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Wirtschaft: Osram blendet Siemens

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Osram blendet Siemens

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    Auch dank Osram-Lampen strahlt das Zwischengeschoss der U- und S-Bahn am Münchner Marienplatz im neuen Glanz.
    Auch dank Osram-Lampen strahlt das Zwischengeschoss der U- und S-Bahn am Münchner Marienplatz im neuen Glanz. Foto: Osram

    Wenn sich 260 Millionen Euro plötzlich in Luft auflösen, ist das selbst für einen Milliarden verdienenden Konzern wie Siemens ein großes Ärgernis. Und weil für die Geldschrumpfung auch noch die einst ganz zum Münchner Elektro-Konzern gehörende Licht-Firma Osram verantwortlich zeichnet, hat sich daraus ein Drama entwickelt.

    Osram tritt gegenüber Siemens selbstbewusster auf

    Denn Siemens hält nach dem Börsengang des Licht-Spezialisten gut 17 Prozent an dem Unternehmen. Die Beteiligung machte Konzern-Chef Joe Kaeser lange Freude, schließlich stieg der Kurs der Osram-Aktie Anfang November wieder über 54 Euro, ein immenser Wertzugewinn gegenüber einstigen Notierungen um die 30 Euro. In der Folge spekulierte das Handelsblatt, Siemens hätte sich am liebsten zu einem Traumkurs von rund 50 Euro 2016 schrittweise vollständig von Osram verabschiedet. Doch in der Unternehmenswelt verhält es sich oft fast wie im richtigen Leben, also nicht anders als in Familien. Die sich abnabelnde Tochter Osram tritt immer selbstbewusster gegenüber der Mutter Siemens auf und nimmt nicht mehr so viel Rücksicht wie früher auf die Befindlichkeiten der Ex-Erziehungsberechtigten.

    Verkörpert wird der Kurs durch den neuen, zu guter Laune und Entschlussfreudigkeit neigenden Osram-Chef Olaf Berlien, der in Berlin geboren ist und sein früheres Berufsleben fern der speziellen, oft allzu bürokratischen Siemens-Welt verbracht hat. Der 53-Jährige entschied sich nach Beratung mit dem Aufsichtsrat für einen Befreiungsschlag. Damit begann das Siemens-Osram-Drama. Denn Berlien verkündete, bis 2020 rund drei Milliarden Euro in die Zukunft der durch den radikalen Wandel des Lichtmarktes unter Druck geratenen Firma zu stecken. Weil klassische Lampen rasant an Bedeutung verlieren, investiert der Osram-Chef allein bis zu einer Milliarde in eine neue Chip-Fabrik, die in Malaysia entsteht. Dort sollen LEDs, also Leuchtdioden, eben leuchtende Chips für den Massenmarkt hergestellt werden.

    Strategieschwenk wirkt sich auf Börsenkurs spürbar aus

    Nach dieser Ankündigung aus heiterem Himmel rauschte der Osram-Börsenkurs um knapp 30 Prozent in die Tiefe – ein außergewöhnlich theatralischer Vorgang für heimische Börsenbühnen. Davon hat sich der Wert bis heute kaum erholt. Gerade Manager von großen Aktienfonds sind entsetzt, weil Berlien einen (und das hassen Börsianer) überraschenden und aus ihrer Sicht riskanten Kurs eingeschlagen hat. Denn das Chipgeschäft für den Massenmarkt ist hart umkämpft. Asiaten, lautet eine Branchenregel, beherrschen das Metier mit enormen Preis- und Nachfrageschwankungen besser, zumal einige Regierungen dieser Länder ihre Chip-Fabriken in Krisen subventionieren. Osram-Anleger sind enttäuscht. Sie hatten gehofft, das Unternehmen würde sich von dem mörderischen Chip-Markt fernhalten und sich auf lukrative Nischen wie die Autobeleuchtung beschränken, in denen die Firma weltweit führend ist.

    Auch Siemens fühlt sich vom Strategieschwenk des Osram-Chefs geblendet, zumal der Wert der Beteiligung an dem Unternehmen von 940 auf 680 Millionen Euro gesunken ist. Zumindest auf dem Papier haben sich 260 Millionen in Luft aufgelöst. Wie enttäuscht Kaeser über die Berlien-Aktion sein muss, lässt sich aus einer Pressenotiz des Elektro-Riesen herauslesen. Dort heißt es: „Siemens war und ist mit der jüngsten Aktienkursentwicklung von Osram nicht zufrieden.“ Das kommt einer ungewöhnlich deutlichen Distanzierung eines früheren Mutterkonzerns gegenüber seiner in Freiheit entlassenen Tochterfirma gleich. Berlien scheint das nicht aus der Ruhe zu bringen, auch weil die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, wie IG-Metall-Mann Michael Knuth, hinter seiner neuen Strategie stehen. Der Gewerkschafter sagt: „Wir mussten eine Vorwärtsstrategie einschlagen, sonst können wir Osram irgendwann abwickeln.“ Der Aufsichtsrat wackle nicht. Für Knuth gibt es keinen Grund, die Entscheidung zurückzunehmen, wie das gefordert wurde.

    Zukunft für Augsburger Osram-Werk ist noch offen

    Berlien bleibt jedenfalls stehen, auch wenn ihm ein Sturm der Kritik ins Gesicht bläst. Der Manager ist überzeugt: „Bei Osram werden die Lichter nicht ausgehen.“ Und trotzig fügt er hinzu: „Wer sich nicht bewegt, eckt auch nicht an. Doch Stillstand ist der Tod der Innovation und der Zukunft.“ Geht es nach ihm, soll Osram wie einst massenhaft Glühlampen auch im großen Stil LEDs produzieren und sich dauerhaft einen Platz an der Weltspitze sichern. Ob das Experiment aufgeht, zeigt sich in einigen Jahren.

    Die Beschäftigten des Augsburger Osram-Standorts, in dem Leuchtstoffröhren und Energiesparlampen hergestellt werden, werden das alles mit Wehmut sehen. Sie leben fern der LED-Welt. Das Werk soll verkauft werden. Noch ist offen, wer den Zuschlag erhält.

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