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Post-Corona-Boom: Bis zu drei Prozent: Experten erwarten stark steigende Inflation

Post-Corona-Boom

Bis zu drei Prozent: Experten erwarten stark steigende Inflation

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    Nach dem Ende der Corona-Epidemie könnten die Preise deutlicher anziehen als bisher, sagen Experten. Nicht nur bei Lebensmitteln, sondern auch bei Reisen oder Gebrauchtwagen wie in den USA.
    Nach dem Ende der Corona-Epidemie könnten die Preise deutlicher anziehen als bisher, sagen Experten. Nicht nur bei Lebensmitteln, sondern auch bei Reisen oder Gebrauchtwagen wie in den USA. Foto: dpa

    Wer träumt derzeit nicht davon, dass er bald wieder im Restaurant essen oder in sein Lieblingsurlaubsland fliegen kann, sobald die Corona-Pandemie im Griff ist? Derzeit verfestigt sich allerdings die Vorahnung, dass das gute Leben nach der Krise seinen Preis haben könnte. Vor allem eine Zahl ließ in den vergangenen Tagen aufhorchen: In den USA sind die Preise im April um 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Vor allem Gebrauchtwagen, Hotelübernachtungen und Flüge sind in Amerika teurer geworden, berichtet Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Helaba.

    Die überraschend hohe US-Inflationsrate hat in New York vergangene Woche ein kleines Börsenbeben ausgelöst, der Dow Jones fiel von rund 35.000 Punkten steil Richtung 33.000 Punkte.

    Steigende Inflationszahlen machen Anleger häufig nervös, da sie damit rechnen müssen, dass die Zentralbanken mit steigenden Zinsen reagieren. Dies würde Aktien unattraktiver machen und es Unternehmen erschweren, zu investieren. Die Börsen in den USA haben sich zwischenzeitlich zwar erholt. Das Thema Inflation aber bleibt auf der Tagesordnung: Experten erwarten für Deutschland und Europa ähnliche Preiserhöhungen.

    Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank: "Inflation im Euroraum wird steigen"

    "Die Inflation wird auch im Euroraum in den kommenden Monaten steigen", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Der Grund für die anziehende Inflation ist die einsetzende wirtschaftliche Erholung. Wenn der Lockdown gelockert wird, gehen die Menschen häufiger raus, sie werden konsumieren und Geld ausgeben." Dazu kommen bereits die gestiegenen Benzinpreise. "Was wir mit Blick auf die anziehende Inflation in den USA sehen, werden wir deshalb zeitversetzt und in abgeschwächter Form auch bei uns sehen", ist Krämer überzeugt.

    Davon geht auch Helaba-Chefökonomin Traud aus: „Die steigende Inflation ist ein globales Thema“, sagt sie. Der Grund seien „die gigantischen Fiskalpakete und Nachholeffekte“, die sich nach der Corona-Krise entfalten werden. „Die Menschen konnten 14 Monate viele Güter und insbesondere Dienstleistungen nicht kaufen, bald haben sie aber die Gelegenheit dazu“, sagt sie. "Wenn alle das Gleiche wollen, steigen die Preise", erklärt Traud. Dazu kommen in Deutschland einige Sondereffekte, die preistreibend wirken: Zum Jahresanfang hat der Staat die Mehrwertsteuer auf das Niveau vor der Krise angehoben, zudem macht der neue CO2-Preis fossile Brennstoffe teurer.

    Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba: "In einzelnen Monaten sind mehr als 3 Prozent Inflation möglich"

    Deutlich teurer geworden sind schon Rohstoffe und Vorprodukte für die Industrie – wie Holz, Kupfer, Öl. Die Preise steigen hier aktuell im zweistelligen Prozentbereich, sagt Traud. "Natürlich wird dieser Preisanstieg bei den Vorleistungsgütern auch auf Endkundenpreise durchschlagen. "Ja, wir glauben deshalb auch, dass wir höhere Inflationsraten sehen werden", meint sie.

    Im Detail geht die Commerzbank genauso wie die Deka-Bank dieses Jahr in Deutschland von einer Inflation von im Schnitt 2,5 Prozent aus (nach 0,5 Prozent im Vorjahr), die Helaba von 2,3 Prozent. Wobei die Entwicklung im Jahresverlauf an Fahrt gewinnen könnte: "In der zweiten Jahreshälfte kann die Inflation in Deutschland bis auf 3 Prozent hochgehen", sagt Chefvolkswirt Krämer. "In einzelnen Monaten sind mehr als 3 Prozent möglich", sagt auch Gertrud Traud.

    Für den Euro-Raum erwarten die Banken einen geringeren Preisauftrieb: Die Commerzbank rechnet mit im Schnitt 1,9 Prozent Inflation in Europa, die Deka-Bank mit 1,6 Prozent.

    Steigt die Inflation zu stark, können die Zentralbanken Zinsen erhöhen oder ihre Anleihekaufprogramme reduzieren, die Geld in die Märkte pumpen. Die EZB hat ein Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent. Doch die Fachleute sind skeptisch, dass bald eine Wende in der lockeren Geldpolitik zu sehen ist.

    In den USA hat die Zentralbank Fed neben der Geldwertstabilität auch die Aufgabe, das Wachstum zu fördern. "Erklärtes Ziel der Fed ist es, die US-Arbeitslosigkeit von derzeit rund 6 Prozent auf 4 Prozent zu senken", erklärt Helaba-Chefvolkswirtin Traud. Bevor dies nicht passiert ist, erwartet sie keinen Kurswechsel der Fed. In Europa indes sind die Schulden vieler Staaten und Unternehmen hoch. Die Expertin geht davon aus, dass die EZB an ihren Anleihekäufen festhalten wird, um eine leichte Refinanzierung zu ermöglichen. "Die EZB wird weiter Anleihen kaufen, damit die Staatsschuld für die Mitgliedsländer erträglich bleibt", sagt sie. Traud erwartet, dass in den USA erst in der ersten Hälfte des Jahres 2023 die Zinsen steigen, in Europa in der zweiten Jahreshälfte 2023.

    "Die EZB wird weiter massiv Staatsanleihen kaufen", sagt auch Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer. "Das hoch verschuldete Italien zum Beispiel hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Der Druck auf die EZB ist hoch, den Staaten zu helfen."

    Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, sieht die Notenbanken weiter in einer Rolle als Konjunkturstütze: "Anleihebestände werden auch in der Zeit nach der Corona-Pandemie zum normalen Alltag der Notenbanken gehören. Solange das weltweite Zinsniveau so extrem niedrig ist, hat die Menge der gehaltenen Anleihen eine ähnliche Funktion wie früher der Notenbankzins", sagt er. "Die US-Notenbank Fed wird eine Reduzierung des Anleiheprogramms dosiert managen, sodass die Wirtschaftserholung nicht beeinträchtigt wird."

    Zu viel Geld im Umlauf: Risiko einer mittelfristig höheren Inflation

    Commerzbank-Experte Krämer befürchtet, dass die Bürger die lockere Geldpolitik mittelfristig mit einer höheren Inflation bezahlen könnten. Dafür gebe es Warnsignale: "Die Wähler in den meisten westlichen Ländern akzeptieren nach den Erfahrungen der Corona-Krise einen größeren Staat und höhere Haushaltsdefizite." Der Kredithunger der Staaten bleibe ebenso hoch wie die Bereitschaft der EZB, ihn durch Anleihekäufe zu stillen.

    Die Folge: "Es gelangt weiter zu viel Geld in Umlauf", warnt Krämer. "Falls in ein paar Jahren die Arbeitslosigkeit wieder niedrig ist und Gewerkschaften und Arbeitnehmer höhere Löhne durchsetzen, steigt das Risiko, dass sich das Zuviel an Geld in einer höherer Inflation entlädt", sagt der Chefökonom. Die steigenden Preise im Post-Corona-Boom hätten damit allerdings noch nichts zu tun.

    Das Thema Inflation – es könnte die nächsten Jahre an Bedeutung gewinnen.

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