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Ratingagenturen: Zwischen Wut und Gelassenheit

Ratingagenturen

Zwischen Wut und Gelassenheit

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    Die Wut über die Ratingagenturen ist wieder da.
    Die Wut über die Ratingagenturen ist wieder da.

    Die Angst um den Euro ist wieder da. Die Wut über die Ratingagenturen auch. Das ist fast ein Währungskrieg, kommentierte der CDU-Europa-Abgeordnete Elmar Brok am Wochenende die Entscheidung von Standard & Poor’s vom Freitagabend, Frankreich und acht weitere Euro-Länder abzuwerten (wir berichteten).

    Martin Schulz, der bisherige sozialdemokratische Fraktionschef in der europäischen Volksvertretung und ab morgen mutmaßlich auch deren neuer Präsident, sprach gar von einem gezielten Angriff auf die Stabilität des Europäischen Rettungsschirms.

    Schäuble bewahrt die Ruhe

    Dagegen blieben andere fast schon erstaunlich gelassen. „Wir sollten die Ratingagenturen nicht überschätzen“, ließ sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nicht aus der Ruhe bringen.

    Tatsächlich zeigen sich Politik und Investoren angesichts immer neuer Herabstufungsrunden der Bonitätsprüfer längst nicht mehr so aufgeregt wie noch vor einem Jahr. Dass Portugals Staatsanleihen bereits auf Ramschniveau gehandelt werden, beunruhigt niemanden mehr. Und selbst als die Ratingexperten im vergangenen August das schier Unfassbare taten und den Vereinigten Staaten eines von drei „A“ aberkannten, hielt die Aufregung nur kurz an.

    Heute wächst die amerikanische Wirtschaft wieder kräftig, die Zinsen stiegen nicht einmal einen Tag lang wirklich schmerzhaft an.

    Ratingagenturen: Das sind Standard & Poor's, Moody's und Fitch

    Drei Ratingagenturen mit langer Geschichte und US-amerikanischen Wurzeln beherrschen den weltweiten Markt für die Benotung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten.

    STANDARD & POOR'S (S&P): Der Ratingriese ist Teil des Gemischtwarenladens McGraw-Hill - ein börsennotierter Medienkonzern, der unter anderem Schulbücher verlegt.

    An McGraw-Hill wiederum sind große Investmentfonds beteiligt sowie Unternehmenschef Harold McGraw.

    Bis Ende 2012 soll der US-Konzern aufgespalten werden in eine Bildungs- und eine Finanzmarktsparte, zu der dann auch S&P gehört.

    MOODY'S: Der härteste Konkurrent von S&P ist selbst börsennotiert. Anteile halten eher unauffällige Investmentfonds, aber auch Investoren-Legende Warren Buffett, der mit seiner Firma Berkshire Hathaway auf mehr als zehn Prozent der Moody's-Anteile kommt.

    Als S&P Anfang August die Kreditwürdigkeit der USA von der Topnote AAA auf AA herabstufte, kritisierte Buffett dies scharf.

    FITCH: Die kleinere Nummer drei geht ebenfalls auf einen US-amerikanischen Gründer zurück, gehört heute aber zu 60 Prozent dem börsennotierten französischen Finanzinvestor Fimalac

    Die restlichen Anteile hält der US-Medienkonzern Hearst («Cosmopolitan», «Elle», ESPN). Hinter Fimalac steht der in Frankreich weit vernetzte Geschäftsmann und Unternehmer Marc Ladreit de Lacharrière.

    Fitch sitzt in New York und London.

    So erinnerten auch am Wochenende führende Finanzmarktexperten daran, dass genau besehen kaum mehr in der umstrittenen Warnung von Standard & Poor’s enthalten sei als das, was man längst wisse: Die Euro-Zone rutscht in die Rezession, viele Länder müssen hohe Zinsen für Kredite bezahlen, die Geldversorgung bei den Banken ist knapp und man kommt nicht recht bei der Lösung der Krise voran.

    Ein hoher Beamter der EU-Kommission sagte am Wochenende: „Wer in den letzten Wochen aufmerksam seine Zeitung gelesen hat, wusste das alles.“ Auch in Brüssel gibt man sich deshalb eher unaufgeregt. Die schlechte Note für neun Euro-Staaten sei wohl eher ein Warnschuss, heißt es. Auch von einem Weckruf ist die Rede. Der könne nur guttun.

    Da ist etwas dran, laufen hinter den Kulissen doch die Vorbereitungen für den inständig erwarteten Vertrag zur neuen Fiskalunion auf Hochtouren, aber eben nicht rund. Gleich mehrfach glätteten die Vertreter der Mitgliedstaaten nämlich einschneidende Bestimmungen wieder so sehr, dass die deutschen Unterhändler von inakzeptablen Vorschlägen sprachen.

    So war plötzlich nicht mehr von einer zwingenden Festschreibung der Schuldenbremse in den Verfassungen der Mitgliedstaaten die Rede, sondern nur noch von möglichst verfassungsrechtlicher Verankerung.

    Die Liste der Punkte, die Deutschland den Entwurf als schwach beurteilen lässt, ist lang. „Vielleicht haben die Verhandler jetzt verstanden, wie ernst die Lage ist und dass nur ein ambitioniertes Abkommen die Skepsis der Finanzmärkte beseitigen kann“, sagt einer, der bei den Vertragsgesprächen mit am Tisch sitzt, aber namentlich nicht genannt werden kann.

    Darauf setzen derzeit viele Teilnehmer an den Finanzmärkten. Schließlich bedroht die Abwertung der US-Experten auch den Rettungsschirm. Da nur noch vier Euro-Staaten (Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und Finnland) Bestnoten erhalten, besteht die Gefahr, dass auch die Hilfskasse der Währungsunion selbst keine Bestnoten mehr bekommt. Und das würde heißen: Die Anleger könnten sich Investitionen in den Rettungsschirm EFSF doch noch einmal überlegen. Und der hätte dann Probleme, die bisher garantierten 440 Milliarden beispielsweise bei einem Notfall in Italien auf die erhoffte eine Billion Euro zu erhöhen.

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