Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Schuldenkrise: Holt Draghi die Bazooka raus?

Schuldenkrise

Holt Draghi die Bazooka raus?

    • |
    EZB-Chef Mario Draghi hatte Ende Juli angekündigt, er wolle alles tun, um den Euro zu retten.
    EZB-Chef Mario Draghi hatte Ende Juli angekündigt, er wolle alles tun, um den Euro zu retten. Foto: dpa

    Es ist wohl nur noch eine Frage von Tagen, bis Mario Draghi, der 65-jährige Präsident der Europäischen Zentralbank, zu einem der mächtigsten Männer Europas aufsteigt. Schon heute hilft die Bank Kreditinstituten und kontrolliert Staaten. In wenigen Monaten wird sie auch für die Überwachung der 6000 Geldhäuser im Euro-Raum zuständig sein – mit der Möglichkeit, deren Führungen schachmatt zu setzen, wenn es geschäftliche Probleme gibt.

    Niemals zuvor haben sich aber die Spitzenbanker so massiv bekriegt, wie dies im Vorfeld der Sitzung der EZB-Spitze am heutigen Donnerstag geschehen ist. Draghi hat dabei die Mehrheit der Banker hinter sich. Sein geldpolitischer Gegner ist Jens Weidmann, Chef der Bundesbank und lange Jahre engster Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dieser scheint isoliert.

    Im Kern geht es bei dem Streit um die Frage, was die EZB tun kann, um den Krisenstaaten zu helfen. Der EZB-Chef will vor allem italienische und spanische Staatsanleihen mit dreijähriger Laufzeit ankaufen und in den Tresor legen. Sein Ziel: Die hohen Zinsen sinken lassen, damit die Staaten wieder an Geld kommen.

    Die Bundesbank befürchtet höhere Inflation

    Bundesbankchef Weidmann fürchtet als Folge ein Heißlaufen der Gelddruckmaschinen und Inflation. Außerdem sei diese Aktion eine verbotene Staatsfinanzierung, die höchst unerwünschte Nebeneffekte habe: Denn warum sollten die Problemkinder in der Währungsunion noch politische, ökonomische und steuerliche Reformen angehen, wenn sie Geld sehr viel billiger bekommen können – ohne unpopuläre politische Umstrukturierungen.

    Die Europäische Zentralbank

    Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt ist die Notenbank für die gemeinsame europäische Währung, den Euro.

    Sie soll vor allem Preisstabilität im gemeinsamen Währungsgebiet der 17 Eurostaaten wahren.

    Zudem soll sie auch die Wirtschaftspolitik unterstützen, soweit das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird.

    Um die Inflation im Zaum zu halten, legt die EZB Leitzinsen fest. Über die Zinsen entscheidet der Zentralbankrat.

    Ihm gehören neben den sechs Direktoriumsmitgliedern der EZB auch die Präsidenten der 17 nationalen Zentralbanken an.

    EZB-Präsident ist seit November 2011 der Italiener Mario Draghi. dpa

    Im Streit zwischen der EZB und der Bundesbank stützt Kanzlerin Angela Merkel den Kurs von Bundesbankchef Weidmann. In der Klausurtagung des Unionsfraktionsvorstands in Berlin habe sie „volle Unterstützung“ für Weidmann geäußert, berichteten Teilnehmer.

    Hinzu kommt, so werden Draghis Gegner nicht müde zu betonen, dass der EZB-Präsident die Hilfsaktion mit dem Geld der Steuerzahler finanzieren will, denn die Mittel für den Anleihenaufkauf stammen zwar aus dem Etat der EZB, der aber von den Mitgliedstaaten getragen wird. Deutschland ist somit bei jeder Aktion mit rund 29 Prozent dabei. Dass die Finanzmarkt-Jongleure die Pläne positiv sehen, kann nicht verwundern. Schließlich pumpt die EZB auf diese Weise frisches Geld in den Markt – in Höhe von mehreren zig Milliarden Euro. Insofern müssen die positiven Reaktionen der Investoren kritisch gesehen werden.

