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Autoindustrie: Was EU-Strafzölle auf chinesische E-Autos bedeuten könnten

Autoindustrie

Was EU-Strafzölle auf chinesische E-Autos bedeuten könnten

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    Lange wurde China für die Qualität seiner Autos belächelt. Doch das ändert sich rasant. Schon bald dürften die Chinesen die Autonationen Japan und Deutschland beim Export hinter sich lassen.
    Lange wurde China für die Qualität seiner Autos belächelt. Doch das ändert sich rasant. Schon bald dürften die Chinesen die Autonationen Japan und Deutschland beim Export hinter sich lassen. Foto: Geng Yuhe/Xinhua, dpa

    Es waren wenige Sätze, doch sie schlugen ein: Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch während ihrer Rede zur Lage der Union davon sprach, dass die Weltmärkte mit billigeren chinesischen Elektroautos "überschwemmt" würden, war das die erste Push-Meldung wert. Sie sagte, dass der Preis dieser Autos durch "riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt" würde, dass das "unseren Markt verzerren" würde. Was in der Folge bedeutet: Die EU-Kommission hat eine Antisubventionsuntersuchung zu Elektrofahrzeugen aus China eingeleitet. Heißt: Die EU will genau wissen, wie viel Geld China seinen Unternehmen zur Verfügung stellt. Und ob das regelkonform ist.Europa, so sagte von der Leyen weiter, sei offen für Wettbewerb, nicht aber für einen "ungleichen Unterbietungswettlauf".

    Was aber bedeutet das nun? Spätestens seit der IAA Mobility in München ist auch den Letzten klar, dass chinesische Autobauer einiges können und sich zum Beispiel die deutschen Hersteller von der fernöstlichen Aufholjagd mindestens herausgefordert fühlen dürfen. Aber findet dieser Wettbewerb tatsächlich unter unlauteren Bedingungen statt? Und was würde es bedeuten, wenn die Antisubventionsuntersuchung der EU zulasten Chinas ausginge?

    Maßnahmen gegen Autobauer? Die Reaktion aus China war eindeutig

    Peking reagierte mit deutlicher Kritik auf die Rede. China sei besorgt und unzufrieden mit dieser Sache, hatte ein Sprecher des Handelsministeriums am Donnerstag erklärt. China gehe davon aus, dass die Untersuchungsmaßnahmen dem Schutz der europäischen Industrie dienten. Dies stelle ein "unverhohlenes protektionistisches Verhalten" dar, das sich negativ auf die chinesisch-europäischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen auswirken werde.

    Die deutschen Hersteller, die sehr in China engagiert sind und erhebliche Teile ihres Umsatzes auf dem riesigen Markt machen, reagieren auf Anfrage hingegen sehr zurückhaltend. Die VW-Tochter Audi äußert sich gar nicht dazu. BMW, teilt eine Sprecherin mit, habe die Ankündigung von der Leyens zur Kenntnis genommen, wolle aber von einer Kommentierung des Sachverhalts absehen, solange noch keine konkreten Eckpunkte vorlägen. Und Mercedes verweist darauf, dass freier Handel und fairer Wettbewerb Wohlstand, Wachstum und Innovationskraft sichern. Protektionistische Maßnahmen, so verlautbart ein Sprecher, seien dabei kontraproduktiv. Deshalb unterstütze Mercedes-Benz eine liberale Handelsordnung auf Basis der WTO-Regeln. "Dazu gehört das Prinzip, dass alle Beteiligten die gleichen Bedingungen vorfinden." Auch ein Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) verweist darauf, dass der Verband sich für den "freien, fairen und regelbasierten Handel" einsetze.

    Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, rät zu einer nüchternen Analyse

    Laut EU-Kommission sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der Europäischen Union hergestellte Modelle. Zudem rechnet sie damit, dass der Anteil chinesischer Elektrofahrzeuge von derzeit 8 auf 15 Prozent im Jahr 2025 steigen werde. Die Frage ist, wie sich diese Zahlen zusammensetzen. Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, verweist im Gespräch mit unserer Redaktion genau darauf. Für Antisubventions- und Antidumping-Verfahren gebe es klare Regeln. Und selbst wenn es klare Verdachtsmomente gebe, heiße das noch nicht, dass sich diese am Ende bestätigten. Hier kritisiert der SPD-Abgeordnete von der Leyen: "Dass die Märkte überflutet würden, kann man im Moment überhaupt noch nicht sagen. Auch nicht, dass eine Marktverzerrung stattfindet." Beides müsse erst noch entlang der gesamten Produktions- und Lieferkette ermittelt werden. Von der Leyen allerdings nehme das Ergebnis schon vorweg. Zudem weist Lange darauf hin, dass sich die Untersuchung nicht gegen China als Ganzes, sondern gegen einzelne Hersteller richte. Ferner weist der EU-Parlamentarier darauf hin, dass von der Leyens Rede zur Lage der Union schließlich auch eine Bewerbungsrede für eine zweite Amtszeit gewesen sei. "Ich würde daher auch sagen, dass sie mit dieser Ankündigung vor allem die französische Seite bedient, die eine solche Untersuchung sehr stark gefordert hat." Manche Antisubventionsmaßnahmen seien gegen China gerichtet, aber die seien dann eben faktenbasiert und wenn das Ergebnis nachvollziehbar sei, akzeptiere China das auch. Andernfalls sei mit einer Klage bei der WTO oder eben mit Gegenmaßnahmen zu rechnen. Insgesamt aber rät Lange – gerade auch mit Blick auf die deutschen Hersteller – zu einer nüchternen Analyse. Ohnehin dauere es mindestens ein Jahr, bis die fraglichen Fakten ermittelt seien.

