerke gebaut sein.´“
Inzwischen sinken die Strompreise weiter. Laut den Zahlen des Versorgerverbands BDEW lagen die Durchschnittspreise für Privathaushalte im Februar bei 42,2 Cent pro Kilowattstunde. Für Industriestrom sanken sie sogar nach der weitgehenden Senkung der Stromsteuer für energieintensive Unternehmen mit 17, 65 Cent auf Vorkriegsniveau.