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Konjunktur: Der Aufschwung lässt wegen der Corona-Krise auf sich warten

Konjunktur

Der Aufschwung lässt wegen der Corona-Krise auf sich warten

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    Als einen der Gründe für die niedrigeren Erwartungen nennt das IfW den schwachen Jahresauftakt der Industrie.
    Als einen der Gründe für die niedrigeren Erwartungen nennt das IfW den schwachen Jahresauftakt der Industrie. Foto: Maurizio Gambarini, dpa

    Als die Sommersonne schien in Deutschland, gaben die Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung noch Anlass zur Hoffnung. Sie waren für 2020 negativ, ließen aber Licht am Ende des Tunnels erkennen. Der Herbstregen spült diese Erwartungen fort. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute jedenfalls haben ihre Wachstumszahlen für dieses und das nächste Jahr um jeweils gut einen Prozentpunkt nach unten korrigiert. Das Virus ist so bestimmend, dass es auch die einst so dominierenden Handelskonflikte, wie beispielsweise den Zollstreit zwischen der EU und den USA, an den Rand drängt.

    Laut ihrer am Mittwoch vorgestellten Herbstdiagnose nehmen die Institute DIW, Ifo Institut, IfW, IWH und RWI für das laufende Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 5,4 Prozent an. Bislang war mit einem Minus von 4,2 Prozent gerechnet worden. Im kommenden Jahr wird es demnach zwar das erwartete Wachstum geben. Es fällt aber geringer aus, als zunächst prognostiziert. Den Experten zufolge könnte es einen Zuwachs um 4,7 Prozent geben, nachdem zunächst ein Plus von 5,8 Prozent erwartet wurde. 2022 dürfte die Wirtschaftsleistung dann um 2,7 Prozent zulegen.

    IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths: „Unsicherheit über den Infektionsverlauf“

    Die Prognose ist wie so vieles in diesen Zeiten von der „Unsicherheit über den Infektionsverlauf“ getragen, wie IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths erklärte. Die Gutachter gehen in ihren Szenarien davon aus, dass die Corona-Maßnahmen nach und nach zurückgefahren werden. Derzeit bremst das Virus jedoch noch an vielen Stellen ein Wirtschaftswachstum aus: Die von der Politik auferlegten Beschränkungen drücken gleichermaßen auf die Investitionsentscheidungen der Unternehmen wie auf das Kaufverhalten der Bürger. Massive Defizite im Gesamthaushalt vergrößern die Unsicherheit. Nach einem Rekorddefizit von 183 Milliarden Euro beziffern die Experten die Fehlbeträge in den kommenden beiden Jahren auf immer noch beträchtliche 118 beziehungsweise 92 Milliarden Euro.

    Geduld ist das Gebot der Stunde. Trotz der positiven Erwartungen für 2021 wird es noch dauern, bis die deutsche Wirtschaft wieder in alter Stärke glänzt. „Die Normalisierung der Wirtschaftstätigkeit wird auf absehbare Zeit nicht zu einer Rückkehr zum Wachstumstrend führen“, sagte Kooths. Das gelte auch für die internationale Entwicklung. „Mittelfristig wirft die Pandemie die Entwicklung der Weltwirtschaft etwa um ein Jahr zurück.“

    Institute: Corona wird rund 820.000 Arbeitsplätze vernichten

    Für den Arbeitsmarkt sind die Auswirkungen der Pandemie bedrückend. Die Institute rechnen damit, dass Corona rund 820.000 Arbeitsplätze vernichten wird. Für die Betroffenen ist es da nur ein kleiner Trost, dass „die Talsohle am Arbeitsmarkt“ offenbar mittlerweile durchschritten wurde, wie Kooths es ausdrückte, der gleichzeitig aber auch mahnte, dass der Arbeitsmarkt wohl erst Mitte 2022 wieder das gute Niveau der Vor-Corona-Zeit erreichen werde.

    Entscheidungen wie die der Welthandelsorganisation WTO, der Europäischen Union Strafzölle auf US-Importe zu erlauben, fallen da nicht mehr so stark ins Gewicht, wie sie es noch vor der Corona-Pandemie getan hätten. Die Strafzölle seien lediglich „Nadelstiche“, die keinen Einfluss auf den Konjunkturverlauf hätten, sagte Stefan Kooths. Größere Probleme könne es womöglich geben, wenn das pandemiebedingte Platzen des Handelsabkommens zwischen China und den USA dazu führe, dass die amerikanische Seite gegenüber Peking aggressiver auftrete. Das könne „wieder zusätzlichen Sand ins weltwirtschaftliche Getriebe streuen“. Kooths betonte aber auch, dass solche Handelskonflikte zwar weiter eine Rolle spielten. „Aber geprägt wird die Weltwirtschaft nicht dadurch, sondern durch den Pandemieverlauf.“

    Da bestehe ein „gewisses Risiko“ für die EU, sagte Michelsen

    DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen verwies auf den Handelskonflikt vor der eigenen Haustür. Im Rahmen der Brexit-Verhandlungen sei das Austrittsabkommen zwischen Großbritannien und der EU „nach wie vor nicht in trockenen Tüchern und wird es wahrscheinlich auch noch nicht sein, wenn der Austrittstermin offiziell festgelegt wird“. Da bestehe ein „gewisses Risiko“ für die EU, sagte Michelsen. „Das erscheint allerdings angesichts der Pandemieereignisse deutlich kleiner, als wir das vor einem Jahr noch diskutiert haben“, schränkte der DIW-Experte ein.

    Weil immer noch viele Betriebe durch die Krise stark belastet sind, will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei Hilfen nachbessern. So sollen die bisher bis zum Jahresende laufenden Überbrückungshilfen um ein halbes Jahr bis zum 30. Juni 2021 verlängert werden. Im Wirtschaftsministerium wird zudem an bessere Abschreibungsmöglichkeiten sowie Elemente eines Unternehmerlohnes gedacht – erstattet werden bisher fixe Betriebskosten wie Mieten oder Pachten. Wirtschaftsverbände hatten beklagt, viele Hilfen kämen etwa bei Selbstständigen nicht an. Für die Überbrückungshilfen hatte der Bund 25 Milliarden Euro eingeplant. Davon sind aber erst 1,1 Milliarden Euro bewilligt worden.

    Wirtschaftsverbände wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag forderten zielgerichtete Maßnahmen, um Firmen zu unterstützen. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, nannte die Prognose der Institute ein klares Warnsignal: „Der Aufschwung ist kein Selbstläufer.“ Wachstumsbremsen müssten zügig gelöst werden.

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