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Wirtschaft im WM-Land: Der "Brasilien-Faktor": Hohe Hürden für Unternehmen

Wirtschaft im WM-Land

Der "Brasilien-Faktor": Hohe Hürden für Unternehmen

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    Brasilien, das Fußballland. Brasilien, das Wachstumsland. Doch die Idyllle ist getrübt. Ausländische Firmen klagen über Korruption und Kartelle.
    Brasilien, das Fußballland. Brasilien, das Wachstumsland. Doch die Idyllle ist getrübt. Ausländische Firmen klagen über Korruption und Kartelle. Foto: Wilson Dias

    Gleich zwei sportliche Großereignisse spülen in den kommenden Jahren Milliarden nach Brasilien – die Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr und die Olympischen Spiele 2016. Doch vor den Fans kommen die Unternehmer. Stadien müssen gebaut, die gesamte Infrastruktur verbessert werden – auch für die Zeit nach den Spielen. Aber Korruption, schlechte Infrastruktur und hohe Zölle machen Unternehmen den Einstieg in den Markt schwer. Auch die Proteste gegen die Politik während des Confed Cups Ende Juni hätten Unternehmer verunsichert, sagt Axel Sir, Leiter des Geschäftsfelds International bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben, im Gespräch mit unserer Zeitung.

    Brasilien ist reich an Rohstoffen

    Experten sehen Brasilien auf dem Weg unter die fünf wichtigsten Wirtschaftsmächte. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs zuletzt um 5,7 Prozent, stärker als in allen europäischen Ländern. Wie es am Wochenende hieß, plant der Autobauer Daimler ein weiteres Mercedes-Werk in Brasilien. Auch Firmen aus Schwaben zieht es auf den brasilianischen Markt, berichtet Sir. Inzwischen sind nach Angaben der IHK etwa 200 Industriebetriebe regelmäßig in dem südamerikanischen Land tätig oder haben dort eigene Standorte eröffnet. Zum Vergleich: In den USA sind etwa drei mal so viele Unternehmer aus der Region aktiv.

    Zu der Riege der Brasilien-Pioniere zählen Osram, der Maschinenbauer Grob aus Mindelheim und der Verpackungsspezialist Rose Plastics aus Hergensweiler (Landkreis Lindau). Viele Firmen lockt darüber hinaus der Reichtum an Rohstoffen und Agrarprodukten, sagt Sir: „Brasilien ist attraktiv, das Land entwickelt sich.“

    Das geht auch aus den Zahlen des bayerischen Wirtschaftsministeriums hervor. Inzwischen rangiert Brasilien unter den Top 20 der wichtigsten Exportpartner. In den vergangenen Jahren wuchsen die Ausfuhren zum Teil zweistellig. Die wichtigsten Handelsgüter sind nach Angaben der Statistiker Maschinen, Elektrotechnik und Fahrzeuge.

    In der Anfangsphase wurden Mitarbeiter entführt

    IHK-Experte Axel Sir spricht von einer guten Ausgangslage für Spezialisten aus der Region mit Blick auf Maschinenbauer, Automobilzulieferer und Umwelttechnologie-Anbieter wie das Aichacher Unternehmen MEA. Doch es ist offenbar schwer, auf dem Markt zu bestehen. Klaus Mäusl, Geschäftsführer von Grob, berichtet auf einer IHK-Veranstaltung öffentlich von Korruption und Entführungen. Das Mindelheimer Unternehmen ist seit 1954 in Brasilien aktiv und hat in der Anfangsphase einige Entführungsfälle verkraften müssen. „Da bleibt nichts anderes übrig als zu zahlen“, sagt Mäusl. Damals hätten die Verantwortlichen überlegt, das Feld zu räumen, erzählt der Geschäftsführer. Doch schließlich sei eine andere Lösung gefunden worden: Die gefährdeten Mitarbeiter wurden von ihrer umzäunten Wohnung per Helikopter auf das ebenfalls umzäunte Firmengelände geflogen.

    Kartelle und Importzölle sind weitere Probleme

    Weitaus häufiger sind Probleme mit Bestechlichkeit, Kartellen und hohen Hürden bei der Einfuhr von Gütern. „Importzölle von 50 bis 80 Prozent sind nicht machbar“, betont Patrice Pélissier, Vorstandsvorsitzender der MEA AG. Das Aichacher Unternehmen versucht seit kurzem, Fuß in dem Land zu fassen und hat auch mit Korruption zu kämpfen. Interne Richtlinien verbieten Bestechung und Bestechlichkeit, sagte Pélissier. Doch von manchen Vorständen sei zu hören: „Lass die Finger davon, aber komm mit Aufträgen wieder.“ Ein Spagat, der auch durch die vielen Kartelle erschwert wird. Es gebe, wie Péllisier es ausdrückt, „einige Unternehmen, die sich sehr gut verstehen“. Bei Verhandlungen in Brasilien hätten acht Partner die gleichen Preise präsentiert. Zwei seien sogar gemeinsam zu dem Termin gekommen.

    Auch Brasilien kämpft, wie Deutschland, mit dem Problem des Fachkräftemangels. „Die Jugend, die Menschen sind da, das Potenzial ist gegeben“, betont IHK-Fachmann Sir. Doch dem Bildungssystem fehle es an Struktur. Und die eigenen Mitarbeiter nach Brasilien zu schicken, sei für viele Firmen zu teuer. Sir spricht vom „Brasilien-Faktor“: die Zahl, mit der alle Ausgaben multipliziert werden müssen, weil die Hürden in Brasilien höher sind als in anderen Ländern. Daher empfiehlt er nur Profis, den Schritt auf den lateinamerikanischen Kontinent zu wagen. „Wer noch keine Auslandserfahrung hat, dem raten wir eher zu Österreich, Norditalien und der Schweiz. Das sind die Heimatmärkte der Schwaben“, betont Sir.

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