    Präsidenten der Europäischen Zentralbank

    Der Italiener Mario Draghi soll der dritte Präsident an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) werden. Sie ist neben der amerikanischen Federal Reserve weltweit die wichtigste Notenbank - zuständig für die Währung von 17 Ländern mit rund 330 Millionen Einwohnern.

    Draghi folgt auf den Franzosen Jean-Claude Trichet und den Niederländer Wim Duisenberg. Endgültig wird der EU-Gipfel am 24. Juni über die Spitzenpersonalie entscheiden.

    WIM DUISENBERG - Der frühere niederländische Notenbankchef und Finanzminister wurde 1998 zum ersten Präsidenten der EZB berufen und stand bis Oktober 2003 an der Spitze der Notenbank. Duisenbergs Verdienst war es, den jungen Euro international hoffähig zu machen. 1999 wurde unter seiner Regie der Euro aus der Taufe gehoben, 2002 das neue Bargeld eingeführt.

    Mit seinem kompromisslosen Eintreten für Geldwertstabilität setzte er den Standard für seine Nachfolger. Mit seinem Widerstand gegen alle Einflüsterungen der Politik setzte er die Tradition der Deutschen Bundesbank fort. Duisenberg starb 2005 kurz nach seinem 70. Geburtstag an einem Herzinfarkt.

    JEAN-CLAUDE TRICHET - Der frühere französische Notenbankchef versprach gleich nach dem Amtsantritt 2003, er werde Duisenbergs Erbe pflegen und eine strikte Stabilitätspolitik verfolgen. Unter dem heute 68 Jahre alten Trichet hatte die EZB ihre erste große Bewährungsprobe zu bestehen, als die US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 pleiteging.

    Zusammen mit anderen Notenbanken flutete die EZB die Märkte mit Geld und verhinderte so deren Kollaps. Auch der erste Tabubruch der EZB fällt in Trichets Amtszeit: 2010 begann sie, Anleihen angeschlagener Staaten aufzukaufen und so die Rettungsmaßnahmen zu begleiten.

    MARIO DRAGHI - Ohne den überraschenden Rücktritt des damaligen Bundesbank-Präsidenten Axel Weber hätte sich Draghi (63) seiner Kandidatur gar nicht so sicher sein können. Dabei gilt der bisherige Chef von Italiens Zentralbank weltweit als bestens geeignet - auch weil er sich nicht scheut, Politikern öffentlich Kontra zu geben.

    Um sein Erbe an der EZB-Spitze ist Draghi nicht zu beneiden: Nach der schlimmen Finanzkrise sind die Aufräumarbeiten noch längst nicht beendet. Eine Lösung der europäischen Schuldenkrise ist nicht in Sicht. Und steigende Inflationsraten zwingen die Währungshüter, allmählich wieder den Leitzins zu erhöhen - mit noch nicht absehbaren Folgen für die Krisenländer in der EU.

    Die ökonomische Fachwelt ist längst tief gespalten über die Frage, welcher Weg welche Gefahren mit sich bringt. Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück fürchtet, die Politik könne die EZB in die „Rolle eines Staatsfinanzierers“ treiben. Hans-Peter Keitel, Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie, bemängelt, dass mit der Euro-Bank eine Institution die Führung in der Krise übernehme, bei der der „politische Einfluss gleich null ist“.

    Obwohl Draghi am heutigen Donnerstag aus dem Kampf der Banker als Sieger hervorgehen dürfte, wird er noch nicht alle Details seines Konzeptes zur Rettung der Schuldenstaaten öffentlich machen. Denn er braucht den ESM-Rettungsschirm. Aber ob der Schirm überhaupt zustande kommt, entscheidet am nächsten Mittwoch das Bundesverfassungsgericht.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden