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Osram: Eine Reise in die Welt des Lichts

Osram

Eine Reise in die Welt des Lichts

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    Das Osram Werk an der Berliner Allee in Augsburg.
    Das Osram Werk an der Berliner Allee in Augsburg. Foto: Ulrich Wagner

    Wenn das so einfach wie in der Bibel wäre, „als Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.“ Gleichermaßen verknappt lässt sich die Geschichte über Osram und die Ursachen des tief greifenden Konzernumbaus nicht fassen. Wenn Logik die Welt der Wirtschaft bestimmen würde, müssten die Beschäftigten des Augsburger Standortes der Firma glückliche Menschen sein, die davon profitieren, dass Brüssel ein schrittweises Verbot der Glühlampe durchgesetzt hat.

    Denn der Vorläufer der Energiesparlampe hat 1979 das Licht der Welt im Augsburger Osram-Werk erblickt. Gäbe es ökonomische Gerechtigkeit, müsste der Standort nicht – wie am Donnerstag verkündet – 350 von rund 1600 Arbeitsplätzen abbauen. Und es fielen auch nicht etwa 70 weitere im 450 Mitarbeiter zählenden Werk in Schwabmünchen weg, wo Vorprodukte wie Leuchtstoffe oder Wolframdrähte hergestellt werden. Der Konzern käme vielmehr nicht umhin, Hunderte Stellen aufzubauen.

    Augsburgs sonst meist ruhig argumentierender Oberbürgermeister Kurt Gribl müsste nicht spitze Pfeile Richtung Konzernführung schießen. Er könnte nach herben Arbeitsplatzverlusten bei dem insolventen Druckmaschinenhersteller Manroland und der Schließung von Nokia Siemens Networks in seiner Stadt endlich aufatmen. Doch leider lässt sich all das nur im Konjunktiv formulieren. Hätte, wäre, würde – die Wahrheit besteht aus kalten Sätzen im Indikativ, die ihren Anfang wie bei Manroland mit einem Wort nehmen, das für viele Beschäftigte im Verlust des Arbeitsplatzes endet. Ökonomen sprechen trocken von einem „Strukturwandel“. Der Prozess hat neben dem Markt für Druckmaschinen auch die Lichtbranche mit voller Wucht erfasst.

    Osram-Vorstand Martin Goetzeler formuliert es im Gespräch mit unserer Zeitung nüchtern: „Der Strukturwandel in unserer Branche wird an Dynamik gewinnen. Wir wollen ihn aktiv, verantwortungsvoll und vorausschauend gestalten.“

    Wenn Manager von Gestaltung sprechen, ist es ratsam, hellhörig zu sein, schließlich geht es neben dem Vorantreiben neuer Technologien oft um den Abbau von Jobs im traditionellen Geschäft. Der Unternehmens-Lenker sagt: „Wir müssen Kapazitäten anpassen. Wir gehen davon aus, dass der für die nächsten drei Jahre angepeilte Stellenabbau umgesetzt wird.“ Osram werde versuchen, neben Mitteln wie Altersteilzeit, den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Mitarbeitern andere Stellen im Konzern anzubieten.

    "Ich schaute in betroffene Gesichter"

    Immer wieder fällt bei Goetzeler das Wort „Transparenz“. Ein Übersetzungsvorschlag: Osram will die Mitarbeiter offen und rechtzeitig auf Veränderungsprozesse im Unternehmen einstimmen. Der Manager spricht das alles mit sanfter Stimme aus. Es fällt ihm nicht leicht. Mit der Transparenz ist das so eine Sache. Beschäftigte, die wie am Donnerstag in Augsburg erfahren, ihr Broterwerb könnte in den nächsten drei Jahren gefährdet sein, sind „geschockt“, wie Betriebsrats-Vorsitzender Willi Sattler bei der Mitarbeiterversammlung festgestellt hat. „Ich schaute in betroffene Gesichter. Jeder weiß, dass in hohem Maße Schichtarbeiter von dem Personalschnitt in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Der Arbeitnehmervertreter rechnet vor, dass, wenn man die Werke in Augsburg und Schwabmünchen zusammen nimmt, rund jeder fünfte Arbeitsplatz wegfällt.

    Sattler ist „tief enttäuscht“. Da wäre man wieder beim Konjunktiv und dem oft nicht zu Brüdern taugenden Duo von Ökonomie und Gerechtigkeit. Dass in Augsburg die Energiesparlampe entwickelt und heute immer noch produziert wird, ist, auf mittlere Sicht, eher ein Nachteil für das Werk. Osram macht kein Geheimnis daraus, dass solche ursprünglich als wichtigste Alternative zur Glühbirne gedachten Lampen lediglich eine „Brückentechnologie“ seien. Aus einem internen Papier des Konzerns, das dieser Zeitung vorliegt, lässt sich die Strategie des Unternehmens herauslesen: Mit heute schon als traditionell geltenden Produkten wie Energiesparlampen sollen die deutschen Produktionsstandorte für einen Übergangszeitraum abgesichert werden, ehe die Licht-Avantgarde zu einem Massenprodukt wird.

    Die Verbraucher haben die Glühbirnen gehamstert

    Aber warum werden die Ufer auf der anderen Seite der Brücke nicht auch mit Energiesparlampen beleuchtet? Die Antwort führt in die Wohnungen und Häuser eines unkalkulierbaren und Irrationalität in die Wirtschaftswelt bringenden Wesens namens „Verbraucher“. In seiner mittel- sowie nordeuropäischen und dabei vor allem weiblichen Ausprägung ist dieser Konsument überwiegend von einem großen Unbehagen gegenüber energiesparenden, aber aus seiner Sicht unförmigen, kalt leuchtenden, verzögert reagierenden und – wenn auch in kleinen Mengen – Quecksilber enthaltenden Produkten geprägt.

    Osram bekommt derartige Aversionen direkt zu spüren. Wenn Verbraucher nicht klassische und inzwischen verbotene 60- und 75-Watt-Glühbirnen gehamstert haben, greifen sie längst gerne auf Halogenlampen zurück, die zwar nur 30 Prozent weniger Energie als die von der EU verbannten Klassiker verbrauchen, aber näher an das gerade von Deutschen geliebte warme Glühlampenlicht heranreichen.

    Selbst wenn solche Halogen-Angebote im „Retrodesign“ bei Weitem nicht derart sparsam ausfallen, sind sie häufig erste Wahl. Folgt man Goetzeler und anderen Experten, gehört auch den Halogenbirnen nicht die Zukunft. „Auf Dauer wird sich die LED-Technologie durchsetzen“, sagt Markus Helle, Chefredakteur des renommierten Fachorgans Highlight. Noch seien diese Leuchtmittel in guter Qualität mit stolzen Preisen von 29 bis 40 Euro zu teuer, um eine 60-Watt-Birne zu ersetzen.

    LEDs, also Licht emittierende Dioden, sind Halbleiterbau-Elemente, die ausgehend von einem kleinen Chip Licht abgeben, wenn Strom durch die unterschiedlichen Schichten des Materials fließt. Die Produkte entwickelt und produziert Osram in Regensburg und Malaysia. Die Stadt in der Oberpfalz profitiert von dem Strukturwandel der Branche. Daher taucht der Name „

    Späte Gerechtigkeit für Augsburg?

    Dann könnte auch dem Standort in Augsburg späte Gerechtigkeit widerfahren. Bis dahin werden aber Betriebsrat Sattler und der aus Augsburg stammende IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner nicht müde, neue Produkte wie die Herstellung von organischen Leuchtdioden für das Werk einzufordern. Die leuchtende Schicht dieser Produkte ist um etliches dünner als ein menschliches Haar. Damit könnten Tapeten künftig strahlen.

    Die in Augsburg mit entwickelte Pilotanlage für diese OLED-Technik wurde aber nach Regensburg vergeben. Dennoch machen sich die Verantwortlichen in der Stadt Hoffnung, am Licht der neuen Zeit beteiligt zu werden.

    Osram-Vorstand Goetzeler lässt sich hier jedoch noch auf keine Diskussion ein. „Es ist jetzt zu früh, Aussagen zu treffen, welche neuen Produkte das Augsburger Werk bekommen könnte.“ So transparent ist die Welt der internationalen Konzerne dann eben doch nicht.

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