    China-Experte Jürgen Matthes hält das Antisubventionsverfahren für richtig

    Jürgen Matthes, China-Experte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, erscheint die Sorge, dass China massive Gegenmaßnahmen speziell gegen die deutschen Autohersteller in China ergreift, zunächst weitgehend unbegründet. "Die deutsche Autoindustrie setzt in China zunehmend auf die Strategie 'local for local', sie produziert also zunehmend vor Ort ihre Autos für chinesische Kunden. Wenn die chinesische Regierung deutschen Autofirmen Steine in den Weg legen würde, würde sie sich damit nur selbst schaden, weil sie vor allem chinesische Jobs aufs Spiel setzt." Es erscheine angesichts der wirtschaftlichen Schwächephase in China sehr fraglich, ob sie das tun würde. Zugleich kritisiert er das Land: "China wirft der EU blanken Protektionismus vor. Das ist heuchlerisch. Denn China agiert selbst seit langem protektionistisch, weil der chinesische Staatskapitalismus massiv auf industriepolitische Subventionen setzt. Ähnlich wie Zölle verzerrt diese Politik den globalen Wettbewerb, wenn subventionierte chinesische Firmen mit Exporten auf den Weltmarkt drängen."

    Das Problem dabei sei, dass China entlang der ganzen Wertschöpfungskette subventioniere. "Das beginnt bei Produktionsfaktoren wie Kapital und Boden, geht über Rohstoffe und Stahl, die für Batterien und Karosserien wichtig sind, bis hin zu Subventionen für Fabriken, Produktion und Export. Es wird nicht leicht sein, das belastbar zu erfassen." Denn das Subventionssystem sei sehr intransparent und macht die Subventionsmessung sehr schwierig. Das Antisubventionsverfahren hält er dennoch für richtig: "Das ist der Versuch, wieder faire Marktbedingungen herzustellen und gerade kein Protektionismus. Die EU verteidigt sich mit regelkonformen Mitteln gegen unfairen Wettbewerb aus China." 

    Regierungssprecherin erwartet: "Gründliche Abwägung"

    Die Bundesregierung positioniert sich so. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) begrüßten den Schritt der EU-Kommission. Und eine Regierungssprecherin äußerte sich auf Anfrage unserer Redaktion hin so: "Die Bundesregierung hat die aktuelle Entscheidung der EU-Kommission für eine Marktuntersuchung zur Kenntnis genommen." Die EU-Kommission entscheidee selbständig über Verfahren nach der EU-Anti-Subventions-Verordnung. Eine Abstimmung mit den Mitgliedstaaten sei nicht erforderlich. Im Sinne der Verordnung sei zu prüfen, ob mögliche Maßnahmen im Unionsinteresse seien. Weiter heißt es: "Wir erwarten von der Kommission, dass sie hier eine gründliche Abwägung vornimmt und einen sorgfältigen Prüfmaßstab anlegt." 

    Der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, kommentiert die EU-Untersuchung indes so: "Für die international eng vernetzte deutsche Wirtschaft ist ein globales ,level playing field` sehr wichtig. Chinesische Wettbewerbsverzerrungen sind ein besonderes Problem, die Europa entschlossen angehen sollte, aber möglichst nicht über eigene übermäßige Subventionen oder neue Strafzölle als Folge langwieriger Anti-Dumpingverfahren." Durch weltweite Subventionswettrennen werde der freie Wettbewerb immer stärker belastet -zum Schaden der deutschen Unternehmen, die wie kaum eine andere Business-Community auf offene Märkte angewiesen sei. Treier weiter: "Am deutschen Export hängt jeder vierte Job, in der Industrie sogar jeder zweite. Neue Handelskonflikte - und solche mit unserem wichtigsten Handelspartner China allemal - sind daher und vor dem Hintergrund der derzeit multiplen Krisen völlig ungeeignet, uns aus der aktuell schwierigen Situation zu befreien." (mit dpa)

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